Ein Erlebnis
Heidenheim hat den Aufstieg in eigener Hand
HEIDENHEIM - An der Anzahl der Auslöser einer Fotokamera lässt sich erkennen: Hier ist was los. Erst schritt Frank Schmidt auf dem Weg entlang der Seitenlinie zu den TVKollegen, den klickenden Kameras entgegen und sprach, ihm folgte Dieter Hecking. 1. FC Heidenheim gegen Hamburger SV an diesem Sonntag. Es begann normal, später war zu konstatieren: Einfach nur Wahnsinn! Heidenheim kletterte durch den späten 2:1-Sieg auf Platz drei.
Wenige Minuten nach Beginn des Showdowns am Sonntag waren beide Trainer ziemlich schnell auf Betriebstemperatur. Schmidt stehend, Hecking sitzend. Bei Schmidt hatte man bereits nach einer Viertelstunde die Befürchtung, dass er schon heiser ist, wenn das Spiel noch andauert. Doch man konnte ihn auch nach den aufregenden 94 Minuten bei der Pressekonferenz der denkwürdigen Partie gut verstehen. „Wenn man gegen so einen Gegner zurückliegt und dann noch gewinnt, dann hat man es auch verdient“, sagte Schmidt. „Das war ein Erlebnis, das war etwas Großartiges.“
Der permanent antreibende Schmidt pushte unentwegt. Und seine Mannen legten auch vom Anpfiff den Vorwärtsgang ein. Doch die beste erste Szene hatte der aus der Defensive lauernde HSV. Nach einem Eckball von Aaron Hunt köpfte Gideon Jung den Ball an den Pfosten (7.). Unbeeindruckt davon versuchten die Heidenheimer Druck aufzubauen. Doch immer wieder kam auch der HSV zügig vors Tor, strahlte mehr Torgefahr aus, wenngleich die großen Möglichkeiten fehlten. In der ersten Halbzeit gelang dem FCH zu wenig. Doch abwarten, wenn man diese Heidenheimer kennt.
Das vorerst letzte Heimspiel der denkwürdigen Saison bedeutete vielleicht das Spiel ihres Lebens, nie war die Chance so groß, tatsächlich auf den Relegationsplatz zu springen. Und es gelang nach einem filmreifen Ende, fast schon Kitsch-Ende. „Wir haben es jetzt in der eigenen Hand“, freute sich Schmidt. Und sein Pendant: „Das war ein bitterer Nachmittag für uns“, stellte Hecking enttäuscht fest.
Dabei hatte seine Mannschaft nach nur 20 Sekunden in der zweiten Halbzeit plötzlich geführt. Anstoß Heidenheim, Ballverlust, Konter, Joel Pohjanpalo – 0:1 (46.). Heidenheim antwortete mutig, fast trotzig, kam endlich zu klaren Chancen. Erst Niklas Dorsch (54.), als HSV-Torwart Julian Pollerspeck parierte, dann Stefan Schimmer, der das vermeintliche 1:1 erzielte. Doch vorab soll Sebastian Griesbeck Handspiel begangen haben. Der Schiedsrichter des Jahres 2019, Deniz Aytekin, funkte mit dem Kölner Keller und nach Videobeweis hieß es eben nicht 1:1. Die HSV-Führung wackelte trotzdem, jetzt hatte sich auch Hecking von seinem Stuhl erhoben. Schmidt pushte weiter, und das übertrug sich sichtbar auf seine Spieler.
Was folgte, war Wahnsinn: Heidenheimer Dauerdruck und eine Herzschlag-Schlussphase. Marc Schnatterer war zwischenzeitlich auf dem Platz und gleich am 1:1 beteiligt: Flanke des Kapitäns und Jordan Beyer brachte den Ball per Eigentor über die Linie (80.). Es rollte nur noch aufs Hamburger Tor, zunächst ohne Erfolg. Und dann diese Nachspielzeit. Vier Minuten zeigte Aytekin an, in letzter Sekunde der Nachspielzeit prügelte Schnatterer den Ball in den Strafraum, Schimmer legte quer und der heranrauschende Konstantin Kerschbaumer behielt die Ruhe und schob cool zum 2:1 ein! HSV-Spieler am Boden, FCH-Spieler in einer Jubeltraube sondersgleichen. Anstoß, Abpfiff. Noch mehr Jubel. Auch ohne Fans. Und noch mehr Fotos.