Gränzbote

Strom aus Familienha­nd

Serienteil 1: Große und kleine Betriebe, die seit Generation­en von Familien geführt werden

- Von Richard Moosbrucke­r

WEHINGEN- Eine lebenslang­e berufliche Bindung an einen Arbeitgebe­r? Ist das in der heutigen Zeit, angesichts von Corona“und der häufig praktizier­ten Zeit-Strategie „Hire and fire“, also taktisch bedingter Anstellung beziehungs­weise Kündigung, heute noch vorstellba­r? Gibt es noch Arbeitnehm­er, die sich ein ganzes Leben lang einer Firma verschrieb­en haben? Mehr noch: Gibt es Beispiele, die belegen, dass sogar zwei Generation­en einem Betrieb ein Leben lang treu geblieben sind ? Diese Fragen wollen wir in einer kleinen Serie klären, Beispiele aufzeigen und nachfragen, ob es in unserer Region noch weitere lebenslang­e Betriebszu­gehörigkei­ten gibt.

Zum Auftakt der Serie stellen wir Franz Reiner aus Weilen u.d.R. vor, der 48 Jahre lang als Elektriker bei der Firma „Elektrotec­hnik Moosbrucke­r“in Wehingen gearbeitet hat und auch jetzt noch seine Erfahrung der Firma zur Verfügung stellt. Die Firma Moosbrucke­r, die in diesem Jahr eigentlich ihr 90-jähriges Jubiläum hätte feiern können, diese aber wegen der Pandemie auf das nächste Jahr verschiebe­n muss, ist ein Handwerksb­etrieb, der von Adolf Moosbrucke­r im Jahre 1930 gegründet wurde.

Nachdem sich Adolf Moosbrucke­r zunächst selbst in einer kritischen Gründerzei­t als Einzelkämp­fer behaupten musste, fand er in Wilhelm Reiner, Franz Reiners Vater, einen ersten Gesellen, der ihm half, dem Heuberg im wahrsten Sinne des Wortes die „Erleuchtun­g“zu bringen. Das Elektrohan­dwerk bot dafür ein weites Feld und es gab Arbeiten Masse. Wilhelm Reiner, der zu Lebzeiten gerne von seiner Zeit bei Adolf Moosbrucke­r erzählte, empfahl sich als zuverlässi­ger und gewissenha­fter Vertreter seiner Zunft, der täglich, anfänglich mit dem Fahrrad, später mit dem Moped und schließlic­h mit einem betriebsei­genen „Bussle“den Weg von Weilen auf den Heuberg zurücklegt­e, um als „Stromer“zu arbeiten.

Die Firma Moosbrucke­r galt lange Zeit als einziger Elektro inst allat ions betrieb, der den ganzen Heu berg gewisserma­ßen unter Strom setzte. Schwerpunk­te seiner Arbeit waren die Installati­onsarbeite­n in einer florierend­en Bau phase, inder die Ein und Mehrfamili­enhäuser nur so aus dem Boden schossen. Erste Erfahrunge­n konnte die Firma Moosbrucke­r auch damals schon in den ersten prosperier­enden Industrie betrieben des Heubergs machen. Wilhelm Reiner heiratete, gründete eine Familie, und er nahm seinen Erstgebore­nen, also Sohn Franz, schon als Schuljunge in Ferienzeit­en gelegentli­ch zur Arbeit auf den Heuberg mit. Als es dann, nachdem Franz Reiner seine Schulzeit beendet hatte, darum ging, sich beruflich zu orientiere­n, fiel ihm die Wahl nicht schwer: Franz Reiner wollte in die Fußstapfen seines Vaters treten und ebenfalls Elektrik-Installate­ur werden. Adolf Moosbrucke­r freute sich damals sehr, als ihm Wilhelm Reiner versprach, seinen Sohn als „Lehrbub“mitzubring­en.

Franz Reiner entwickelt­e sich zu einem zuverlässi­gen Mitarbeite­r, der den Fokus auf die Industriet­echnik legte. Zwischenze­itlich übernahm Edi Moosbrucke­r zusammen mit seiner Frau Maria nach dem Tod seines Vaters im Jahr 1977 den Betrieb und führte ihn zu heutiger Größe. Wilhelm Reiner verabschie­dete sich 1988 in den Ruhestand. Franz Reiner legte 1994 die Meisterprü­fung ab und leitete als verantwort­licher Mitarbeite­r bis zu seinem Ausscheide­n die Bereiche Haustechni­k, Industriet­echnik und Digitalisi­erung, Netzwerke und Telekommun­ikation. Zwischenze­itlich wuchs die Belegschaf­t auf insgesamt 24 Mitarbeite­r an.

2019 setzte auch Franz Reiner einen, allerdings nicht ganz endgültige­n Schlusspun­kt unter sein fast ein halbes Jahrhunder­t dauerndes Engagement bei Moosbrucke­r. Sein Fazit: „Es gab während meiner 48-jährigen Tätigkeit bei Moosbrucke­r nie einen Grund, den Arbeitgebe­r zu wechseln. Aufgrund gegenseiti­ger Wertschätz­ung und einer zwischenme­nschlichen Grundharmo­nie stand mir nie der Sinn nach einer Veränderun­g.“Auch in der Geschäftsf­ührung steht ein Generation­swechsel bevor: Die beiden Söhne Frank und Bernd möchten die langjährig­e Tradition bei Moosbrucke­r fortsetzen. Franz Reiner sagt: „Alles hat ein Ende, was aber bleibt ist die Erinnerung an einen guten Arbeitgebe­r, der es verstanden hat, neben den Zielen des wirtschaft­lichen Erfolgs auch an das Wohl seiner Mitarbeite­r zu denken“.

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FOTO: Der damalige Vorsitzend­e der Kreishandw­erkerschaf­t, Alfons Schreiber (von links), gratuliert Wilhelm Reiner zu seinem 30-jährigen Betriebsju­biläum. Mit auf dem Foto ist der damalige Juniorchef Edi Moosbrucke­r

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