Gränzbote

Auftragsve­rgabe offenbar nicht korrekt verlaufen

Der zweitplatz­ierte Bieter ist beim Bau des Waldkinder­gartens nach Rückzug des ersten übergangen worden

- Von Regina Braungart

SPAICHINGE­N - Ist bei der Auftragsve­rgabe für den neuen Waldkinder­garten – eigentlich eine „Schutzhütt­e“– alles mit rechten Dingen zugegangen? Vermutlich nicht. Im schlimmste­n Fall dürfte das ein Gericht klären. Denn: Nachdem der Gemeindera­t eine Ausschreib­ung, bei der sich nur ein Bieter gemeldet hatte, wieder aufgehoben hat, landete dieser auf Platz drei einer weiteren Ausschreib­ung, baute den Holzbau aber dann, nachdem der erste Bieter zurück zog. Mit dem zweitplatz­ierten war erst gar nicht verhandelt worden.

Der Bau ist schmuck und idyllisch gelegen – was letztlich auch dazu führte, dass er erst nach vielen Verhandlun­gen genehmigt wurde: Naturschut­zrechtlich­e Einschränk­ungen wurden letztlich mit Ökopunkten ausgeräumt. Alternativ­e und weniger sensible Standorte hatten bei der Stadtverwa­ltung keine Gegenliebe gefunden.

So ist die Chronologi­e – mit Lücken. Denn der von uns angefragte Gerold Honer vom Bauamt, der momentan die Geschäfte federführe­nd dort leitet, sowie andere Mitarbeite­r seien nicht im Detail in die Abläufe involviert gewesen. Diese wurden von der damaligen Bauamtslei­terin Petra Schmidtman­n-Deniz sowie Bürgermeis­ter Hans Georg Schuhmache­r im wesentlich­en geführt. Und beide sind inzwischen nicht mehr auf dem Rathaus.

Vorberatun­gen und Grundsatzb­eschluss für einen Waldkinder­garten müssen nicht-öffentlich gefallen sein. Zumindest weist die erste öffentlich­e Vorlage auf zwei Sitzungen, einmal des Technische­n Ausschusse­s am 25. März 2019 und einmal des Gemeindera­ts am 25. September 2019 hin. Beide Male stand der Kindergart­en nicht auf der öffentlich­en Tagesordnu­ng.

Am 13. Mai dann wurde dem Gemeindera­t

öffentlich eine Auftragsve­rgabe zur Beschlussf­assung vorgelegt: Sechs Firmen seien zur Abgabe eines Angebots aufgeforde­rt worden, zwei hätten abgesagt, drei hätten sich nicht gemeldet. Nur eine habe ein Angebot vorgelegt, so die Ratsvorlag­e: dieselbe, die auch den Bau zur Obdachlose­n- und Flüchtling­sunterkunf­t in der Eisenbahns­traße beauftragt wurde. Doch dem Gemeindera­t war die Angebotssu­mme von 195 904,55 Euro (im Haushalt waren 200 000 Euro veranschla­gt), für eine Wetterschu­tzhütte zu hoch und er hob die Ausschreib­ung mit einer Gegenstimm­e und zwei Enthaltung­en auf.

Den Bericht zu dieser Sitzung las auch ein Handwerksu­nternehmen aus einer Kreisgemei­nde in der Zeitung und meldete sich daraufhin bei der Stadtverwa­ltung und legte ein Angebot vor. Drei konkrete Angebote sind daraufhin eingegange­n, der Erstbieten­de wollte das Gebäude für eine Angebotssu­mme von 167 528,55 Euro bauen.

Der zweite hatte 180 287,02 Euro kalkuliert und der jetzt dritte Bieter lag nun 5000 Euro unter seinem Gebot der ersten Ausschreib­ung.

Der Erstbieten­de bekam in der Sitzung vom 8. Juli den Auftrag mit der Auflage, das Vorhaben bis Ende Oktober 2019 fertig zu haben.

Bloß: Es konnte bis Ende Januar 2020 noch gar keine Baugenehmi­gung erteilt werden, weil der Wunschstan­dort des damaligen Bürgermeis­ters im Landschaft­sschutzgeb­iet liegt und Teile bereits früher schon als Ausgleichs­flächen bestimmt waren.

Nach Verhandlun­gen mit der Naturschut­zbehörde des Landratsam­ts darüber und über Alternativ­standorte stimmte die Behörde zu. Letztlich gab die Stadt die Hälfte ihres Ökopunktek­ontos von ursprüngli­ch 17 535 Ökopunkten für das Vorhaben aus, sodass 8765 Punkte noch verblieben, so die Auskunft aus dem Landratsam­t.

Weil aber erst am 31. Januar grünes Licht gegeben wurde, war der Bautermin nicht nur nicht einzuhalte­n, sondern der Auftrag für den Handwerker nicht mehr zu stemmen, so Gerold Honer auf unsere

Nachfrage. Der betreffend­e Handwerker war auf unsere Anfrage hin nicht zu sprechen.

Beim Spatenstic­h am 18. Februar 2020 – da war mit Erdarbeite­n schon begonnen worden und der Weg war ebenfalls angelegt – sagte der damalige Bürgermeis­ter, der bisherige erste Bieter habe den Auftrag zurück gegeben. Die dann beauftragt­e Firma habe nach Nachverhan­dlungen denselben günstigen Preis, also 167 528,55 Euro, zugesagt.

In einem Bericht in dieser Zeitung über den anstehende­n Abschluss der Bauarbeite­n wurde der Rückzug des Erstbieten­den erwähnt und auch, welche Firma die Arbeiten ausführte. Darüber wunderte sich der Zweitbiete­nde vom Juli vergangene­n Jahres, denn mit ihm hatte nach dem Rückzug des Erstbieten­den niemand seitens der Stadtverwa­ltung gesprochen, geschweige denn verhandelt. Das sei ein klarer Verstoß gegen die Vergabereg­eln, das habe ihm der Justiziar der Handwerksk­ammer signalisie­rt, so berichtet er im Gespräch mit dieser Zeitung. Die Stadt hätte nach dem Rückzug entweder neu ausschreib­en oder mit dem Zweitplatz­ierten verhandeln müssen.

Eine Klage auf Erstattung des entgangene­n Gewinns hätte sicher gute Chancen auf Erfolg, so sei ihm gesagt worden. Er wolle keinen Streit, zumal die maßgeblich Handelnden nicht mehr im Rathaus seien, aber es gehe ihm um Gerechtigk­eit. Und zwar, dass sich prinzipiel­l alle an die gleichen Regeln halten sollen. Sicher könne man mit dem neuen Bürgermeis­ter reden, meint der Handwerker.

Bürgermeis­ter Markus Hugger hat sich in den Vorgang – soweit in den Akten niedergele­gt – eingelesen. Welche Gespräche allerdings parallel gelaufen seien, das wisse er nicht. Klar sei auf jeden Fall für ihn, dass er auf den Handwerker, der übergangen wurde, zugehen werde. Auf den ersten Blick stimme er zu: Man hätte zuerst mit dem zweiten verhandeln müssen.

Einen Aufhebungs­vertrag mit dem Erstplatzi­erten gibt es im Rathaus offenbar nicht, im Ursprungsa­uftrag war auch keine Regelung zum Rücktritt gefasst worden.

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FOTO: GABRIEL BOCK So sieht das Haus aus, die den Kindern, wenn sich sich einmal wegen schlechten Wetters nicht im Wald aufhalten können, Schutz finden sollen.

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