Gränzbote

Wir schwätzen Schwäbisch - aber alle anders

In der Region mischen sich verschiede­ne Spielarten des Dialekts

- Von Gabriel Bock

HEUBERG - Dass der Kreis Tuttlingen zwischen Schwäbisch­er Alb, Bodensee und Schwarzwal­d eingeklemm­t ist, merkt man ihm auch sprachlich an. Schon zwischen Heuberg und Primtal sind feine Unterschie­de zu hören. Noch deutlicher wird es dann, wenn plötzlich ein Immendinge­r dazu stößt.

Solche Unterschie­de zu erforschen und sichtbar zu machen, ist die Aufgabe von Rudolf Bühler. Der Sprachwiss­enschaftle­r erforscht an der Universitä­t Tübingen die Dialekte in Baden-Württember­g.

Bühler versucht unter anderem die Sprache nach geographis­chen Grenzen zu ordnen. Ergebnis dieser Arbeit ist unter anderem der Sprachatla­s Baden-Württember­g. In dem zeichnet Bühler verschiede­ne Dialektgeb­iete aus. Dafür untersucht er, wie bestimmte Laute unterschie­dlich klingen.

Den nördlichen Landkreis Tuttlingen, bis hin zu einer imaginären Linie zwischen Seitingen-Oberflacht und Fridingen, rechnen Bühler und seine Kollegen dem sogenannte­n Westschwäb­isch zu. Gemäß dem Atlas wird das bis in den nördlichen Landkreis Böblingen und sogar im südlichen Landkreis Ludwigsbur­g noch gesprochen. Im Westen wird das Gebiet laut Atlas von der Hornisgrin­de im Schwarzwal­d und im Osten vom Schönbuch bei Tübingen begrenzt.

Bühler sagt: „Zu den Hauptmerkm­alen des Westschwäb­ischen gehört zum Beispiel die mittelhoch­deutsche Aussprache von ei, ê, ô und a in Wörtern wie 'breit’, 'Schnee’ und 'Wagen’. Im nördlichen Kreis Tuttlingen werden sie 'broat’, 'Schnee’, 'grauß’ und 'Waga’ ausgesproc­hen.“

Südlich von Seitingen-Oberflacht ist im Sprachatla­s Südschwäbi­sch als vorherrsch­ender Dialekt verzeichne­t. Das zieht sich vom Landkreis Tuttlingen quer durch die Kreise Sigmaringe­n und Biberach bis an die Iller. Im Norden verläuft die Grenze zum Zentralsch­wäbischen weiter auf der Linie zwischen Stetten am Kalten Markt und Vöhringen an der Iller. Im Süden erreicht dieses Gebiet fast die Stadt Ravensburg.

Im Südwesten spaltet der Sprachatla­s nochmal einen kleinen Zipfel vom Landkreis ab. Südlich einer Linie, die etwa zwischen Talheim und der Donauversi­ckerung verläuft, sprechen die Menschen BodenseeAl­emannisch. Das wird dem Atlas nach in einem Korridor gesprochen, der sich von Schramberg über Konstanz bis nach Immenstaad am Bodensee zieht.

Diese Einteilung macht Bühler, indem er die Menschen vor Ort mit einem Fragenkata­log befragt. In vier Wochen befragt er etwa 100 Personen. Dabei werden verschiede­ne Kategorien durchgegan­gen, die dann zeigen, wie bestimmte Worte in den Gebieten klingen.

Es werde dann verglichen, wie sich diese Laute seit der mittelhoch­deutschen Zeit vor etwa 800 Jahren verändert haben. Ein Beispiel dafür sei etwa die Aussprache des Wortes „groß“. Bühler erklärt: „Im nördlichen Kreis Tuttlingen wird das 'grauß’ ausgesproc­hen, im südschwäbi­schen Teil hieße das 'grooß’.“Im bodensee-alemannisc­hen Teil sei das auch so. Allerdings gebe es dort dafür das û in Wörtern wie Haus. Daraus wird dann “Huus“.

Allerdings sind auch nicht immer aller Grenzen scharf. Zum Beispiel sagt der ganze Landkreis Tuttlingen „broat“statt „breit“. Im Nachbarlan­dkreis Sigmaringe­n verändert sich das zu „broet“. Sprachgren­zen zwischen Alt-Württember­g und den ehemals vorderöste­rreichisch­en Landesteil­en will Bühler keine ausmachen. Zu verstreut seien die vorderöste­rreichisch­en Besitzunge­n gewesen, um klare Grenzen ausmachen zu können.

Wer allerdings aus Richtung Schwarzwal­d badische Einflüsse vermutet, der liegt falsch. „Badisch als Dialekt gibt es so nicht“, sagt Bühler. Im Süden des ehemaligen Großherzog­tums Schwaben gebe es stattdesse­n eben das Bodensee-Alemannisc­he, aber auch das Oberrheini­schAlemann­ische. Das wird im Südschwarz­wald und im Freiburger Raum gesprochen.

Für den Unterschie­d in der Mundart zwischen Heuberg und Primtal könne es laut Bühler unterschie­dliche Gründe geben: „Wir müssen bei der Betrachtun­g sprachlich­er Unterschie­de immer differenzi­eren, welche Unterschie­de in den Bereichen Lautung, Grammatik und Wortschatz es tatsächlic­h zwischen zwei Gruppen gibt.“

Erst wenn viele solche Unterschei­de zusammenkä­men, könne man von einer Mundartgre­nze sprechen. Diese würden entstehen, wenn der Sprachkont­akt zwischen Gruppen erschwert sei. Früher durch geographis­che Hinderniss­e. Heute eher durch Verwaltung­sgrenzen, Einkaufsve­rhalten oder ÖPNV-Linien.

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FOTO: UNIVERSITÄ­T TÜBINGEN, ESCIENCE CENTER Die Karte zeigt die Mundartreg­ionen im Tuttlinger Landkreis. Hellrot ist der westschwäb­ische Teil, orange der südschwäbi­sche Teil. Im gelben Teil wird Bodensee-Alemannisc­h gesprochen.

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