Im Kampf gegen einen XXL-Bundestag läuft die Zeit ab
Die Opposition drängt nach jahrelangem Stillstand auf schnelle Parlamentsverkleinerung – Grünen rufen Söder zu Hilfe
BERLIN - Im jahrelangen Streit um eine Verkleinerung des Bundestags drängen Grüne, Linke und FDP auf eine Reform in letzter Minute. Die drei Oppositionsparteien forderten am Mittwoch, den Fraktionszwang aufzuheben und kommende Woche im letzten Bundestagsplenum vor der Sommerpause über ihren Reformvorschlag abzustimmen. Zugleich kritisierten sie die Regierung, die bisher keinen Vorschlag unterbreitet hat. „Wenn die Koalition nicht die Kraft findet, etwas vorzulegen, sollte sie wenigstens die Abstimmung freigeben“, sagte Britta Haßelmann von den Grünen. Auch CDUAbgeordnete wie Christian von Stetten (Hohenlohe/Schwäbisch Hall) sprachen sich für eine Freigabe aus.
Kommt es zu keiner Einigung, droht der Bundestag nach der Wahl im Herbst 2021 auf mehr als 800 Parlamentarier anzuwachsen. Derzeit sitzen dort 709 Abgeordnete, mehr als je zuvor. Die Sollgröße beträgt 598, davon sind die Hälfte die Gewinner aus den 299 Wahlkreisen – in Baden-Württemberg und Bayern ausschließlich Politiker von CDU und CSU. Die andere Hälfte kommt von Parteilisten. Wenn eine Partei in einem Bundesland mehr Direktmandate bekommt, als ihr eigentlich nach den Zweitstimmen zustehen, werden Überhangmandate zugeteilt, die wiederum mit Ausgleichsmandaten für die anderen Parteien aufgewogen werden.
Das Problem ist altbekannt: Bereits seit 2013 wird über eine Verkleinerung gesprochen, bislang erfolglos. Grüne, Linke und FDP haben vor Monaten einen Gesetzentwurf vorgelegt, nachdem die Wahlkreiszahl auf 250 reduziert und die Zunahme der Mandate begrenzt werden soll. Eine solche Reduzierung – und damit Vergrößerung der Wahlkreise – müsste sehr schnell geschehen, weil die Parteien bald ihre Direktkandidaten aufstellen. Nach Einschätzung der Universität Aachen ist ein Neuzuschnitt aber technisch machbar.
Die CSU lehnt den Entwurf der drei Oppositionsparteien rundweg ab. Auch ein SPD-Vorschlag zur Begrenzung der Mandate stößt bei der Union auf Ablehnung. Der könne dazu führen, dass der Gewinner eines
Wahlkreises trotzdem nicht in den Bundestag kommt.
Der Linken-Politiker Friedrich Straetmanns bezeichnete die Union als „personifizierte Bremse beim Wahlrecht“. Sein FDP-Kollege Marco Buschmann warnte die Koalition vor wachsendem Druck:. „Die Gefahr des XXL-Bundestags treibt sehr viele Menschen um“, sagte er. Aus Sicht der Opposition ist Bayern das Problem. Die 46 CSU-Abgeordneten würden alles abschmettern. Haßelmann sieht den CSU-Chef in der Pflicht: „Vielleicht kann sich da mal Herr Söder einmischen. Der regelt doch auch sonst alles für die CSU“, sagte sie.
Bei der Südwest-CDU hofft man noch auf eine Lösung in den nächsten Tagen. Er glaube, dass sich CDU und CSU auf eine gemeinsame Position einigen, sagte Baden-Württembergs CDU-Landesgruppenchef Andreas Jung der „Schwäbischen Zeitung“.