Bund setzt auf Wasserstoff
Kabinett stellt Strategie für Energieversorgung vor
BERLIN (KNA) - Die Bundesregierung hat eine Nationale Wasserstoffstrategie auf den Weg gebracht. Dabei setzt Deutschland auf einen Ausbau des Wasserstoffs durch Elektrolyse. Peter Altmaier (CDU) sprach am Mittwoch von einer neuen qualitativen Stufe für die Energiewende. Das gelinge mit dem Einsatz von langfristig „Grünem Wasserstoff“. Deutschland wolle hier Marktführer werden. Bis 2030 solle eine Elektrolyseleistung im Umfang von fünf Gigawatt aufgebaut und der Anteil bis 2040 auf 10 Gigawatt gesteigert werden. Es müsse aber zusätzlich Wasserstoff importiert werden.
Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) setzt daher auf eine enge Kooperation mit Afrika. Ohne die Sonne Afrikas könne Deutschland seine Klimaziele nicht erreichen, erklärte Müller. „Grüner Wasserstoff“und seine Folgeprodukte wie Methanol könnten das saubere Öl von morgen werden.
BERLIN/RAVENSBURG - Die Bundesregierung hat sich auf konkrete Schritte zur Entwicklung der Wasserstoffwirtschaft geeinigt. „Wir müssen jetzt die Potenziale für Wertschöpfung, Beschäftigung und Klimaschutz erschließen und nutzen“, sagte Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) am Mittwoch bei Vorstellung der offiziellen Strategie. Kernpunkt: Bis zum Jahr 2030 sollen Anlagen zur Erzeugung von Wasserstoff mit einer Leistung von fünf Gigawatt entstehen. Das ist mehr als die Leistung des derzeit größten deutschen Kohlekraftwerks. Es gehe darum, den Wasserstoff schon in naher Zukunft zu einem wettbewerbsfähigen Energieträger zu machen, sagte Altmaier. Im Rahmen des Corona-Konjunkturpakets hatte die Regierung bereits neun Milliarden Euro für die Förderung der Wasserstoffwirtschaft zusagt.
Die verschiedenen Bundesministerien haben monatelang an der Strategie gearbeitet – und mussten dabei zum Teil unterschiedliche Vorstellungen unter einen Hut bringen. Das Wirtschafts- und Energieministerium hat dabei vor allem auf realistischen Zielen beharrt, weil es am Ende die schwierigen Teile der Umsetzung stemmen muss. Wasserstoffanlagen brauchen erneuerbare Energie zum Betrieb – und die Aufstellung neuer Windräder wird zunehmend schwierig. Das Umweltministerium musste zum Teil zurückstecken, hat sich jedoch insofern durchgesetzt, als jetzt ein klarer Schwerpunkt beim sogenannten grünen Wasserstoff liegt, der aus Wind und Sonne hergestellt wird. Die Alternativen sind grauer oder blauer Wasserstoff, die aus Erdgas abgeschieden werden und daher als wenig umweltfreundlich gelten. Das Verkehrsministerium arbeitet seinerseits schon seit den 1990er-Jahren an eigenen Ideen zum Autofahren mit dem farblosen Gas.
Experten bewerten die Strategie insgesamt als gelungenen Entwurf für den Weg in die Wasserstoffwelt. „Grundsätzlich sehen wir hier gute Impulse für eine Zukunft der grünen Energieversorgung“, sagt Matthias
Deutsch, Projektleiter für Energiespeicher bei der Denkfabrik Agora Energiewende. Die Strategie lege den Schwerpunkt auf die Abkehr der Industrie von der Nutzung von Kohle und Öl. Das sei richtig, weil hier Investitionen für Jahrzehnte getätigt werden. Die Weichenstellung muss daher besonders früh erfolgen. Wenn erst einmal neue Stahlwerke stehen, die auf Kohle angewiesen sind, lasse sich diese Entscheidung auf absehbare Zeit nicht korrigieren.
Auch Baden-Württembergs Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut begrüßte das Konzept. „Die Strategie ist ein wichtiger Schritt, gerade für den Wirtschaftsstandort Baden-Württemberg“, sagte die CDU-Politikerin am Mittwoch. „Sie eröffnet die große Chance, eine Wasserstoffwirtschaft aufzubauen und neue Absatzmärkte für Wasserstoffund Brennstoffzellentechnologien zu etablieren.“
Der Einsatz von Wasserstoff soll insgesamt die nächste Stufe der Energiewende ermöglichen. Das Gas dient hier vor allem als Speicher für grünen Strom, der erst später gebraucht wird. Aus Wasserstoff lassen sich dann vor Ort Elektrizität und Wärme erzeugen. Außerdem kann er Fahr- und Flugzeuge sowie Industrieanlagen antreiben. Zugleich will Altmaier mit seiner Strategie den Wirtschaftsstandort zukunftsfähig machen. Auch Japan und China arbeiten an einer Wasserstoffstrategie und haben bereits entsprechende Produkte auf dem Markt. Ohne einen Heimatmarkt könne die Industrie nicht zum weltweiten Anbieter von Zukunftstechnik werden, sagt Altmaier.
Altmaier will damit in Absprache mit der Industrie die Anbieter von Anlagen stärken, die den Sauerstoff vom Wasserstoff im Wasser abtrennen. Das sind beispielsweise die Sunfire GmbH aus Dresden oder der Großkonzern Siemens. Internationale Konkurrenten kommen aus Großbritannien, Italien, den USA, Japan oder China. Die Anbieter aus den Ländern, die schon früh Großaufträge für den Bau massiver Angaben vergeben, haben nach Altmaiers Logik die besten Chancen am Weltmarkt.
Die Strategie umfasst jedoch nicht nur die Herstellung, sondern auch die Anwendung des Wasserstoffs. Das umweltfreundliche Gas spielt vor allem da eine Rolle, wo bisher Kohle unverzichtbar ist – beispielsweise in Hochöfen. Stahl lässt sich aber eben auch mit Wasserstoff erzeugen. Kurz nach Vorstellung der Strategie haben RWE und ThyssenKrupp eine Vereinbarung unterzeichnet: Bis 2025 wollen sie in Duisburg Stahl mit ausschließlich erneuerbarer Energie herstellen.
Die Anwendung im Verkehr, beispielsweise für Lastwagen, sei ebenfalls wichtig, doch hier ist das Umsteuern nicht ganz so dringend, sagt Experte Deutsch von Agora Energiewende. „Hier gibt es ein größeres Zeitfenster und mehr Alternativen wie die reine Nutzung von Batterien.“Für den Personenverkehr stehen derzeit auch ganz klar die Batterieautos im Vordergrund. Doch gerade für den Transport von Gütern über weite Strecken wird Wasserstoff nötig. Ein Kühllaster mit 25 Tonnen Fracht lässt sich nicht auf Akku durch die Gegend fahren.