Aufträge? Gleich null!
Veranstaltungsbranche macht am Montag mit „Night of Light“auf Situation aufmerksam
TUTTLINGEN/SPAICHINGEN - Seit Mitte März macht die Veranstaltungswirtschaft quasi keinen Umsatz mehr. Ein Ende ist schwer abzusehen: Das vorläufige Verbot von Großveranstaltungen ab tausend Menschen greift nun wohl bis mindestens 31. Oktober. Zudem wird es einigen Vorlauf brauchen, um Veranstaltungen unter den Coronaschutzbedingungen auf die Beine stellen zu können. Denn bei Events gelten Hygieneund Abstandsregeln, die sich aber stetig ändern.
Wie wird der Veranstaltungsherbst in Tuttlingen aussehen? „Wir wissen es momentan noch nicht“, sagt Elisabeth Schweizer, die die Projektleitung für die Vermietungen bei den Tuttlinger Hallen inne hat.
Der Auftritt des Comedians Bülent Ceylan in der Tuttlinger Stadthalle am 1. Oktober ist ausverkauft. Rund tausend Karten sind dafür über die Ticketbörsen gegangen. Ab September könnten Veranstaltungen mit 500 Menschen wieder erlaubt sein, also wäre eine abgespeckte Version möglich. Nur: Nach den Coronabestimmungen samt Hygiene- und vor allem Abstandregeln können in den Großen Saal der Stadthalle nach jetzigem Stand nicht einmal 200 Leute eingelassen werden, erklärt Schweizer: „Es gilt bisher die Maßgabe vier Quadratmeter für jeden Besucher.“
Noch sei keine endgültige Entscheidung getroffen worden, zumal man derzeit nicht wisse, wie die Bestimmungen im Oktober sind. So ist es keineswegs sicher, dass dieses Gastspiel eines Fremdveranstalters überhaupt stattfinden wird. Schließlich muss das Event auch wirtschaftlich durchführbar sein. Selbiges gilt für viele weitere Veranstaltungen – Konzerte, Theater, Comedy und Lesungen. Denn die Planungssicherheit fehle.
Bundesweit, davon gehen Schätzungen aus, wird die Veranstaltungsbranche über mindestens acht Monate einen 80- bis hundertprozentigen Verdienstausfall verzeichnen. Daraus resultiert eine akute Insolvenzgefahr für die gesamte Branche. Deshalb gibt es mit der „Night of Light“kommende Woche eine geballte Aktion aller Betroffenen (siehe Kasten).
Die erste Veranstaltung musste Michael Baur, Chef der Tuttlinger Hallen, aufgrund der Corona-Pandemie bereits am 13. März absagen. Seit 18. März fanden auch keine Gast- und Fremdveranstaltungen in den Räumen mehr statt. 21 von 29 Festangestellten, so stellte Baur dem Tuttlinger Gemeinderat Ende Mai dar, arbeiten momentan nicht in vollem
Umfang. Kurzarbeit wurde angemeldet. Bis 31. August sind die Mitarbeiter auf eine Reduzierung ihrer Arbeitszeit eingestellt – vielleicht auch länger. Bislang mussten mehr als 100 Veranstaltungen verschoben oder ersatzlos abgesagt werden, ergänzt Schweizer.
Die ruhige Phase nutzt das Team, um die – derzeit geltenden – Hygienevorschriften umzusetzen: Desinfektionsstationen werden eingerichtet, in den WCs muss aufgerüstet werden, das Gastronomiekonzept wird angepasst. Ebenso werden Maßnahmen für die Besucherlenkung entwickelt und mehrere Varianten für einen mit 1,50 Meter-Abstand bestuhlten Saal durchgespielt. „Wir passen uns nach und nach an“, sagt Schweizer. Denn im Herbst stehen etliche Veranstaltungen im Belegungsplan der Hallen. Neben eigenen und fremden Kulturevents gehören Hochzeiten, städtische Veranstaltungen, wie Gemeinderatssitzungen und Klausurtagungen, sowie Messen und Großveranstaltungen von Tuttlinger Firmen dazu.
Ein enger Partner der Hallen ist seit Jahren das Tuttlinger Unternehmen Light and Music. Petra Krause, die im Familienbetrieb in der Verwaltung arbeitet, macht klar: „Wir haben seit Monaten null Einnahmen.“Der Tuttlinger Honbergsommer: ausgefallen. Der Comedy-Preis Tuttlinger Krähe im Frühjahr: gecancelt. „Momentan wären wir eigentlich bei einer Veranstaltung in Düsseldorf.“Auch ausgefallen.
Der Betrieb wird im Nebenerwerb geführt. Dennoch: Drei festangestellte Mitarbeiter trifft es mit 100 Prozent Kurzarbeit hart, ebenso die vielen Freelancer, darunter etliche Studenten, die sich mit den Hilfsjobs das Studium finanzieren. Soforthilfe hat das Unternehmen nicht bekommen, sagt Krause, mit der Begründung, dass es im Nebenerwerb geführt wird. Petra Krause wundert sich: „Bei vielen anderen Dingen
„Wir haben seit Monaten null Einnahmen.“
Petra Krause vom Unternehmen Light and Music in Tuttlingen
werden wir wie eine normale Firma behandelt.“Sie zählt auf: Gewerbesteuer, IHK-Beiträge und so fort. „Nur in diesem Fall nicht.“
Ihr Blick in die Zukunft ist alles andere als rosig. Für dieses Jahr rechnet sie mit nur etwa zehn Prozent des Veranstaltungsaufkommens im Vergleich zu einem „normalen“Jahr. Nach wie vor nicht geklärt sei auch, unter welchen Bedingungen kommende Events über die Bühne gehen können. Krause: „Da würde ich mir Klarheit und Regeln wünschen.“
Schließlich bräuchten große Events monatelange, zum Teil eine jährliche Vorbereitungen.
Das Kerngeschäft – Messen – ist auch bei der Spaichinger Firma Light and Sound weggebrochen, und damit auch bei den tausenden selbstständigen Technikern, die mit der Branche verknüpft sind, so Thomas Heinemann, Chef der Spaichinger Firma. Er selbst nutzt das Instrument der Kurzarbeit und wechselt zusammen mit Kooperationspartnern zur digitalen Kommunikation und Produktpräsentation (wir haben darüber und über andere Firmen der Region Spaichingen ausführlich berichtet).
Das fängt aber längst nicht das Normalgeschäft auf, und genau darauf wollen er und sein Team mit der Teilnahme in der Night of Lights aufmerksam machen. Lichtobjekt in Spaichingen ist die alte Turnhalle. Der Azubi, der jetzt ausgelernt hat, kann auch kein Gesellenstück, nämlich eine Veranstaltung, machen, und wird das jetzt im digitalen Bereich tun, so Heinemann. Und weil er optimistisch ist, dass das direkte Treffen in der Nach-Corona-Phase wieder aufleben wird, weil der persönliche Kontakt zwischen Kunden und Firmen unersetzlich sei, wird auch im Herbst wieder ein Azubi eingestellt werden. Alle Azubis würden übernommen.
Lichter an: Das gilt kommenden Montagabend auch bei Messebau Meihack und Sellwig in Neuhausen ob Eck. Dieses Segment ist quasi auf null eingebrochen. Erste Messetermine – wie die Südback in Stuttgart – stehen beim Neuhausener Unternehmen erst im Oktober wieder im Terminplan. „Ob die stattfinden wird und die Hygienekonzepte überhaupt umgesetzt und genehmigt werden, steht aber in den Sternen“, erklärt Michael Meihack, einer der Geschäftsführer.
Ansonsten beklagt er sich nicht. Die angemeldete Kurzarbeit, die einen Teil der zwölfköpfigen Belegschaft betroffen hat, wurde prozentual zurückgefahren, denn das Unternehmen hat sich neue Betätigungsfelder gesucht und diese mit der Produktion von Spuckschutzwänden gefunden. Auch in anderen Bereichen sei die hauseigene Schreinerei nun tätig. „Wir nennen es aggressives Marketing“, sagt Meihack und meint damit Eigeninitiative. Nun können sicherlich nicht alle Unternehmen, die im Veranstaltungsbereich tätig sind, in andere Segmente ausweichen. Auch das soll die „Night of Light“verdeutlichen.
Hier der Link der teilnehmenden Firmen und Gebäuden:
G» https://night-of-light.showadvance.com/map