Quadrille mit Holz, Stoff und ein wenig Fantasie
Eine neue Trendsportart aus Finnland wird immer beliebter: Das „Hobby Horsing“– das Steckenpferdreiten
UDENHEIM/ZWEIBRÜCKEN (dpa) Sie springen über Hindernisse, reiten im Zirkel oder galoppieren über den Platz. Allerdings sitzen die Kinder nicht auf echten Pferden, sondern haben sich auf Holzstäbe mit Pferdeköpfen aus Stoff und Wolle geschwungen: Sie reiten Steckenpferde. Die neue Trendsportart „Hobby Horsing“aus Finnland findet auch in Deutschland immer mehr begeisterte Anhänger. „Es macht einfach riesigen Spaß“, sagt die zehnjährige Melina Gardt in Udenheim (Rheinland-Pfalz). Sie hat fünf Steckenpferde und trainiert regelmäßig im Garten – und im Verein.
Denn seit gut einem Jahr bietet der SC Mommenheim im Kreis MainzBingen „Hobby Horsing“an. Kinder und Teenager im Alter von sechs bis 14 Jahren üben dort am eigens aufgebauten Springparcours, was auch beim Reiten mit einem echten Pferd wichtig ist: bestimmte Sprünge oder Dressurfiguren. „Die meisten, die kommen, reiten auch tatsächlich auf echten Pferden“, sagt Trainerin Tina Gardt. Neben ihrer Tochter Melina sind noch sechs weitere Mädchen dabei.
Allen gemeinsam sei: „Sie sind alle so pferdenärrisch, dass sie am liebsten jeden Tag etwas mit Pferden machen wollen“, sagt die Trainerin. Viele ritten aber nur einmal die Woche in echt. Auf den Steckenpferden könnten sie dann zusätzlich Dinge einüben, sich reichlich bewegen und Freude haben. „Wir haben auch schon eine Quadrille mit verschiedenen Figuren
einstudiert“, erzählt Tina Gardt, die auch einen Trainerschein für Reitunterricht hat. Ihr schwebt vor, in Mommenheim auch mal ein Turnier auszurichten.
Denn bei dem ungewöhnlichen Hobby gibt es Wettbewerbe bis ganz nach oben. Eigentlich wären vergangenes Wochenende die weltweit größten Meisterschaften im „Hobby Horse“-Reiten im westfinnischen Seinäjoki gestartet. Wegen der CoronaPandemie haben sich die Ausrichter aber entschieden, die Veranstaltung auf den Sommer 2021 zu verschieben. Das neue Datum solle bald angekündigt werden, teilt die finnische „HobbyHorse“-Vereinigung
mit und ruft den Fans zu: „Reitet weiter!“
Melina übt fleißig im Garten mit Steckenpferd „Ostwind“. „Ich springe über 60 Zentimeter und stelle mir immer vor, dass ich über 1,60 Meter springe“, erzählt sie. Ja, sie nenne ihre Pferdchen immer mit Namen. Und ja, jedes ihrer Exemplare habe verschiedene Eigenschaften. „,Ostwind‘ ist beim Springreiten am besten, ,Bess‘ kann besser Dressur.“Das Üben mit den Steckenpferden helfe ihr beim Lernen bestimmter Figuren mit den lebenden Tieren. „Wenn ich Zeit habe, gehe ich immer sehr gerne darauf.“
In Finnland gibt es bereits Tausende Menschen, die „Hobby Horsing“machen. „Da ist das ein richtiger Hype“, sagt Tina Gardt. In Deutschland gebe es auch immer mehr Fans, aber ihrer Kenntnis nach noch kaum Vereine, die den Sport anbieten. Gewiss gebe es auch kritische Stimmen: „Es gibt schon welche, die sagen, ihr seid doch bescheuert. Aber es gibt eben auch viele, die finden es klasse!“
In Zweibrücken in der Pfalz betreibt die zwölf Jahre alte Emma mit ihrer gleichaltrigen Freundin Maike den Trendsport. Emmas Pferd heißt „Alfi“, Maikes „Grace“. Mögen andere Erwachsene über das Steckenpferdreiten schmunzeln – Emmas Vater Tim Schatz gefällt es. „Es ist ein Sport, der grün ist und damit den Zeitgeist trifft. Man braucht nur ein bisschen Umgebung, ein paar Stecken, ein wenig Fantasie – schon geht die Show los.“Bei seiner Tochter sei die Leidenschaft ungebrochen. „Man muss nicht viel Geld investieren. Emma hat ihr Horse selbst genäht, mit der Oma zusammen.“Es wäre schön, wenn „Hobby Horsing“auch in ihrer Region in einem Verein angeboten würde, meint Mutter Isabell Schatz. Das Hobby sei unkompliziert, sagt der Vater. „Wenn irgendwann die Leidenschaft nachlässt, muss man nicht schauen, wo das Pferd bleibt.“Der Sport sei übrigens nicht nur für Kinder, weiß er. „In Finnland gibt es das auch für Erwachsene.“Und: Der offizielle Weltrekord beim Steckenpferdspringen liegt bei 141 Zentimetern.