Porsche und Piech stellen sich hinter VW-Chef Diess
Anschuldigungen gegen den Aufsichtsrat, Schwierigkeiten beim Golf 8 und ein rassistischer Werbespot führten zu seinem Machtverlust
FRANKFURT – Einen Tag nach der Teil-Entmachtung von VW-Vorstandschef Herbert Diess haben sich die Familien Porsche und Piech hinter ihn gestellt: „Herr Diess hat sich in aller Form entschuldigt, er hat dabei den gesamten Aufsichtsrat adressiert. Die Kapitalseite steht weiter hinter ihm“, hieß es von den Mehrheitseignern. Doch sie mahnten auch, das Unternehmen müsse jetzt „in ruhigeres Fahrwasser kommen“.
Am Montagabend hatte der Wolfsburger Konzern mitgeteilt, Diess werde zum 1. Juli die Leitung des Tagesgeschäfts der Kernmarke VW an Ralf Brandstätter abgeben, der bisher schon für das operative Geschäft von VW Pkw zuständig ist. Der Aufsichtsrat begründete diese Entscheidung zwar damit, man wolle dem Konzernchef mehr Freiraum geben in der Steuerung der Gesamtstrategie. Doch offenbar hatte er sich deshalb zu dem Schritt entschlossen, weil Diess den Mitgliedern des Kontrollgremiums auf einer Führungskräftetagung Indiskretionen vorgeworfen hatte. Dies deshalb, weil sein angeblicher Wunsch nach einer vorzeitigen Vertragsverlängerung an die Medien gelangt sei.
Dem Vernehmen nach hat er vor wenigen Tagen vor 3400 Topmanagern gesagt, das seien Straftaten, die im Aufsichtsratspräsidium passiert seien und dort offensichtlich zugeordnet werden könnten. Für diese Aussagen, die bei den Aufsichtsräten stark missbilligt worden seien, habe der Konzernchef sich nun entschuldigt. Diess habe nicht zum Ausdruck bringen wollen, dass sich Mitglieder des Aufsichtsrats strafbar gemacht hätten, ließ sich ein Konzernsprecher zitieren. Angeblich, so ist zu hören, habe man aber auch über seine Ablösung nachgedacht.
Weitere Probleme der letzten Wochen kamen hinzu, vor allem die anhaltenden Schwierigkeiten bei den wichtigen Modellen Golf 8 und ID 3 als auch ein rassistischer Werbespot für den Golf, der Mitte Mai auf Instagram gepostet worden war. Er hatte weltweit für heftige Kritik und Empörung gesorgt. „Da muss man nun schnell den Verantwortlichen
suchen“, mahnt Analyst Jürgen Pieper vom Bankhaus Metzler. Das dürfe man gerade wegen der aktuellen Rassismus-Debatte schnell klären.
Nun also muss
Diess nur die Führung der Kernmarke VW abgeben, die er seit
Mitte 2015 leitet.
Damals war er von dem damaligen Konzernchef
Matthias Müller von BMW geholt worden, um die renditeschwache Marke auf Profitabilität zu trimmen. Das aber tat er wohl mit etwas zu viel Verve – jedenfalls für den Geschmack des Gesamtbetriebsrats. „Schon zu Beginn hat er sich mit dem Betriebsrat angelegt, weil er zu viel einsparen wollte“, sagt Tim Schuldt, Autoexperte von Pareto Securities. Eine so enge Verbindung wie etwa der langjährige Firmenchef Ferdinand Piech habe Diess bisher nicht aufbauen können, meint der Analyst. Die aber sei die wesentliche Machtgrundlage für Piech gewesen. „Bernd Osterloh, der Konzernbetriebsratsvorsitzende hat in den letzten Monaten massiv die Entmachtung von Diess betrieben“, glaubt auch Ferdinand Dudenhöffer, Direktor des Center Automotive Research in Duisburg. Paritätische Mitbestimmung, Landesbesitz von Stammaktien sowie das „schräge VW-Gesetz“seien die Ursachen der vielfältigen Skandale bei dem Wolfsburger Autokonzern, meint er: „Früher waren es Mädchen aus Brasilien, die den übermächtigen Betriebsratschef von VW ruhigstellen sollten, dann kam Dieselgate. Die Ursachen waren immer wieder die schwierigen Kostenverhältnisse um Wolfsburg.“Nun habe Osterloh mit einer Revolte den Vorstandsvorsitzenden des Konzerns zu einer „lame duck“werden lassen.
So dramatisch sei die Lage bei VW nicht, glaubt jedoch Autoexperte Pieper vom Bankhaus Metzler. Diess müsse nun zwar eine seiner Rollen abgeben, er sei aber immer noch zuständig für das China-Geschäft und leite den Konzern. Auch der langjährige Daimler-Chef Dieter Zetsche habe zu viel Verantwortung an sich gezogen. Das sei dem Konzern nicht so gut bekommen.
Für die Probleme beim Golf müsse man eigentlich eher Ralf Brandstätter verantwortlich machen, meint Pieper. Er sei primär dafür verantwortlich. Im Zusammenhang mit den Nachrichten um Diess gehe etwas unter, dass Einkaufsvorstand Stefan Sommer nun das Unternehmen verlässt. Der war erst im September 2018 zu VW gekommen, zuvor hatte er den Autozulieferer ZF Friedrichshafen geleitet und hatte diesen durch Zukäufe zu einem weltweit bedeutenden Unternehmen geformt. Sommers Vertrag bei VW lief noch bis 2021. Er hatte maßgeblich den Aufbau einer eigenen Batteriefertigung vorangetrieben. „Ob VW seine glasklare Strategie in die Elektromobilität zukünftig mit dem gleichen Momentum fortsetzt, ist unklar“, sorgt sich auch Autoexperte Dudenhöffer. Das aber sei auch das wesentliche Thema des Konzernchefs, gibt sich Pieper etwas optimistischer.