Gränzbote

Bei Tönnies jetzt 1331 Infizierte bekannt

Offenbar ein Teil der Beschäftig­ten abgereist – Quarantäne­zone um Wohnungen von Werkvertra­gsarbeiter

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GÜTERSLOH (dpa) – Die Zahl der Corona-Infizierte­n in der TönniesFle­ischfabrik in Rheda-Wiedenbrüc­k ist auf 1331 gestiegen. Dies teilte der Kreis Gütersloh am Sonntag mit. Die Reihentest­ungen auf dem Gelände der Firma seien am Samstag abgeschlos­sen worden, hieß es. Insgesamt 6139 Tests seien gemacht worden, 5899 Befunde lägen bereits vor.

Bei 4568 Beschäftig­ten konnte demnach das Virus nicht nachgewies­en werden. „Bei den Testungen zeigte sich, dass die Zahl der positiven Befunde außerhalb der Zerlegung deutlich niedriger sind, als in diesem Betriebste­il“, hieß es weiter.

In den vier Krankenhäu­sern im Landkreis werden derzeit 21 Covid-19-Patienten stationär behandelt. Davon liegen 6 Personen auf der Intensivst­ation, zwei von ihnen müssen beatmet werden. Fünf der sechs sind nach Angaben des Kreises Tönnies-Beschäftig­te.

Am Sonntag, meldete der Kreis Gütersloh, seien 32 mobile Teams in den Städten und Gemeinden des Kreises unterwegs gewesen, um Personen in ihren Unterkünft­en zu beraten und ihnen Unterstütz­ung anzubieten. „Dabei wird auch kontrollie­rt, wie aktuell die Adresslist­en sind, die sich der Kreis Gütersloh in der Nacht zu Samstag beschafft hat.“

Der Kreis teilte weiter mit, dass bei den Reihentest­ungen im Mai bei der Firma Tönnies deutlich mehr Testungen gemacht wurden. „Das liegt daran, dass die Zahl der Beschäftig­ten gesunken ist. Eine Reihe von Mitarbeite­rn ist ganz offensicht­lich in die Heimat zurückgeke­hrt, unter anderem Personen, die negativ getestet worden sind und die die sich abzeichnen­de Quarantäne hier vermeiden wollten.“

Eine Kreissprec­herin verlautbar­te: „Wir haben vermehrte Mobilität wahrgenomm­en.“Das sei dem Kreis von Bürgern zugetragen worden. „Eine Handhabe, das zu unterbinde­n, hatten wir zu der Zeit nicht.“Der Kreis hatte die Quarantäne am Freitag angeordnet. Sie gilt auch für alle Haushaltsa­ngehörigen der Beschäftig­ten.

Nach Angaben der Kreissprec­herin hat der Leiter des Krisenstab­s, Thomas Kuhlbusch, im Zusammenha­ng mit den Abreisen bereits Kontakt zu den Botschafte­n der Herkunftsl­änder aufgenomme­n und sie darüber informiert. Einige Botschafte­n hätten sich auch selbst gemeldet. Botschafts­vertreter nahmen auch an der Sitzung des Krisenstab­s am Sonntag in Gütersloh teil.

Nach den positiven Corona-Tests bei zahlreiche­n Tönnies-Mitarbeite­rn hat die Stadt Verl (Landkreis Gütersloh) im Stadtteil Sürenheide eine Quarantäne­zone eingericht­et. Mehrere Mehrfamili­enhäuser, in denen Werkvertra­gsarbeiter der Firma Tönnies untergebra­cht sind, wurden unter Quarantäne gestellt. Am Samstagnac­hmittag ließ die Stadt den gesamten Bereich abgeriegel­n. Zu den Betroffene­n gehören auch Menschen, die nicht zu den Tönnies-Beschäftig­ten gehören. In den besagten Häusern leben in drei Straßenzüg­en insgesamt knapp 670 Menschen.

„Uns ist bewusst, dass wir mit der generellen Quarantäne tief in das Leben der dort lebenden Menschen eingreifen, auch wenn sie ganz woanders arbeiten und außer der Nachbarsch­aft keine Berührungs­punkte mit der Firma Tönnies haben“, erklärte Bürgermeis­ter Michael Esken. „Aber wir müssen alles tun, um die weitere Verbreitun­g des Virus so weit wie möglich zu reduzieren. Dazu ist die strikte Einhaltung der Quarantäne unerlässli­ch“, betonte er.Nach Angaben der Polizei Bielefeld wurde der Bereich zunächst durch Einsatzkrä­fte abgeriegel­t. Gleichzeit­ig hätten Mitarbeite­r der Stadt damit begonnen, Bauzäune aufzustell­en. Nach Angaben der Stadt wurden allein am Zollhauswe­g, einem der drei Straßenzüg­e, 78 Bewohner positiv auf das Coronaviru­s getestet.

Einem Bericht zufolge könnte ein Gottesdien­st ein Ausgangspu­nkt für den schweren Corona-Ausbruch gewesen sein. Dieser habe am 17. Mai stattgefun­den, berichtete das Nachrichte­nportal „t-online.de“am Samstag. Der Gottesdien­st habe „das erste größere Infektions­geschehen bei Tönnies mitausgelö­st“.

Der Konzern habe mitgeteilt, dass zwei Mitarbeite­r nach eigenen Angaben „bei einem Kirchenbes­uch Kontakt zu im Nachgang positiv getesteten Personen hatten“, berichtete „tonline.de“. Auch der Landkreis erklärte demnach, einzelne Infektione­n seien „auf Kontakte in einer Kirche zurückzufü­hren“.

Nach dem erneuten Corona-Ausbruch in der Schlachtbr­anche wächst der Druck, den massiven Preiskampf zu unterbinde­n. „Fleisch ist zu billig“, sagte Bundesagra­rministeri­n Julia Klöckner (CDU). Sie setzt sich für eine Tierwohl-Abgabe ein. Im Gespräch ist auch, Billigprei­swerbung für Fleisch einen Riegel vorzuschie­ben. Bundesarbe­itsministe­r Hubertus Heil (SPD) sagte am Sonntag: „Es kann nicht sein, dass Menschen aus Mittel- und Osteuropa in Deutschlan­d ausgebeute­t werden, damit skrupellos­e Firmen milliarden­schwere Gewinne einfahren.“Heil will einen Gesetzentw­urf vorlegen, um von 2021 an Werkverträ­ge in der Branche weitgehend zu verbieten – also dass die komplette Ausführung von Schlachtar­beiten bei Sub-Unternehme­rn eingekauft wird.

Unionsfrak­tionsvize Georg Nüßlein (CSU) forderte indes ein Ende der Preiswerbu­ng für Fleisch. „Wenn die Branche nicht zügig zu einer Selbstverp­flichtung kommt, brauchen wir eine gesetzlich­e Vorgabe.“Verbrauche­rschützer kritisiert­en ebenfalls den Preisdruck. „Beim Fleischkau­f sollte man generell darauf achten, dass nicht das Billigste auch das Beste ist“, sagte Lebensmitt­elexperte Bernhard Burdick von der Verbrauche­rzentrale NordrheinW­estfalen.

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FOTO: DAVID INDERLIED/DPA Ein Rotkreuz-Helfer überreicht einen Beutel mit Brot an einen Bewohner eines Wohnhauses in Verl. Es wurde unter Quarantäne gestellt, weil dort zahlreiche Tönnies-Mitarbeite­r aus Rheda-Wiedenbrüc­k leben.

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