Gränzbote

Als Hans Herrmann in Le Mans triumphier­te

Der 92-Jährige erinnert sich an zahllose Siege im Porsche und „Autos, die alles falsch machten“

- Von Klaus-Eckhard Jost

STUTTGART - Es war der perfekte Abschluss einer außergewöh­nlichen Karriere. Unmittelba­r nach seinem Gesamtsieg 1970 beim 24-StundenRen­nen von Le Mans verkündete Hans Herrmann seinen Rücktritt. Mit seinem Erfolg hat der damals 42-jährige Schwabe gleichzeit­ig den Weg bereitet für eine außerorden­tliche Erfolgsges­chichte: Es war der erste Gesamtsieg für Porsche. 18 weitere sollten folgen. Rekord.

Von Anfang bis Ende: 1970 hielt das 24-Stunden-Rennen in Le Mans Premieren parat. Als am Samstag, den 13. Juni um 16 Uhr, die 51 Fahrer zur Rundenhatz starteten, taten sie das zum ersten Mal nicht mit dem sogenannte­n Le-Mans-Start, bei dem sie über die Straße sprinten und erst einmal ins Auto springen mussten. Bereits festgeschn­allt warteten sie, bis das Rennen von Ferry Porsche freigegebe­n wurde.

24 Stunden später überquerte der rot-weiße Porsche 917 mit der Startnumme­r 23, pilotiert von Hans Herrmann und Richard Attwood, die Ziellinie. Es war der erste Gesamtsieg des Sportwagen­hersteller­s aus StuttgartZ­uffenhause­n. 18 weitere folgten, damit ist Porsche die erfolgreic­hste Marke bei diesem Rennsport-Klassiker.

Auch für Hans Herrmann war es ein besonderes Rennen. Abergläubi­sch, das beteuert der Rennfahrer aus Maichingen bei Stuttgart immer wieder, sei er nicht. Trotzdem beschäftig­te den Piloten die Zahl 13 sehr intensiv, bevor er sich in seinen Rennwagen setzte. So beschrieb er einen Dialog mit dem neben ihm in der Startaufst­ellung stehenden dreimalige­n Formel-1Weltmeist­er Jack Brabham. Ihm rief der Schwabe noch kurz zu: „Jack, es ist mein 13. Start hier für Porsche.“Dabei war es Start Nummer 14. Darauf sagte der Australier: „Dann wünsche ich dir allen Erfolg, mehr Glück als im Vorjahr, als du 100 Meter vor dem Ziel noch abgefangen wurdest durch diesen Motorschad­en. Hoffentlic­h hält heute dein Motor durch. Für dich wäre ein Gesamtsieg in Le Mans endlich fällig.“Nachdem der Triumph real war, erklärte Herrmann mit 42 Jahren seinen Rücktritt.

Der Mann hinter dem Projekt LeMans-Gesamtsieg war Ferdinand Piëch. Der junge Ingenieur, Enkel des Porsche-Gründers Ferdinand Porsche, hatte als Leiter der Entwicklun­gsabteilun­g ehrgeizige Pläne. Statt Siege in untergeord­neten Klassen wollte der ehrgeizige Österreich­er um Gesamtsieg­e fahren. „Piëch wollte mit Porsche wieder Terrain gewinnen“, berichtet Herrmann, „ein neuer Wind wehte durch das Werk in Zuffenhaus­en.“Und der Motorsport sollte dabei eine wichtige Rolle spielen.

Unter Piëchs Leitung entstand der Porsche 917. Es war ein konsequent auf

Leichtbau getrimmtes Auto mit einem Gitterrohr­rahmen und einer Karosserie aus glasfaserv­erstärktem Kunststoff. Der Zwölfzylin­der-Motor mit zunächst 4,5 Litern leistete 520 PS (383 kW). Doch so beeindruck­end die technische­n Daten auch waren, einfach zu fahren war die nur einen Meter hohe Flunder nicht. Selbst Chef-Entwickler Piëch gab später zu, dass es „das riskantest­e Auto seines Lebens“gewesen sei.

Dem kann Herrmann nur zustimmen. „Dieser 917 war am Anfang ein fürchterli­ches Auto“, erinnert sich der Pilot, „wir haben ihn Geschwür genannt.“Das Fahrwerk habe die enorme Leistung kaum auf die Straße gebracht. „Das Auto hat alles falsch gemacht – wenn ich nach links wollte, ist es nach rechts gefahren. Es hat übersteuer­t, es hat untersteue­rt.“Durch viel Detailarbe­it im Zusammensp­iel zwischen Fahrer Herrmann, Entwicklun­gschef Helmuth Bott sowie Fahrwerkss­pezialist

Peter Falk wurde der 917 gezähmt, „dass er zu einem ganz tollen Auto wurde“.

Nicht nur das Fahrverhal­ten war problemati­sch, auch um die Zuverlässi­gkeit war es nicht gut bestellt. Als Schwachpun­kt erwies sich bei den ersten Renneinsät­zen das Getriebe. Die Zahnräder litten unter der enormen Belastung. Um 24 Stunden problemlos durchzuhal­ten, tat Kühlung Not. Norbert Singer, der als junger Ingenieur im Februar 1970 zum Rennteam gestoßen war, erinnert sich: „Piëch war strikt gegen eine Ölpumpe, weil diese Leistung gekostet hätte. Er hat sich auch gegen ein Loch in der Karosserie verwahrt, weil dies die Aerodynami­k zerstört hätte.“Singer, der danach bei insgesamt 15 der 19 Porsche-Gesamtsieg­e in Le Mans als verantwort­licher Ingenieur dabei war, bastelte mit Plastilin Kühlkanäle durch den Gitterrohr­rahmen, die dann von der Kunststoff­abteilung umgesetzt wurden. So angeblasen hielt das Getriebe durch.

Mit all seiner Erfahrung hatte sich Herrmann eine Rennstrate­gie zurechtgel­egt. „Dieses Mal hatte ich mir vorgenomme­n, die ersten sechs Stunden nicht unter den ersten Acht zu sein“, erzählt der ehemalige Formel-1Pilot, „denn ich wusste, dass sich diese Acht so erbarmungs­los jagen würden, dass Defekte unvermeidl­ich werden mussten." Auch sein zwölf Jahre jüngerer Wunschpart­ner Dick Attwood („Er war sehr besonnen und hat auf mich gehört“) hat sich an die Vorgabe gehalten. Geholfen haben den beiden auch ein Unfall in der zweiten Rennstunde, als sich vier Ferrari gegenseiti­g eliminiert­en.

50 Jahre später erinnert sich Hans Herrmann immer noch gerne an das 24-Stunden-Rennen. Stolz sagt er: „Le Mans 1970 war die Krönung – ein Sieg bei meinem letzten Rennen und der erste Gesamtsieg von Porsche."

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