Strafe nach Lüge für Kumpel vor Gericht
Ein 20-Jähriger muss jetzt Sozialstunden machen, weil er einen Freund deckte
SPAICHINGEN - „Wir müssen uns bei der Wahrheitsfindung auf das verlassen können, was Zeugen vor Gericht sagen.“Mit diesen Worten begründete Richterin Beate Philipp ihr Urteil gegen einen 21 Jahre alten Spaichinger. Weil er laut Urteil für einen Kumpel gelogen hat, muss er 500 Euro bezahlen und 50 Stunden soziale Arbeit leisten. Der junge Mann nahm die Verurteilung wegen uneidlicher Falschaussage vor Gericht an, die ist damit rechtskräftig.
Der junge Spaichinger hatte im September im Prozess um eine Körperverletzung ausgesagt. Verhandelt wurde damals ein Vorfall in einer Spaichinger Gaststätte vom Januar 2019. Ein 24-Jähriger wurde verurteilt, weil er einen 44-Jährigen Pakistani ins Gesicht geschlagen und ihn, als er zu Boden ging, zwei Mal getreten hat (wir berichteten).
Der 24-Jährige, ein Kumpel des 21jährigen Spaichingers, hat laut dem Urteil vom September, damals das Getränk des an der Bar stehenden Pakistanis umgestoßen. Nach einem kurzen Wortgefecht schlug er den 44-Jährigen dann mit der Faust und trat nach. Den 24-jährigen Schläger verurteilte Richterin Philipp damals zu einer dreijährigen Bewährungsstrafe.
Dass der 21-Jährige und ein weiterer Kumpel, der 23 Jahre alt ist, in dem Prozess behauptet haben, dass der Pakistani den Angeklagten vor den Schlägen geohrfeigt habe, glaubte Philipp schon damals nicht. Zu sehr ähnelten sich die Schilderungen. Alle drei behaupteten, dass es sich um ein Bierglas gehandelt habe, das Opfer war sich aber sicher, Wodka getrunken zu haben.
Mit der Ohrfeige hätte der 24-jährige Schläger versuchen können, sich auf Notwehr zu berufen. Die Aussagen betrachteten Richterin und Staatsanwalt als Freundschaftsdienste. Das hat jetzt Konsequenzen.
Der 23-Jährige ist bereits rechtskräftig wegen der Falschaussage verurteilt, der 24-jährige Gewalttäter wegen Anstiftung zur Falschaussage. Jetzt bekam auch der Dritte im Bunde eine Strafe.
Im Prozess wurde klar, dass sich die drei jungen Männer vor dem Prozess in verschiedenen Konstellationen getroffen haben, um ihre Aussagen zu besprechen. Das bestätigte der jetzt als Zeuge geladene 23Jährige, mit dem Richterin Philipp ansonsten ihre liebe Not hatte. Der Angeklagte äußerte sich zur Sache nicht.
Zwar hatte der Zeuge bei der Polizei die Falschaussage eingeräumt und von einem Fehler gesprochen. Im Prozess gegen seinen Freund konnte oder wollte er sich dann aber nicht mehr erinnern, was genau besprochen worden war. Den eindringlichen und wiederholten Fragen der Richterin danach, wie die Falschaussagen genau verabredet wurden, wich er vor Gericht aus. Stammelnd und nur sehr zögerlich waren seine Antworten. „Sie haben sich ja schon im letzten Verfahren hier sehr schwer getan“, kommentierte Philipp das.
Seine vor der Polizei gemachten Aussagen bestätigte der 23-Jährige. Schien aber seinen angeklagten Freund vor Gericht nicht nochmals belasten zu wollen. Ein als Zeuge aussagender Polizist des Spaichinger Reviers erläuterte die Aussagen des Zeugen vor der Polizei nochmals. Dort habe der Zeuge klar erklärt, dass die drei Kumpels die Aussagen abgesprochen hätten.
Nach den Zeugenaussagen beriet sich der Anklagte in einer Unterbrechung mit seiner Anwältin. Danach ließ er diese erklären, dass er die Falschaussage gestehe. Weitere Erklärungen machte er aber nicht.
Bei der Urteilsfindung gegen den 21-jährigen Angeklagten wandte Richterin Beate Philipp Jugendstrafrecht an. Er lebe noch bei seinen Eltern und sei auch nicht finanziell selbstständig. Selbst hat er nur wenig Geld gespart und bekommt eine kleine Ausbildungsvergütung.
Auch die Jugendgerichtshilfe zeichnete ein eher düsteres Bild. Die Schule habe der Angeklagte ohne Abschluss beendet. Danach folgten Gelegenheitsjobs, zum Beispiel auf Baustellen. Erst seit kurzem macht der junge Mann eine Ausbildung in Tübingen. Derzeit sei die aber unterbrochen. Da die Distanz von Spaichingen zu groß sei, suche er nach Alternativen, um die Ausbildung in der Region fortzusetzen.
Sie wolle dem jungen Mann den Einstieg in ein geregeltes Berufsleben nicht erschweren, sagte Richterin Philipp. Deshalb und wegen der fehlenden Reife sei das Urteil so milde ausgefallen. Für Erwachsene sieht das Strafrecht bei uneidlichen Falschaussagen bis zu fünf Jahre Gefängnisstrafe vor.