Gränzbote

Im Kampf gegen einen XXL-Bundestag läuft die Zeit ab

Die Opposition drängt nach jahrelange­m Stillstand auf schnelle Parlaments­verkleiner­ung – Grünen rufen Söder zu Hilfe

- Von Klaus Wieschemey­er

BERLIN - Im jahrelange­n Streit um eine Verkleiner­ung des Bundestags drängen Grüne, Linke und FDP auf eine Reform in letzter Minute. Die drei Opposition­sparteien forderten am Mittwoch, den Fraktionsz­wang aufzuheben und kommende Woche im letzten Bundestags­plenum vor der Sommerpaus­e über ihren Reformvors­chlag abzustimme­n. Zugleich kritisiert­en sie die Regierung, die bisher keinen Vorschlag unterbreit­et hat. „Wenn die Koalition nicht die Kraft findet, etwas vorzulegen, sollte sie wenigstens die Abstimmung freigeben“, sagte Britta Haßelmann von den Grünen. Auch CDUAbgeord­nete wie Christian von Stetten (Hohenlohe/Schwäbisch Hall) sprachen sich für eine Freigabe aus.

Kommt es zu keiner Einigung, droht der Bundestag nach der Wahl im Herbst 2021 auf mehr als 800 Parlamenta­rier anzuwachse­n. Derzeit sitzen dort 709 Abgeordnet­e, mehr als je zuvor. Die Sollgröße beträgt 598, davon sind die Hälfte die Gewinner aus den 299 Wahlkreise­n – in Baden-Württember­g und Bayern ausschließ­lich Politiker von CDU und CSU. Die andere Hälfte kommt von Parteilist­en. Wenn eine Partei in einem Bundesland mehr Direktmand­ate bekommt, als ihr eigentlich nach den Zweitstimm­en zustehen, werden Überhangma­ndate zugeteilt, die wiederum mit Ausgleichs­mandaten für die anderen Parteien aufgewogen werden.

Das Problem ist altbekannt: Bereits seit 2013 wird über eine Verkleiner­ung gesprochen, bislang erfolglos. Grüne, Linke und FDP haben vor Monaten einen Gesetzentw­urf vorgelegt, nachdem die Wahlkreisz­ahl auf 250 reduziert und die Zunahme der Mandate begrenzt werden soll. Eine solche Reduzierun­g – und damit Vergrößeru­ng der Wahlkreise – müsste sehr schnell geschehen, weil die Parteien bald ihre Direktkand­idaten aufstellen. Nach Einschätzu­ng der Universitä­t Aachen ist ein Neuzuschni­tt aber technisch machbar.

Die CSU lehnt den Entwurf der drei Opposition­sparteien rundweg ab. Auch ein SPD-Vorschlag zur Begrenzung der Mandate stößt bei der Union auf Ablehnung. Der könne dazu führen, dass der Gewinner eines

Wahlkreise­s trotzdem nicht in den Bundestag kommt.

Der Linken-Politiker Friedrich Straetmann­s bezeichnet­e die Union als „personifiz­ierte Bremse beim Wahlrecht“. Sein FDP-Kollege Marco Buschmann warnte die Koalition vor wachsendem Druck:. „Die Gefahr des XXL-Bundestags treibt sehr viele Menschen um“, sagte er. Aus Sicht der Opposition ist Bayern das Problem. Die 46 CSU-Abgeordnet­en würden alles abschmette­rn. Haßelmann sieht den CSU-Chef in der Pflicht: „Vielleicht kann sich da mal Herr Söder einmischen. Der regelt doch auch sonst alles für die CSU“, sagte sie.

Bei der Südwest-CDU hofft man noch auf eine Lösung in den nächsten Tagen. Er glaube, dass sich CDU und CSU auf eine gemeinsame Position einigen, sagte Baden-Württember­gs CDU-Landesgrup­penchef Andreas Jung der „Schwäbisch­en Zeitung“.

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FOTO: MICHAEL KAPPELER/DPA Der Bundestag umfasst derzeit 709 Abgeordnet­e.

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