AfD-Klage erfolgreich
Horst Seehofer unterliegt vor Bundesverfassungsgericht
KARLSRUHE (epd) - Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hätte die AfD auf der Ministeriums-Homepage nicht als „staatszersetzend“bezeichnen dürfen. Auch wenn die Äußerung im politischen Meinungskampf nicht zu beanstanden sei, dürfe ein Minister solch eine Aussage nicht mithilfe von Ressourcen des Ministeriums veröffentlichen, urteilte am Dienstag das Bundesverfassungsgericht. Anderenfalls werde das Gebot „staatlicher Neutralität“ und das Recht auf „gleichberechtigte Teilnahme am politischen Wettbewerb“verletzt. Hintergrund des Rechtsstreits war ein Interview Seehofers mit der Deutschen PresseAgentur (dpa) vom 14. September 2018. Die Alternative für Deutschland (AfD) hatte zuvor Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier polemisch im Bundestag kritisiert. Seehofer bezeichnete die AfD-Kritik am Bundespräsidenten als „staatszersetzend“.
KARLSRUHE (dpa) - Mitglieder der Bundesregierung dürfen die AfD kritisieren – aber nur als Parteipolitiker, nicht als Minister. Das hat das Bundesverfassungsgericht nach einer Klage der Partei gegen Innenminister Horst Seehofer klargestellt. Der damalige CSU-Chef hätte ein Interview, in dem er das Verhalten der AfD-Bundestagsfraktion als „staatszersetzend“und „schäbig“bezeichnet, nicht auf der Internetseite seines Ministeriums veröffentlichen dürfen. Sich mit dieser Wortwahl äußern, durfte er aber.
Die Karlsruher Richter urteilten am Dienstag, dass Seehofer durch die Verbreitung des Medienberichts über die Ministeriumsseite die AfD in ihrem Recht auf politische Chancengleichheit verletzt habe. Er habe im Meinungskampf staatliche Ressourcen genutzt, über die er nur wegen seines Amtes verfüge. Das verstoße gegen das Neutralitätsgebot.
Das Interview hatte Seehofer im September 2018 der Deutschen Presse-Agentur gegeben. Unmittelbar davor hatte die AfD versucht, im Bundestag den Haushalt des Bundespräsidenten diskutieren zu lassen. Ihr Vorwurf: Frank-Walter Steinmeier habe „für eine linksradikale Großveranstaltung“geworben, indem er ein Konzert gegen Rassismus der zeitweilig vom Verfassungsschutz beobachteten Linkspunkband Feine Sahne Fischfilet unterstützt hatte.
Seehofer kommentierte das mit den Worten: „Das ist für unseren Staat hochgefährlich.“Man könne nicht „wie auf dem Jahrmarkt den Bundespräsidenten abkanzeln“. „Das ist staatszersetzend.“Außerdem sagte er: „Die stellen sich gegen diesen Staat. Da können sie tausend Mal sagen, sie sind Demokraten.“Nach der Veröffentlichung hatte das
Ministerium den Text zu den anderen Medienberichten auf seiner Homepage gestellt. Das allein wurde Seehofer jetzt zum Verhängnis – nicht der Inhalt des Interviews. Aus dem Gesamtzusammenhang werde klar, dass Seehofer als Parteipolitiker gesprochen habe, entschieden die Richter.
Für den Innenminister Seehofer gelten allerdings strengere Regeln. „Die Zulässigkeit der Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung endet dort, wo Werbung für oder Einflussnahme gegen einzelne im politischen Wettbewerb stehende Parteien oder Personen beginnt“, sagte der scheidende Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle bei seiner voraussichtlich letzten Urteilsverkündung. Regierungsmitglieder sind nach der Entscheidung zwar berechtigt, Angriffe gegen ihre Politik öffentlich zurückzuweisen. Dabei müssen sie aber sachlich bleiben.
Das Urteil ist keine Überraschung. 2018 hatte Karlsruhe nach einer AfD-Klage bereits die damalige Bildungsministerin Johanna Wanka (CDU) in die Schranken gewiesen. Sie hatte in der Flüchtlingskrise 2015 auf einen Demonstrationsaufruf der AfD mit der Parole „Rote Karte für Merkel!“per Ministeriums-Pressemitteilung reagiert: „Die Rote Karte sollte der AfD und nicht der Bundeskanzlerin gezeigt werden.“
Der AfD-Vorsitzende Jörg Meuthen nannte das Urteil einen „Beweis für einen funktionierenden Rechtsstaat“. Er moniere nicht, dass Seehofer sich in der Sache kritisch äußere. „Das, was Herr Seehofer da gemacht hat, war derbe Kritik. Aber wer viel austeilt, muss auch mal einstecken können.“Fraktionschefin Alice Weidel forderte Seehofer dagegen zum Rücktritt auf: „Ein Innenminister als Verfassungsbrecher ist peinlich für das Kabinett und für das ganze Land.“
Der oberschwäbische FDP-Innenpolitiker Benjamin Strasser betonte, an der Richtigkeit der von Seehofer getroffenen Aussage ändere das Urteil nichts. „Die AfD ist und bleibt in ihren Zielen staatszersetzend“, sagte er.