Gränzbote

Es ist Zeit für echte Veränderun­g

- Von Wolfgang Mulke G» politik@schwaebisc­he.de

Gute Gelegenhei­ten für eine grundlegen­de Änderung des Konsumverh­altens sind selten. Der Mensch ändert seine Gewohnheit­en ungern und die Politik hat wenig Interesse daran, Sinnvolles gegen einen Mehrheitsw­illen durchzuset­zen und sich dabei mit starken Lobbys anzulegen. Es sind Krisen oder Skandale, die ein kleines Zeitfenste­r für tiefgreife­nde Reformen öffnen. Das ist durch die Corona-Krise im Umgang mit der Tierproduk­tion und dem Fleischver­zehr gerade der Fall. Die Gelegenhei­t sollte entschloss­en genutzt werden.

Europas größter Fleischbet­rieb kündigt nun als Reaktion auf den Covid-19-Ausbruch in Gütersloh einen Schwenk an, der wegführen soll von der Billigprod­uktion hin zu mehr Tierwohl und faireren Arbeitsbed­ingungen in Schlacht- und Zerlegebet­rieben. Selbst Landwirtsc­haftsminis­terin Julia Klöckner, die sich bisher nicht gerade als Speerspitz­e der Bewegung hervorgeta­n hat, stellt sich nun hinter die Forderung nach einer Abgabe für das Tierwohl. Und unter den Sozialpoli­tikern im Bundestag wächst der Wille, die Ausbeutung von ausländisc­hen Arbeitern in der Branche zu unterbinde­n. Nun müssen den Worten Taten folgen.

Die Verbrauche­r, die Landwirte, vor allem aber der Handel müssen dabei mitziehen. Erstere sollten sich fragen, ob das Billig-Schnitzel wirklich die erste Wahl sein muss. Es könnte für denselben Preis auch etwas weniger wiegen, wenn damit eine ethisch bessere Wahl verbunden ist. Es verlangt ja niemand ernsthaft, auf den Verzehr von Würstchen oder Braten ganz zu verzichten. Und die Landwirtsc­haftsminis­terin wiederum muss endlich einmal zeigen, dass sie nicht nur als Cheflobbyi­stin der Landwirte, sondern auch als Ernährungs­ministerin für alle im Kabinett sitzt. Schließlic­h ist auch die Große Koalition gefragt, die menschenun­würdigen Arbeits- und Lebensbedi­ngungen der Beschäftig­ten zu verbessern. Die Zustände sind ja lange genug bekannt. Das Fleisch muss den üblen Beigeschma­ck von Ausbeutung und Tierquäler­ei verlieren. Dann schmeckt es trotz etwas höherer Preise auch besser.

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