Das Prinzip Hoffnung
Vielleicht liegt es ja am blauen Himmel und der strahlenden Sonne. Fast scheint es so, als sei Covid-19 überwunden und es existierten nur noch ein paar Problemchen. Anfang Mai hat Bundeskanzlerin Angela Merkel den überzeugten Föderalismus-Anhängern, sprich den Ministerpräsidenten, die Verantwortung zur Bekämpfung der Corona-Pandemie übertragen. Und seitdem wird es unübersichtlich.
Klare Regeln auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse oder Empfehlungen werden auf die eine oder andere Weise interpretiert. Wer wissen will, was denn wo gilt, muss sich durch einen Wust von Regelungen kämpfen. Ein Blick auf die heruntergeladene Corona-Warn-App könnte zusätzlich verwirren. Denn die App bezieht sich auf den bislang wichtigen Zeitraum von 14 Tagen. Diese Zahl gilt weltweit bei möglichen Quarantäne-Maßnahmen.
Doch Nordrhein-Westfalen, derzeit der bundesweite Hotspot wegen hoher Infektionszahlen auf dem Tönnies-Schlachthof, verhängt nur einen Lockdown von sieben Tagen für die Kreise Gütersloh und Warendorf. Mit Wissenschaft hat das nichts zu tun, sondern mit dem dortigen Beginn der Sommerferien am 29. Juni. Während der Düsseldorfer Regierungschef Armin Laschet versucht, seinen Lockerungskurs auf Biegen und Brechen durchzuhalten, fährt ihm sein bayerischer Kollege Markus Söder in die Parade. Er warnt weiterhin vor einer zweiten Welle und untersagt die mögliche Übernachtung von Touristen aus den zwei betroffenen westfälischen Landkreisen in den Hotels des Freistaates.
Baden-Württemberg beschließt unterdessen, dass Abstandsregelungen für Kinder nicht mehr gelten, damit nach den Sommerferien normaler Schul- und Kita-Betrieb herrschen kann. Ansonsten ist fast alles wieder erlaubt, was nicht ausdrücklich verboten ist. Landesminister feiern dies als Paradigmenwechsel. Gebote statt Verbote. Eine Abstimmung zwischen den Bundesländern scheint aktuell nicht mehr nötig. Es gilt offenkundig das Prinzip Hoffnung, auf dass der Herbst nicht allzu grau werde.