Dorfwirtschaft auf tadschikisch
Mirsobek Abdurachmonow kriegt auch Besuch vom Botschafter seines Landes
DENKINGEN - Dass das Denkinger Kleintierzüchterheim so hohen Besuch wie einen echten Botschafter bekommt, liegt daran, dass diese Dorfkneipe einen ganz besonderen Wirt hat. Mirsobek Abdurachmanow ist Tadschike.
„Offiziell leben nur 60 von uns in Deutschland“, erzählt er. Tadschkistan ist eine ehemalige Sowjetrepublik, die heute zwischen Afghanistan und China liegt. Das bergige Land ist halb so groß wie Deutschland, hat aber nur etwa neun Millionen Einwohner.
Weil die Tadschiken in Deutschland so wenige sind, halten sie zusammen. Der Botschafter kommt Mirsobek zwei bis drei Mal im Jahr besuchen. Dieses Jahr war er aber wegen der Corona-Krise noch nicht da. „Der kommt zum Beispiel vorbei, wenn er seine Daimler in der Region abholt“, erzählt der 59-Jährige, den in Denkingen die meisten „Mirso“nennen. Dazu meint er: „Mein Name ist ein bisschen schwierig.“
Tadschikistan ist zwar offiziell demokratisch, belegt aber wegen der repressiven Staatsführung durch Präsident Emomalji Rachmon regelmäßig die letzten Ränge bei Demokratie-Rankings. Obwohl Abdurachmonow regelmäßig Besuch vom Botschafter bekommt, hat er mit Politik nicht viel am Hut, er sagt: „Das interessiert mich nicht. Das wichtigste ist, dass Frieden ist.“
Den Krieg, der auf die Unabhängigkeit seines Landes 1991 folgte, hat er noch in Erinnerung. „Das war eine schlimme Zeit, mit all der Gewalt“, erzählt er.
In dieser Zeit entschließt sich Abdurachmonow nach Deutschland zu gehen. Warum Deutschland? „Na meine Frau war Deutsche!“, sagt Abdurachmonow.
Die Familie seiner Frau sei von den Nazis nach Deutschland geholt worden, die Sowjets hätten sie dann wieder dort weg geholt. Statt in die ukrainische Heimat wurden viele der Spätaussiedler in die asiatischen Teilrepubliken zwangsumgesiedelt. Erst nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion war der Weg nach Deutschland wieder für alle offen.
In Deutschland ziehen Abdurachmonow und seine Frau in die Nähe von Verwandten, die sich bereits in den 70ern im Primtal niedergelassen haben. Der Tadschike findet Arbeit in Aldingen. Er erzählt: „Da habe ich mit den Maschinen gearbeitet und CNC (A. d. Red: ein Computerverfahren zur Maschinenführung) gelernt.“
2002 will Mirsobek dann endlich wieder das machen, was er schon in seiner Heimat gelernt hat: kochen. Deshalb übernimmt er in Aldingen die Schillerstuben. Nach zwei Jahren ist dort Schluss. Nach einer kurzen Pause wechselt er nach Spaichingen, wo er sieben Jahre lang das Schützenhaus führt. Seit 2014 ist er jetzt in Denkingen im Züchterstüble.
Im Ort heiße die Wirtschaft nur „Der Rammler“, sagt Abdurachmonow. Verschmitzt lächelnd meint er dann: „Aber das kann ich wirklich nicht auf das Schild draußen schreiben.“Dass Denkingen hier internationalen Flair hat, sieht man der Wirtschaft nicht auf den ersten Blick an. Etwas abseits vom Ortszentrum liegt das Züchterstüble, wer nicht danach sucht fährt schnell dran vorbei.
Von außen weisen nur die typischen Laternen mit Brauereiaufdruck, ein unscheinbares Schild und ein Metallhase auf die Gaststätte hin. Auch drinnen wirkt erst alles gewöhnlich. Ein lang gestreckter Gastraum mit Tischen aus Eiche oder Eichenimitat. An der Wand hängen ein Kreuz und alle Bierfässer.
Spannend wird es erst beim Blick auf den Tresen. Der ist zwar auch noch in seiner wuchtig-schwäbischen Urform vorhanden, aber definitiv anders geschmückt, als das sonst der Fall wäre. Rechts oben thront ein kunstvoller russischer Teekessel, ein sogenannter Samowar, daneben eine bunte Alkoholsammlung mit kyrillischen Aufdrucken.
Vorne auf der alten Lampe mit Kupferschirm steht prominent eine tadschikische Fahne, die die wenigsten Besucher als solche erkennen würden. Unter der Lampe waltet Mirsobek Abdurachmonow. Der 59Jährige trägt stets einen traditionellen tadschikischen Hut.
Die Mischung aus deutsch und tadschikisch findet sich auch in Abdurachmonows Küche. Auf der Speisekarte bietet er vor allem deutsches wie Wurstsalat oder Currywurst an. Aber auch Cevapcici mit russischem Ajvar gibt es, da kommen Scharfesser voll auf ihre Kosten. Als Tagesessen kocht Abdurachmonow für seinen Gäste auch mal persische Gerichte. Reis mit Berberitzen und Rindfleisch zum Beispiel.
Die Lieblingszutat des Tadschiken ist aber Koriander. Den zieht er selbst in seinen Blumentöpfen. Er findet: „Der schmeckt nach Heimat.“Seine Heimat und seine Verbindungen dort hin sind Abdurachmonow wichtig. Er sagt: Das ist meine Vergangenheit und ich sage immer: Wer seine Vergangenheit vergisst hat keine Zukunft.“
Deshalb ist er auch hier in Denkingen, wo er eine Vergangenheit hat. Außerdem wolle er nicht in eine Großstadt. Er sagt: „Ich bin auf dem Land glücklicher, hier helfen sich die Menschen gegenseitig.“
Für Denkingen ist das Züchterstüble gefragt. Die Vereine halten hier ihre Feiern ab und vor allem während der Fasnet ist der Gastraum bis obenhin voll. Auch für Hochzeiten und Geburtstage steht die Wirtschaft bereit. Türkische Hochzeit in der deutschen Wirtschaft mit tadschikischem Grillspieß, das ist hier eher die Regel als die Ausnahme.
Mirsobek Abdurachmonow findet es wichtig, das die Kulturen nebeneinander existieren dürfen. Er sagt: „Deswegen hab ich auch das Kreuz nicht abgehängt, das gehört ja einfach hier dazu.“Wie die meisten seiner Landsleute ist er Muslim, allerdings kein strenger. „Ich grille auch Schwein, wenn das Gäste wollen“, erzählt er.
Der tadschikische Botschafter in Berlin ist in diesem Jahr ein neuer: „Der muss noch im Sommer für seinen Antrittsbesuch bei mir vorbeikommen.“
Wer seine Vergangenheit vergisst hat keine Zukunft.“Mirsobek Abdurachmonow