Gränzbote

Strafe nach Lüge für Kumpel vor Gericht

Ein 20-Jähriger muss jetzt Sozialstun­den machen, weil er einen Freund deckte

- Von Gabriel Bock

SPAICHINGE­N - „Wir müssen uns bei der Wahrheitsf­indung auf das verlassen können, was Zeugen vor Gericht sagen.“Mit diesen Worten begründete Richterin Beate Philipp ihr Urteil gegen einen 21 Jahre alten Spaichinge­r. Weil er laut Urteil für einen Kumpel gelogen hat, muss er 500 Euro bezahlen und 50 Stunden soziale Arbeit leisten. Der junge Mann nahm die Verurteilu­ng wegen uneidliche­r Falschauss­age vor Gericht an, die ist damit rechtskräf­tig.

Der junge Spaichinge­r hatte im September im Prozess um eine Körperverl­etzung ausgesagt. Verhandelt wurde damals ein Vorfall in einer Spaichinge­r Gaststätte vom Januar 2019. Ein 24-Jähriger wurde verurteilt, weil er einen 44-Jährigen Pakistani ins Gesicht geschlagen und ihn, als er zu Boden ging, zwei Mal getreten hat (wir berichtete­n).

Der 24-Jährige, ein Kumpel des 21jährigen Spaichinge­rs, hat laut dem Urteil vom September, damals das Getränk des an der Bar stehenden Pakistanis umgestoßen. Nach einem kurzen Wortgefech­t schlug er den 44-Jährigen dann mit der Faust und trat nach. Den 24-jährigen Schläger verurteilt­e Richterin Philipp damals zu einer dreijährig­en Bewährungs­strafe.

Dass der 21-Jährige und ein weiterer Kumpel, der 23 Jahre alt ist, in dem Prozess behauptet haben, dass der Pakistani den Angeklagte­n vor den Schlägen geohrfeigt habe, glaubte Philipp schon damals nicht. Zu sehr ähnelten sich die Schilderun­gen. Alle drei behauptete­n, dass es sich um ein Bierglas gehandelt habe, das Opfer war sich aber sicher, Wodka getrunken zu haben.

Mit der Ohrfeige hätte der 24-jährige Schläger versuchen können, sich auf Notwehr zu berufen. Die Aussagen betrachtet­en Richterin und Staatsanwa­lt als Freundscha­ftsdienste. Das hat jetzt Konsequenz­en.

Der 23-Jährige ist bereits rechtskräf­tig wegen der Falschauss­age verurteilt, der 24-jährige Gewalttäte­r wegen Anstiftung zur Falschauss­age. Jetzt bekam auch der Dritte im Bunde eine Strafe.

Im Prozess wurde klar, dass sich die drei jungen Männer vor dem Prozess in verschiede­nen Konstellat­ionen getroffen haben, um ihre Aussagen zu besprechen. Das bestätigte der jetzt als Zeuge geladene 23Jährige, mit dem Richterin Philipp ansonsten ihre liebe Not hatte. Der Angeklagte äußerte sich zur Sache nicht.

Zwar hatte der Zeuge bei der Polizei die Falschauss­age eingeräumt und von einem Fehler gesprochen. Im Prozess gegen seinen Freund konnte oder wollte er sich dann aber nicht mehr erinnern, was genau besprochen worden war. Den eindringli­chen und wiederholt­en Fragen der Richterin danach, wie die Falschauss­agen genau verabredet wurden, wich er vor Gericht aus. Stammelnd und nur sehr zögerlich waren seine Antworten. „Sie haben sich ja schon im letzten Verfahren hier sehr schwer getan“, kommentier­te Philipp das.

Seine vor der Polizei gemachten Aussagen bestätigte der 23-Jährige. Schien aber seinen angeklagte­n Freund vor Gericht nicht nochmals belasten zu wollen. Ein als Zeuge aussagende­r Polizist des Spaichinge­r Reviers erläuterte die Aussagen des Zeugen vor der Polizei nochmals. Dort habe der Zeuge klar erklärt, dass die drei Kumpels die Aussagen abgesproch­en hätten.

Nach den Zeugenauss­agen beriet sich der Anklagte in einer Unterbrech­ung mit seiner Anwältin. Danach ließ er diese erklären, dass er die Falschauss­age gestehe. Weitere Erklärunge­n machte er aber nicht.

Bei der Urteilsfin­dung gegen den 21-jährigen Angeklagte­n wandte Richterin Beate Philipp Jugendstra­frecht an. Er lebe noch bei seinen Eltern und sei auch nicht finanziell selbststän­dig. Selbst hat er nur wenig Geld gespart und bekommt eine kleine Ausbildung­svergütung.

Auch die Jugendgeri­chtshilfe zeichnete ein eher düsteres Bild. Die Schule habe der Angeklagte ohne Abschluss beendet. Danach folgten Gelegenhei­tsjobs, zum Beispiel auf Baustellen. Erst seit kurzem macht der junge Mann eine Ausbildung in Tübingen. Derzeit sei die aber unterbroch­en. Da die Distanz von Spaichinge­n zu groß sei, suche er nach Alternativ­en, um die Ausbildung in der Region fortzusetz­en.

Sie wolle dem jungen Mann den Einstieg in ein geregeltes Berufslebe­n nicht erschweren, sagte Richterin Philipp. Deshalb und wegen der fehlenden Reife sei das Urteil so milde ausgefalle­n. Für Erwachsene sieht das Strafrecht bei uneidliche­n Falschauss­agen bis zu fünf Jahre Gefängniss­trafe vor.

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FOTO: DPA Ein Spaichinge­r wurde wegen uneidliche­r Falschauss­age zu einer Geldstrafe und Sozialstun­den verurteilt.

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