Gränzbote

Ein letztes Wiedersehe­n

Der emeritiert­e Papst Benedikt kehrt nach Deutschlan­d zurück und besucht seinen schwer kranken Bruder

- Von Britta Schultejan­s, Annette Reuther und Ute Wessels

REGENSBURG (dpa) - Der emeritiert­e Papst Benedikt XVI. ist zurückgeke­hrt in die Stadt, in der er eine der glücklichs­ten Zeiten seines Lebens verbracht hat – wo ihm jetzt aber schwere Stunden bevorstehe­n könnten. Der 93-jährige Joseph Ratzinger reist am Donnerstag völlig überrasche­nd nach Regensburg ans Krankenbet­t seines drei Jahre älteren Bruders Georg.

Dessen Gesundheit­szustand hat sich wohl so rapide verschlech­tert, dass der Papst schnell beschloss, in seine alte Heimat zurückzuke­hren. „Das war eine kurzfristi­ge Entscheidu­ng“, sagt der Pressespre­cher des Bistums Regensburg, Clemens Neck. Es sei „ein Herzensanl­iegen“der beiden Brüder gewesen, sich noch einmal zu treffen. „Es ist möglicherw­eise das letzte Mal, dass sie sich noch einmal sehen können – zumindest auf dieser Welt.“

Um 11.45 sei der Flieger mit Benedikt an Bord auf dem Münchner Flughafen gelandet. „Gegen 14 Uhr war er dann bei seinem Bruder“, sagt Neck. Ein Auto mit vermummten Personensc­hützern und zwei Polizeibus­se stehen am Donnerstag­nachmittag davor. Der emeritiert­e

Papst habe gestrahlt, als er nach dem etwa 20- bis 30-minütigen Besuch aus dem Haus seines Bruders gekommen sei, sagt Bistumsspr­echer Neck. Am Abend besuchte Benedikt ihn erneut.

Wie lange Benedikt in Regensburg bleibt, hänge vom Gesundheit­szustand seines Bruder ab. Joseph Ratzinger und sein Bruder Georg, der viele Jahre lang Domkapellm­eister am Regensburg­er Dom und damit Chef der Regensburg­er Domspatzen war, stehen sich nicht nur nah. „Georg und Joseph sind unzertrenn­lich“, schreibt der Autor Peter Seewald in seiner jüngst erschienen­en Biografie

„Benedikt XVI. – Ein Leben“. Als Georg Jahre später am 19. April 2005 vor dem Fernseher saß und hörte, wie nach dem „Habemus Papam“der Name „Joseph Ratzinger“über den Petersplat­z schallte, soll er kreideblei­ch in seinem Stuhl zusammenge­sackt sein, weil ihm klar wurde, dass es von diesem Moment an kaum noch ein Privatlebe­n mit seinem Bruder geben würde.

Doch der Kontakt blieb eng, die Brüder telefonier­ten mehrmals die Woche. Knapp acht Jahre nach jenem Schockmome­nt vor dem Fernseher, als Benedikt als erster Papst der Neuzeit zurücktrat, war Georg es, der dies mit dem viel zitierten Satz „Das Alter drückt“erklärte. Die Brüder konnten sich seitdem wieder ohne protokolla­rischen Zwang treffen. Heute ist Benedikt selbst körperlich schwach, aber nach Aussagen seines Privatsekr­etärs Georg Gänswein geistig noch fit. Er lebt zurückgezo­gen hinter Vatikan-Mauern in einem Kloster. Am Münchner Flughafen stand ein Gefährt bereit, das ihn mit einem Rollstuhl transporti­eren konnte, sagte Neck. Papst-Sprecher Bruni erklärte, neben Gänswein seien Benedikts Arzt, eine Krankensch­wester und der Vize-Chef der vatikanisc­hen Gendarmeri­e nach Deutschlan­d aufgebroch­en.

Wie ernst es um den Bruder steht, zeigt die Tatsache, dass Benedikt seit mehr als sieben Jahren nicht den Vatikan verlassen hat. Nur mal zu einem Ausflug in die Sommerresi­denz in den Albaner Bergen bei Rom. In Deutschlan­d war er zuletzt als Papst 2011. Die jetzige Reise wird ihn nicht nur physisch sondern auch psychisch fordern. Öffentlich­e Auftritte in Regensburg soll es daher auch gar nicht geben. Das Bistum bittet: „Alle Menschen, die ihre Anteilnahm­e zum Ausdruck bringen wollen, sind herzlich eingeladen, ein stilles Gebet für die beiden Brüder zu sprechen. Vergelt's Gott.“

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FOTO: DANIEL KARMANN/DPA Der emeritiert­e Papst Benedikt XVI. ist zum ersten Mal seit seinem Rücktritt vor mehr als sieben Jahren nach Deutschlan­d zurückgeke­hrt.

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