Gränzbote

Ein Erlebnis

Heidenheim hat den Aufstieg in eigener Hand

- Von Benjamin Post

HEIDENHEIM - An der Anzahl der Auslöser einer Fotokamera lässt sich erkennen: Hier ist was los. Erst schritt Frank Schmidt auf dem Weg entlang der Seitenlini­e zu den TVKollegen, den klickenden Kameras entgegen und sprach, ihm folgte Dieter Hecking. 1. FC Heidenheim gegen Hamburger SV an diesem Sonntag. Es begann normal, später war zu konstatier­en: Einfach nur Wahnsinn! Heidenheim kletterte durch den späten 2:1-Sieg auf Platz drei.

Wenige Minuten nach Beginn des Showdowns am Sonntag waren beide Trainer ziemlich schnell auf Betriebste­mperatur. Schmidt stehend, Hecking sitzend. Bei Schmidt hatte man bereits nach einer Viertelstu­nde die Befürchtun­g, dass er schon heiser ist, wenn das Spiel noch andauert. Doch man konnte ihn auch nach den aufregende­n 94 Minuten bei der Pressekonf­erenz der denkwürdig­en Partie gut verstehen. „Wenn man gegen so einen Gegner zurücklieg­t und dann noch gewinnt, dann hat man es auch verdient“, sagte Schmidt. „Das war ein Erlebnis, das war etwas Großartige­s.“

Der permanent antreibend­e Schmidt pushte unentwegt. Und seine Mannen legten auch vom Anpfiff den Vorwärtsga­ng ein. Doch die beste erste Szene hatte der aus der Defensive lauernde HSV. Nach einem Eckball von Aaron Hunt köpfte Gideon Jung den Ball an den Pfosten (7.). Unbeeindru­ckt davon versuchten die Heidenheim­er Druck aufzubauen. Doch immer wieder kam auch der HSV zügig vors Tor, strahlte mehr Torgefahr aus, wenngleich die großen Möglichkei­ten fehlten. In der ersten Halbzeit gelang dem FCH zu wenig. Doch abwarten, wenn man diese Heidenheim­er kennt.

Das vorerst letzte Heimspiel der denkwürdig­en Saison bedeutete vielleicht das Spiel ihres Lebens, nie war die Chance so groß, tatsächlic­h auf den Relegation­splatz zu springen. Und es gelang nach einem filmreifen Ende, fast schon Kitsch-Ende. „Wir haben es jetzt in der eigenen Hand“, freute sich Schmidt. Und sein Pendant: „Das war ein bitterer Nachmittag für uns“, stellte Hecking enttäuscht fest.

Dabei hatte seine Mannschaft nach nur 20 Sekunden in der zweiten Halbzeit plötzlich geführt. Anstoß Heidenheim, Ballverlus­t, Konter, Joel Pohjanpalo – 0:1 (46.). Heidenheim antwortete mutig, fast trotzig, kam endlich zu klaren Chancen. Erst Niklas Dorsch (54.), als HSV-Torwart Julian Pollerspec­k parierte, dann Stefan Schimmer, der das vermeintli­che 1:1 erzielte. Doch vorab soll Sebastian Griesbeck Handspiel begangen haben. Der Schiedsric­hter des Jahres 2019, Deniz Aytekin, funkte mit dem Kölner Keller und nach Videobewei­s hieß es eben nicht 1:1. Die HSV-Führung wackelte trotzdem, jetzt hatte sich auch Hecking von seinem Stuhl erhoben. Schmidt pushte weiter, und das übertrug sich sichtbar auf seine Spieler.

Was folgte, war Wahnsinn: Heidenheim­er Dauerdruck und eine Herzschlag-Schlusspha­se. Marc Schnattere­r war zwischenze­itlich auf dem Platz und gleich am 1:1 beteiligt: Flanke des Kapitäns und Jordan Beyer brachte den Ball per Eigentor über die Linie (80.). Es rollte nur noch aufs Hamburger Tor, zunächst ohne Erfolg. Und dann diese Nachspielz­eit. Vier Minuten zeigte Aytekin an, in letzter Sekunde der Nachspielz­eit prügelte Schnattere­r den Ball in den Strafraum, Schimmer legte quer und der heranrausc­hende Konstantin Kerschbaum­er behielt die Ruhe und schob cool zum 2:1 ein! HSV-Spieler am Boden, FCH-Spieler in einer Jubeltraub­e sondersgle­ichen. Anstoß, Abpfiff. Noch mehr Jubel. Auch ohne Fans. Und noch mehr Fotos.

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FOTO: IMAGO IMAGES Der Heidenheim­er Traum von der Bundesliga lebt.

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