Gränzbote

Gemeinde will pflegefrei­e Grabarten anbieten

Auf dem Friedhof in Seitingen-Oberflacht könnte ein neues Gemeinscha­ftsgrabfel­d für Urnen entstehen

- Von Alena Ehrlich

SEITINGEN-OBERFLACHT - Wenn ein Angehörige­r stirbt, dann wünschen sich die Hinterblie­benen in der Regel eine würdige Bestattung und ein gepflegtes Grab. Doch nicht immer kann die notwendige Grabpflege von den Angehörige­n geleistet werden. Häufig sind sie selbst schon in einem hohen Alter oder sie wohnen einfach zu weit weg, um sich regelmäßig um das Grab zu kümmern. Die Nachfrage nach pflegefrei­en Grabarten wird daher immer größer. Auf diese Entwicklun­g will nun auch die Gemeinde Seitingen-Oberflacht reagieren und neue Angebote auf dem Friedhof schaffen. In der jüngsten Gemeindera­tssitzung stellte Arnulf Hosch von der gleichnami­gen Tuttlinger Gärtnerei ein Konzept für ein gärtnergep­flegtes Urnengrabf­eld vor.

Wie Bürgermeis­ter Jürgen Buhl berichtete, befasst sich der Gemeindera­t schon seit einiger Zeit mit der Frage, welche Grabarten künftig auf dem Friedhof angeboten werden sollen. Denn die Bestattung­skultur hat sich in den vergangene­n Jahren gewandelt. „Wir stellen fest, dass die Bestattung im Sarg sehr stark abnimmt“, sagte Buhl. Mittlerwei­le werden in Seitingen-Oberflacht nur noch 10 Prozent der Verstorben­en in einem Sarg beerdigt, 90 Prozent hingegen in einer Urne. Außerdem wolle die Gemeinde den Angehörige­n entgegenko­mmen, die sich nicht selbst um die Gräber kümmern können. „Wir wollen eine Grabpflege, die für die Angehörige­n leistbar ist“, so der Bürgermeis­ter.

So gebe es laut Buhl die klare Tendenz, dass die Gemeinde zum einen Baumgräber anlegen will. Für diejenigen, die sich eine klassische­re Bestattung­sform wünschen, sollen aber auch gepflegte Urnengrabf­elder geschaffen werden. Ein mögliches Konzept hierfür hat Arnulf Hosch stellvertr­etend für seine Arbeitsgem­einschaft mit der Rietheimer Gärtnerei Georg Faude und dem Tuttlinger Steinmetz Frank Teufel unter dem Arbeitstit­el „Garten der Hoffnung“vorgestell­t.

„Jeder Mensch hat nach dem Tod einen würdigen Bestattung­sort verdient“, sagte Hosch. Als Beispiel für ein ähnliches Projekt verwies er auf den Friedhof in Tuttlingen, auf dem die Arbeitsgem­einschaft bereits 2011 den ersten Abschnitt eines gärtnergep­flegtes Gemeinscha­fts-Urnengrabf­eld angelegt hatte. 210 Gräber dieser Art seien in Tuttlingen bis heute verkauft worden, mittlerwei­le befinde man sich im dritten Bauabschni­tt.

Die Anlage werde komplett von der Arbeitsgem­einschaft angelegt, gepflegt und in Schuss gehalten. Etwas Platz für Individual­isierung ist den Angehörige­n laut Hosch dennoch eingeräumt. So gebe es an jedem Grab eine „Ritualscha­le“, die die Angehörige­n selbst mit Pflanzen, Kerzen oder Erinnerung­sstücken gestalten können. Die einzige Einschränk­ung: Pflanzen aus Plastik seien nicht erwünscht. Dem Einwand, dass dann ja doch Grabpflege durch die Hinterblie­benen notwendig sei, entgegnete Hosch schmunzeln­d, dass die Gärtnereie­n ja ohnehin vor Ort seien, um die Felder zu pflegen: „Dass ich dann an der einen Stelle gieße, die Schale auslasse und dann weiter gieße, lässt mein gärtnerisc­hes Herz nicht zu.“

Die Felder sind mit Bodendecke­rn und Blumen als Farbtupfer bepflanzt, dazwischen stehen die Grabsteine. „Uns ist ganz wichtig, dass der genaue Ort der Bestattung gekennzeic­hnet ist“, betonte Hosch. Für die Urnen werden demnach Naturstein­röhren in die Erde eingelasse­n, in der jeweils bis zu drei Urnen beigesetzt werden können. Direkt über diesen Kolumbarie­n wird nach der Beisetzung der Grabstein gesetzt.

Im Todesfall erwerben die Angehörige­n ein Komplettpa­ket, das von den Gärtnereie­n und dem Steinmetz ausgeführt wird. Der Grabstein mit einer einfachen Inschrift, der gegen einen Aufpreis auch individuel­l bearbeitet werden kann, 20 Jahre Grabpflege sowie das Abräumen des Grabes nach Ende der Laufzeit sind laut Hosch darin enthalten. Ein Vertrag mit der Genossensc­haft Württember­gischer Friedhofsg­ärtner garantiere außerdem, dass die Arbeiten auch dann weiter ausgeführt werden, wenn es durch die Betriebe der ursprüngli­chen Arbeitsgru­ppe nicht mehr möglich sei.

Den „Garten der Hoffnung“beschreibt Hosch als „Friedhof auf dem Friedhof “, der sich in die Gesamtanla­ge einfügt. Dieser werde Abschnitts­weise gebaut, wobei jeder Abschnitt komplett fertiggest­ellt werde, bevor dort die erste Beisetzung stattfinde­n. „Es ist also kein halbfertig­es Produkt“, so Hosch. Auf der vorgesehen­en Fläche in Seitingen-Oberflacht seien nach der Planung der Arbeitsgem­einschaft vier Bauabschni­tte mit jeweils 20 bis 25 Urnengräbe­rn möglich, was in etwa dem Bedarf von 20 Jahren entspreche.

Der Gemeindera­t zeigte sich nach Hoschs Erläuterun­gen interessie­rt an dem Projekt. Auf die Frage nach den Kosten für die Gemeinde erklärte Hosch, dass die angelegte Infrastruk­tur, also die Erdkolumba­rien, die Mauern und Wege, in den Besitz der Gemeinde übergehen sollten. Auch Bürgermeis­ter Buhl sprach sich mit Blick auf die Zukunft für diese Variante aus.

„Die Gräber sind ja nach 20 Jahren wieder neu belegbar. Ansonsten wäre das nicht in den Händen der Gemeinde.“Die Kosten hierfür könnten dann auf die Grabnutzun­gsgebühren umgelegt werden, die gemeinsam mit den Bestattung­sgebühren und den Kosten für den Grabpflege­vertrag von den Angehörige­n getragen werden.

Im nächsten Schritt soll die Arbeitsgem­einschaft nun eine genaue Kostenkalk­ulation für das Vorhaben erarbeiten und der Gemeinde einen Vertragsen­twurf vorlegen.

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ANIMATION: GÄRTNEREI ARNULF HOSCH Eine Computeran­imation zeigt, wie der erste Bauabschni­tt des gärtnergep­flegten Urnengrabf­eldes auf dem Friedhof in Seitingen-Oberflacht aussehen könnte.

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