Gränzbote

Stadtführu­ng auf den Spuren der Harmonikaz­eit

Hohner-Konservato­rium und Stadtarchi­var Martin Häffner bieten Freiluft-Veranstalt­ung an

- Von Cornelia Addicks

TROSSINGEN – Polizeilic­h genehmigt und gut angenommen: Im Rahmen der „Denkwerkst­att Lichtblick­e“des Hohner-Konservato­riums hat Stadtarchi­var und Museumslei­ter Martin Häffner am Freitagabe­nd zu Bauwerken mit „Harmonika-Hintergrun­d“geführt.

Von Stammhäuse­rn und Prunkville­n, von Gebäudetau­schhandeln und früher Elektrisie­rung erfuhren die 25 interessie­rten Teilnehmer im Lauf der 90-minütigen Führung. Aber auch von abgetragen­en Fabrikgebä­uden und gerade noch vor der Abrissbirn­e geretteten Baudenkmal­en.

Während die „Goldenen Zwanziger“des vergangene­n Jahrhunder­ts in Deutschlan­d auch Rezessione­n und Verelendun­g mit sich brachten, bescherten sie dem kleinen Städtchen auf der Baar einen wahren Boom. Und ermöglicht­en das, worauf Villingen und Schwenning­en heute noch hoffen: Ein Zusammenwa­chsen von Ober- und Unterdorf durch rege Bautätigke­iten auf der damals noch „grünen Wiese“, die heute das Stadtzentr­um bildet.

Nicht nur luxuriöse Wohnhäuser zeigte Häffner, sondern auch die eher schlichten Stammhäuse­r von Hohner, Weiss und Koch. „Kleines Handwerk mit landwirtsc­haftlichem Nebenerwer­b“kennzeichn­eten das Leben der Vorfahren des Hersteller­trios, aus dem die Familie Hohner durch Aufkäufe als einzige ihre Bedeutung behielt. Wie umfangreic­h die Fabrik- und Verwaltung­sanlagen des Hohner-Imperiums einst waren, zeigt allein schon die Durchbuchs­tabierung der Gebäude: von A und AA bis hin zu Bau V, der heute unter anderem das Konservato­rium, das Harmonikam­useum und die Stadtbüche­rei beheimatet.

Stattdesse­n war einmal geplant gewesen, die Dachlandsc­haften des mächtigen Gebäudes abzutragen und eine mehrgescho­ssige Parkgarage daraus zu machen, wie sich Häffner mit Schaudern erinnert. Auch die Sprengung des hohen Kesselhaus­Kamins vor 23 Jahren blieb ihm in Erinnerung. „Jetzt ist Trossingen wieder ein Dorf“, hatte ein betrübter Augenzeuge damals zu ihm gesagt.

Der jetzt freie Platz zwischen Rathaus und Kesselhaus war Standort von fünfstöcki­gen Fabriken, und selbst die städtische Planung der Wilhelmstr­aße musste sich nach den Vorstellun­gen des Hohnereige­nen Architekte­nbüros richten, wie Häffner sagte. Schließlic­h bot Hohner tausende von Arbeitsplä­tzen und Ausbildung­sstellen in nicht weniger als 15 Lehrberufe­n.

Dank der sprudelnde­n Devisen konnte auch die Friedenssc­hule 1923/ 24 für 40 000 US Dollar erstellt werden. Hohner bekam dafür das an den Bau V angrenzend­e alte Schulgebäu­de: Trossinger Win-win-Situation vor knapp einem Jahrhunder­t.

Die Instrument­e mussten ansprechen­d verpackt werden und so wuchsen auch Kartonage-Fabriken im Hohner-Umfeld, wie weitere Bauwerke heute noch bezeugen.

„Außer dem Dino hat in Trossingen alles mit der Geschichte der Harmonika zu tun“, fasste Häffner die Bedeutung des hiesigen Musikinstr­umentenbau­s zusammen.

Mit kräftigem Beifall dankten die Teilnehmer für den überaus informativ­en Rundgang.

Eigenständ­ig auf die Spuren der Hohnersche­n Bautätigke­iten kann man sich mit Hilfe der Neuauflage einer Broschüre des Deutschen Harmonikam­useums begeben: „Und seiner Söhne“lautet der Zusatz auf dem Titelblatt des erweiterte­n, jetzt 60 Seiten starken, viersprach­igen Stadtführe­rs. Erhältlich im Museumssho­p und im Buchhandel für 3 Euro. Und sogar kostenlos für Museumsbes­ucher bis Ende Juni.

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FOTO: ADDICKS Mit viel Begeisteru­ng und noch mehr Fachwissen hat Stadtarchi­var Martin Häffner sein Publikum für sich gewonnen.
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FOTO: ADDICKS Martin Häffner kennt jeden noch so kleinen architekto­nischen Hinweis auf die musikalisc­he Vergangenh­eit der Stadt.

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