Auftragsvergabe offenbar nicht korrekt verlaufen
Der zweitplatzierte Bieter ist beim Bau des Waldkindergartens nach Rückzug des ersten übergangen worden
SPAICHINGEN - Ist bei der Auftragsvergabe für den neuen Waldkindergarten – eigentlich eine „Schutzhütte“– alles mit rechten Dingen zugegangen? Vermutlich nicht. Im schlimmsten Fall dürfte das ein Gericht klären. Denn: Nachdem der Gemeinderat eine Ausschreibung, bei der sich nur ein Bieter gemeldet hatte, wieder aufgehoben hat, landete dieser auf Platz drei einer weiteren Ausschreibung, baute den Holzbau aber dann, nachdem der erste Bieter zurück zog. Mit dem zweitplatzierten war erst gar nicht verhandelt worden.
Der Bau ist schmuck und idyllisch gelegen – was letztlich auch dazu führte, dass er erst nach vielen Verhandlungen genehmigt wurde: Naturschutzrechtliche Einschränkungen wurden letztlich mit Ökopunkten ausgeräumt. Alternative und weniger sensible Standorte hatten bei der Stadtverwaltung keine Gegenliebe gefunden.
So ist die Chronologie – mit Lücken. Denn der von uns angefragte Gerold Honer vom Bauamt, der momentan die Geschäfte federführend dort leitet, sowie andere Mitarbeiter seien nicht im Detail in die Abläufe involviert gewesen. Diese wurden von der damaligen Bauamtsleiterin Petra Schmidtmann-Deniz sowie Bürgermeister Hans Georg Schuhmacher im wesentlichen geführt. Und beide sind inzwischen nicht mehr auf dem Rathaus.
Vorberatungen und Grundsatzbeschluss für einen Waldkindergarten müssen nicht-öffentlich gefallen sein. Zumindest weist die erste öffentliche Vorlage auf zwei Sitzungen, einmal des Technischen Ausschusses am 25. März 2019 und einmal des Gemeinderats am 25. September 2019 hin. Beide Male stand der Kindergarten nicht auf der öffentlichen Tagesordnung.
Am 13. Mai dann wurde dem Gemeinderat
öffentlich eine Auftragsvergabe zur Beschlussfassung vorgelegt: Sechs Firmen seien zur Abgabe eines Angebots aufgefordert worden, zwei hätten abgesagt, drei hätten sich nicht gemeldet. Nur eine habe ein Angebot vorgelegt, so die Ratsvorlage: dieselbe, die auch den Bau zur Obdachlosen- und Flüchtlingsunterkunft in der Eisenbahnstraße beauftragt wurde. Doch dem Gemeinderat war die Angebotssumme von 195 904,55 Euro (im Haushalt waren 200 000 Euro veranschlagt), für eine Wetterschutzhütte zu hoch und er hob die Ausschreibung mit einer Gegenstimme und zwei Enthaltungen auf.
Den Bericht zu dieser Sitzung las auch ein Handwerksunternehmen aus einer Kreisgemeinde in der Zeitung und meldete sich daraufhin bei der Stadtverwaltung und legte ein Angebot vor. Drei konkrete Angebote sind daraufhin eingegangen, der Erstbietende wollte das Gebäude für eine Angebotssumme von 167 528,55 Euro bauen.
Der zweite hatte 180 287,02 Euro kalkuliert und der jetzt dritte Bieter lag nun 5000 Euro unter seinem Gebot der ersten Ausschreibung.
Der Erstbietende bekam in der Sitzung vom 8. Juli den Auftrag mit der Auflage, das Vorhaben bis Ende Oktober 2019 fertig zu haben.
Bloß: Es konnte bis Ende Januar 2020 noch gar keine Baugenehmigung erteilt werden, weil der Wunschstandort des damaligen Bürgermeisters im Landschaftsschutzgebiet liegt und Teile bereits früher schon als Ausgleichsflächen bestimmt waren.
Nach Verhandlungen mit der Naturschutzbehörde des Landratsamts darüber und über Alternativstandorte stimmte die Behörde zu. Letztlich gab die Stadt die Hälfte ihres Ökopunktekontos von ursprünglich 17 535 Ökopunkten für das Vorhaben aus, sodass 8765 Punkte noch verblieben, so die Auskunft aus dem Landratsamt.
Weil aber erst am 31. Januar grünes Licht gegeben wurde, war der Bautermin nicht nur nicht einzuhalten, sondern der Auftrag für den Handwerker nicht mehr zu stemmen, so Gerold Honer auf unsere
Nachfrage. Der betreffende Handwerker war auf unsere Anfrage hin nicht zu sprechen.
Beim Spatenstich am 18. Februar 2020 – da war mit Erdarbeiten schon begonnen worden und der Weg war ebenfalls angelegt – sagte der damalige Bürgermeister, der bisherige erste Bieter habe den Auftrag zurück gegeben. Die dann beauftragte Firma habe nach Nachverhandlungen denselben günstigen Preis, also 167 528,55 Euro, zugesagt.
In einem Bericht in dieser Zeitung über den anstehenden Abschluss der Bauarbeiten wurde der Rückzug des Erstbietenden erwähnt und auch, welche Firma die Arbeiten ausführte. Darüber wunderte sich der Zweitbietende vom Juli vergangenen Jahres, denn mit ihm hatte nach dem Rückzug des Erstbietenden niemand seitens der Stadtverwaltung gesprochen, geschweige denn verhandelt. Das sei ein klarer Verstoß gegen die Vergaberegeln, das habe ihm der Justiziar der Handwerkskammer signalisiert, so berichtet er im Gespräch mit dieser Zeitung. Die Stadt hätte nach dem Rückzug entweder neu ausschreiben oder mit dem Zweitplatzierten verhandeln müssen.
Eine Klage auf Erstattung des entgangenen Gewinns hätte sicher gute Chancen auf Erfolg, so sei ihm gesagt worden. Er wolle keinen Streit, zumal die maßgeblich Handelnden nicht mehr im Rathaus seien, aber es gehe ihm um Gerechtigkeit. Und zwar, dass sich prinzipiell alle an die gleichen Regeln halten sollen. Sicher könne man mit dem neuen Bürgermeister reden, meint der Handwerker.
Bürgermeister Markus Hugger hat sich in den Vorgang – soweit in den Akten niedergelegt – eingelesen. Welche Gespräche allerdings parallel gelaufen seien, das wisse er nicht. Klar sei auf jeden Fall für ihn, dass er auf den Handwerker, der übergangen wurde, zugehen werde. Auf den ersten Blick stimme er zu: Man hätte zuerst mit dem zweiten verhandeln müssen.
Einen Aufhebungsvertrag mit dem Erstplatzierten gibt es im Rathaus offenbar nicht, im Ursprungsauftrag war auch keine Regelung zum Rücktritt gefasst worden.