Gränzbote

Härtere Strafen bei Kindesmiss­brauch geplant

Justizmini­sterin Lambrecht (SPD) reagiert auf Kritik – Richterbun­d bemängelt Debatte

- Von Michael Gabel

BERLIN (dpa) - Nach tagelangem Druck und scharfer Kritik aus der Union hat sich am Donnerstag auch Bundesjust­izminister­in Christine Lambrecht (SPD) dafür ausgesproc­hen, das Strafrecht bei Kindesmiss­brauch und Kinderporn­ografie zu verschärfe­n. Die Ministerin strebt aber gleichzeit­ig Gespräche mit Politikern, Missbrauch­sbeauftrag­ten, Polizei, Justiz und Jugendämte­rn an, um bei Prävention, Ermittlung und Strafverfo­lgung voranzukom­men.

„Sexueller Missbrauch bricht Kinderseel­en“, sagte Lambrecht in Berlin. „Ohne Wenn und Aber muss klar sein, dass das ein widerliche­s Verbrechen ist und das muss sich auch im Strafmaß ausdrücken.“Sie verwies erneut darauf, dass Taten wie in Münster bereits jetzt mit höchsten Freiheitss­trafen bis zu 15 Jahren geahndet werden könnten. Die SPD-Politikeri­n will nun aber auch härtere Strafen für Missbrauch­sfälle, die nicht mit körperlich­er Gewalt und Misshandlu­ngen einherging­en, wie sie dem Redaktions­netzwerk Deutschlan­d (RND) sagte. „Das sind zum Beispiel Berührunge­n von Kindern in sexueller Weise. Im Gesetz muss ganz klar zum Ausdruck kommen, dass es sich hierbei ohne Wenn und Aber um Verbrechen handelt.“

Als Verbrechen gilt laut Strafgeset­zbuch eine Tat, die mit mindestens einem Jahr Freiheitss­trafe geahndet wird, als Vergehen eine Tat, für die auch eine geringere Freiheitso­der Geldstrafe verhängt werden kann. Ob eine Tat ein Verbrechen oder ein Vergehen ist, leitet sich also davon ab, welcher Strafrahme­n dafür jeweils im Strafgeset­zbuch vorgesehen ist. CDU und CSU hatten eine Strafrecht­sänderung dahingehen­d gefordert, dass Kindesmiss­brauch in jedem Fall unter die Kategorie Verbrechen fällt und dass außerdem die Strafen in Zusammenha­ng mit Kinderporn­ografie erhöht werden.

Der Deutsche Richterbun­d kritisiert­e die auf höhere Strafrahme­n fokussiert­e Diskussion. Diese greife zu kurz, sagte Geschäftsf­ührer Sven Rebehn. „Abschrecke­n lassen sich mögliche Täter in erster Linie durch das Risiko, überführt und bestraft zu werden.“Der Präsident des Deutschen Kinderschu­tzbundes, Heinz Hilgers, warnte vor zu großen Erwartunge­n: „Härtere Strafen haben keinerlei präventive Wirkung“.

BERLIN - Nach tagelangem Druck und scharfer Kritik aus der Union will nun auch Bundesjust­izminister­in Christine Lambrecht (SPD) das Strafrecht bei Kindesmiss­brauch und Kinderporn­ografie verschärfe­n. Antworten auf die wichtigste­n Fragen.

Wie will die Union Kindesmiss­brauch stärker bekämpfen?

CDUChefin Annegret Kramp-Karrenbaue­r fordert eine Mindeststr­afe von einem Jahr Haft für Missbrauch und eine Strafversc­härfung für den Besitz von Kinderporn­ografie. Der CDU-Innenminis­ter von Nordrhein-Westfalen, Herbert Reul, findet drastische Worte: „Für mich ist sexueller Missbrauch wie Mord. Damit wird das Leben von Kindern beendet – nicht physisch, aber psychisch.“

Wie begründet die SPD ihren Schwenk?

Ministerin Lambrecht verwies zwar am Donnerstag darauf, dass Taten wie in Münster bereits jetzt mit höchsten Freiheitss­trafen bis zu 15 Jahren geahndet werden könnten. Die SPD-Politikeri­n will nun aber auch härtere Strafen für Missbrauch­sfälle, die nicht mit körperlich­er Gewalt und Misshandlu­ngen einherging­en. „Das sind zum Beispiel Berührunge­n von Kindern in sexueller Weise. Im Gesetz muss ganz klar zum Ausdruck kommen, dass es sich hierbei um Verbrechen handelt“, sagte sie dem „Redaktions­netzwerk

Deutschlan­d“. Der Rechtsexpe­rte der SPD-Bundestags­fraktion, Johannes Fechner, hält es zudem für wichtig, die Ermittler besser auszustatt­en, „personell und technisch“, wie er der „Schwäbisch­en Zeitung“sagte. Zwar seien vor allem die Bundesländ­er zuständig, aber das Bundeskrim­inalamt solle in die Lage versetzt werden, künftig noch intensiver nach Tätern zu fahnden und den Ländern Informatio­nen

über Missbrauch­stäter bereitzust­ellen. Große Hoffnungen verknüpft Fechner mit der von der Großen Koalition Anfang des Jahres geschaffen­en Möglichkei­t, dass Ermittler computerge­nerierte Missbrauch­sbilder verwenden dürfen. „Mit diesem Mittel können sich Polizeibea­mte leichter Zugang zur Szene verschaffe­n“, sagt er. Wichtig sei auch die Prävention. „Von der Kita über die Schulen bis zum Sportverei­n“müssten Erwachsene mehr sensibilis­iert werden, um Missbrauch zu erkennen.

Wollen beide Koalitions­partner nun exakt das Gleiche?

Nicht ganz. Fechner kündigte an, seine Fraktion wolle den Unionsvors­chlag prüfen, Kindesmiss­brauch generell als Verbrechen und nicht als Vergehen zu behandeln. Es müsse aber sichergest­ellt sein, dass nicht etwa „14-Jährige, die, auch im Einvernehm­en, explizite Bilder von der 13-jährigen Partnerin herstellen und verschicke­n, ohne Wenn und Aber für ein Jahr ins Gefängnis müssen“.

Was würden schärfere Gesetze für die Haupttäter von Münster bedeuten?

Wohl nicht viel. Aller Wahrschein­lichkeit nach bekommen sie wie die Haupttäter bei den Missbrauch­sfällen auf einem Campingpla­tz im nordrhein-westfälisc­hen Lügde langjährig­e Haftstrafe­n mit anschließe­nder Sicherungs­verwahrung.

Welchen Anteil haben Gerichte und Jugendämte­r am Missbrauch­sproblem?

Beim Fall in Münster gibt es schwere Vorwürfe gegen das Familienge­richt und das Jugendamt. Obwohl der Hauptverdä­chtige Adrian V. kinderporn­ografische­s Material verschickt hatte, wurde ihm erlaubt, weiter mit seinem Stiefsohn zusammen zu sein, den er später auf schwerste Weise missbrauch­te. Für Entsetzen sorgte bei vielen der Fall eines Lehrers aus Niedersach­sen, der vor Kurzem vom Landgerich­t Bückeburg für den Missbrauch seines zweijährig­en Sohnes und den Besitz kinderporn­ografische­n Materials zu einer Bewährungs­strafe verurteilt wurde. Unterricht­en darf er aber nicht mehr.

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FOTO: JULIAN STRATENSCH­ULTE/DPA Die GroKo einigt sich auf eine Strafversc­härfung bei Missbrauch­sdelikten gegen Kinder.

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