Gränzbote

Hitlergruß für Churchill

Nach Ausschreit­ungen in London nimmt die Polizei Rechtsradi­kale in Gewahrsam – Sie wollten Statuen schützen

- Von Sebastian Borger

LONDON - Gewalttäti­ge Ausschreit­ungen auf den Straßen und schwere Versäumnis­se im Kampf gegen das Coronaviru­s – die konservati­ve Regierung von Premier Boris Johnson stand nach einem schwierige­n Wochenende unter Druck aus der eigenen Partei, von Opposition und Medien. Am Samstag nahm die Londoner Polizei mehr als 100 Rechtsradi­kale fest, die im Zentrum der Hauptstadt randaliert hatten. Führende konservati­ve Hinterbänk­ler und Kommentato­ren fürchten, Johnson habe die Lage auf der Insel „nicht richtig im Griff“.

Am Tag danach zeugten nur noch die Metallkäfi­ge um drei Statuen am Parliament Square von den blutigen Auseinande­rsetzungen, bei denen sechs Polizisten verletzt wurden. Die

Rechtsradi­kalen begründete­n ihre Randale mit Empörung über die jüngsten Angriffe auf Denkmäler in diversen britischen Städten.

Vor Wochenfris­t hatten Aktivisten im westenglis­chen Bristol die Statue des Sklavenhän­dlers Edward Colston (1636-1721) im Hafen versenkt. Am Rande einer Kundgebung in London versuchten Protestier­er vergeblich, eine britische Fahne vor dem Kriegerden­kmal Cenotaph anzuzünden. Auf dem Parliament Square erhielt die Statue von Kriegsprem­ier Winston Churchill (1874-1965) den Graffiti-Zusatz „was a racist“(war ein Rassist).

Diese Sachbeschä­digung erzeugte eine besondere Erregung. „Wir wollen linksradik­ale Rowdys daran hindern, unsere Denkmäler niederzure­ißen“, teilte Paul Golding von der Rassisteng­ruppe Britain First mit. Die Zusammenro­ttung ähnelte über weite Strecken einem Hooligan-Ausflug: Bereits mittags stark angetrunke­ne weiße Männer skandierte­n „England“und grölten „Rule Britannia“; einige zeigten den Hitlergruß.

Im Vorfeld der Demonstrat­ion hatte die Stadtverwa­ltung nicht nur Churchills Statue in einen Metallkäfi­g gekleidet; geschützt wurden auch

Denkmäler für Mahatma Gandhi (1869-1948) und Nelson Mandela (1918-2013), die zu Angriffszi­elen hätten werden können.

Schon vergangene­s Wochenende war es zu Zusammenst­ößen zwischen Polizisten, Black-Lives-Matter-Aktivisten und Rechtsextr­emen gekommen. Der Großteil der Demonstrat­ionen verlief aber friedlich. In Bristol warfen Demonstran­ten die Statue eines Sklavenhän­dlers aus dem 17. Jahrhunder­t ins Hafenbecke­n. Premiermin­ister Boris Johnson hatte am Freitag gesagt, die Proteste seien „von Extremiste­n übernommen worden“, und er nannte den Angriff auf Statuen „beschämend“.

Die britischen Medien von Rechts (The Spectator) bis Links (New Statesman) machen Johnsons Regierung indes Vorhaltung­en: „Könnte besser laufen“, lautet der Tenor.

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FOTO: DPA Polizisten und Demonstran­ten gerieten in London aneinander.

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