Strom aus Familienhand
Serienteil 1: Große und kleine Betriebe, die seit Generationen von Familien geführt werden
WEHINGEN- Eine lebenslange berufliche Bindung an einen Arbeitgeber? Ist das in der heutigen Zeit, angesichts von Corona“und der häufig praktizierten Zeit-Strategie „Hire and fire“, also taktisch bedingter Anstellung beziehungsweise Kündigung, heute noch vorstellbar? Gibt es noch Arbeitnehmer, die sich ein ganzes Leben lang einer Firma verschrieben haben? Mehr noch: Gibt es Beispiele, die belegen, dass sogar zwei Generationen einem Betrieb ein Leben lang treu geblieben sind ? Diese Fragen wollen wir in einer kleinen Serie klären, Beispiele aufzeigen und nachfragen, ob es in unserer Region noch weitere lebenslange Betriebszugehörigkeiten gibt.
Zum Auftakt der Serie stellen wir Franz Reiner aus Weilen u.d.R. vor, der 48 Jahre lang als Elektriker bei der Firma „Elektrotechnik Moosbrucker“in Wehingen gearbeitet hat und auch jetzt noch seine Erfahrung der Firma zur Verfügung stellt. Die Firma Moosbrucker, die in diesem Jahr eigentlich ihr 90-jähriges Jubiläum hätte feiern können, diese aber wegen der Pandemie auf das nächste Jahr verschieben muss, ist ein Handwerksbetrieb, der von Adolf Moosbrucker im Jahre 1930 gegründet wurde.
Nachdem sich Adolf Moosbrucker zunächst selbst in einer kritischen Gründerzeit als Einzelkämpfer behaupten musste, fand er in Wilhelm Reiner, Franz Reiners Vater, einen ersten Gesellen, der ihm half, dem Heuberg im wahrsten Sinne des Wortes die „Erleuchtung“zu bringen. Das Elektrohandwerk bot dafür ein weites Feld und es gab Arbeiten Masse. Wilhelm Reiner, der zu Lebzeiten gerne von seiner Zeit bei Adolf Moosbrucker erzählte, empfahl sich als zuverlässiger und gewissenhafter Vertreter seiner Zunft, der täglich, anfänglich mit dem Fahrrad, später mit dem Moped und schließlich mit einem betriebseigenen „Bussle“den Weg von Weilen auf den Heuberg zurücklegte, um als „Stromer“zu arbeiten.
Die Firma Moosbrucker galt lange Zeit als einziger Elektro inst allat ions betrieb, der den ganzen Heu berg gewissermaßen unter Strom setzte. Schwerpunkte seiner Arbeit waren die Installationsarbeiten in einer florierenden Bau phase, inder die Ein und Mehrfamilienhäuser nur so aus dem Boden schossen. Erste Erfahrungen konnte die Firma Moosbrucker auch damals schon in den ersten prosperierenden Industrie betrieben des Heubergs machen. Wilhelm Reiner heiratete, gründete eine Familie, und er nahm seinen Erstgeborenen, also Sohn Franz, schon als Schuljunge in Ferienzeiten gelegentlich zur Arbeit auf den Heuberg mit. Als es dann, nachdem Franz Reiner seine Schulzeit beendet hatte, darum ging, sich beruflich zu orientieren, fiel ihm die Wahl nicht schwer: Franz Reiner wollte in die Fußstapfen seines Vaters treten und ebenfalls Elektrik-Installateur werden. Adolf Moosbrucker freute sich damals sehr, als ihm Wilhelm Reiner versprach, seinen Sohn als „Lehrbub“mitzubringen.
Franz Reiner entwickelte sich zu einem zuverlässigen Mitarbeiter, der den Fokus auf die Industrietechnik legte. Zwischenzeitlich übernahm Edi Moosbrucker zusammen mit seiner Frau Maria nach dem Tod seines Vaters im Jahr 1977 den Betrieb und führte ihn zu heutiger Größe. Wilhelm Reiner verabschiedete sich 1988 in den Ruhestand. Franz Reiner legte 1994 die Meisterprüfung ab und leitete als verantwortlicher Mitarbeiter bis zu seinem Ausscheiden die Bereiche Haustechnik, Industrietechnik und Digitalisierung, Netzwerke und Telekommunikation. Zwischenzeitlich wuchs die Belegschaft auf insgesamt 24 Mitarbeiter an.
2019 setzte auch Franz Reiner einen, allerdings nicht ganz endgültigen Schlusspunkt unter sein fast ein halbes Jahrhundert dauerndes Engagement bei Moosbrucker. Sein Fazit: „Es gab während meiner 48-jährigen Tätigkeit bei Moosbrucker nie einen Grund, den Arbeitgeber zu wechseln. Aufgrund gegenseitiger Wertschätzung und einer zwischenmenschlichen Grundharmonie stand mir nie der Sinn nach einer Veränderung.“Auch in der Geschäftsführung steht ein Generationswechsel bevor: Die beiden Söhne Frank und Bernd möchten die langjährige Tradition bei Moosbrucker fortsetzen. Franz Reiner sagt: „Alles hat ein Ende, was aber bleibt ist die Erinnerung an einen guten Arbeitgeber, der es verstanden hat, neben den Zielen des wirtschaftlichen Erfolgs auch an das Wohl seiner Mitarbeiter zu denken“.