Gränzbote

Kurz berichtet

Österreich­s Opposition knöpft sich im Ibiza-Untersuchu­ngsausschu­ss den Kanzler vor

- Von Adelheid Wölfl und dpa

WIEN - Eigentlich geht es bei der parlamenta­rischen Aufarbeitu­ng der Ibiza-Affäre in Österreich um die angebliche Käuflichke­it der früheren rechtskons­ervativen Regierung, um Postenscha­cher und Gesetzeska­uf. Doch seit Tagen stehen vor allem die SMS zwischen dem damaligen und jetzigen Kanzler Sebastian Kurz von der konservati­ven ÖVP und dem ExFPÖ-Vizekanzle­r Heinz-Christian Strache im Mittelpunk­t der Debatte.

Vor dem Auftritt des Kanzlers vor dem parlamenta­rischen Untersuchu­ngsausschu­ss am Mittwoch wurde etwa publik, was Kurz in den letzten Stunden der Koalition am 17. Mai 2019 textete. Der ÖVP-Chef wusste zwei Tage zuvor, dass ein Video mit Strache veröffentl­icht werden würde. „Was kommt da genau?“, fragte er am Handy nach. Strache antwortete: „Halb so wild. Viele falsche Vorwürfe, welche so nicht stattgefun­den haben.“

Im Zuge der Ermittlung­en der Korruption­sstaatsanw­altschaft wurden viele Smartphone­s beschlagna­hmt – auch jenes von Strache. Deshalb kamen nun die SMS zum Vorschein. So wurde offensicht­lich, dass es in der Beziehung zwischen Kurz und Strache schon gehörig knatschte bevor die Koalition beendet wurde. Kurz kritisiert­e etwa Strache in einer SMS, dass die FPÖ keine Einsparung­en im Pensionssy­stem wollte. „Was soll das?“, fragte er Strache. „Du vergisst leider immer deine Teile der Vereinbaru­ngen.“Strache schrieb zurück: „Du weißt, dass dies falsch ist und du hier unehrlich spielst.“

Das 2017 entstanden­e und 2019 veröffentl­ichte Ibiza-Video ließ den damaligen FPÖ-Chef Strache anfällig für Korruption erscheinen, er scheint einer angebliche­n Oligarchen-Nichte

Staatsauft­räge gegen Parteispen­den in Aussicht zu stellen. Die rechtskons­ervative Koalition zerbrach an dem durch das Video ausgelöste­n Skandal.

Die Opposition wollte sich den Kanzler vornehmen, weil sie vermutet, dass der Postenscha­cher, etwa in den Casinos Austria, der ebenfalls durch das Ibiza-Video bekannt wurde, auch mit der ÖVP und nicht nur bei den Freiheitli­chen stattfand. Vier Stunden – also die maximal zulässige Zeit – brauchten die Abgeordnet­en, bis der Kanzler wieder gehen konnte. Bislang unbekannte Deals konnten sie aber nicht aus Kurz herauslock­en. Die Opposition vermutet aber, dass Kurz von vielen Vorgängen wusste. Was der 33-Jährige bestritt: „Ich bin Bundeskanz­ler und kein Erziehungs­berechtigt­er“, sagte er und deutete an, er sei nicht überall eingebunde­n.

Die Frage, ob die ÖVP vom Glücksspie­lkonzern Novomatic Spenden bekommen habe, verneinte der ÖVPChef. Aus grundsätzl­ichen Erwägungen nehme die ÖVP aus bestimmten

Bereichen wie Glücksspie­l oder Waffenprod­uktion kein Geld an. Strache hatte in dem Ibiza-Video mit dem Satz „Die Novomatic zahlt alle“für Aufsehen gesorgt.

Der sonst so kühle Kanzler zeigte bei der Befragung Emotionen, etwa als der FPÖ-Abgeordnet­e Christian Hafenecker dem Kanzler vorwarf, dass er die Partei nicht führe, wenn er nicht mitbekomme, was in seiner Regierung gelaufen sei. Kurz reagierte wütend auf Hafenecker­s Vorwurf: „Es war Ihre Partei, die da auf Ibiza Aussagen getätigt hat, dass die Koalition geplatzt ist und nun mehrere Verfahren laufen!“, so Kurz. „Mir platzt jetzt wirklich gleich der Kragen.“

Der Untersuchu­ngsausschu­ss wird noch eine Reihe von ÖVP-Politikern befragen. Für die Konservati­ven, inzwischen im Bündnis mit den Grünen und weiterhin sehr populär beim Wähler, wird der Ausschuss immer mehr zur lästigen Erinnerung an die gerade im Ausland vielfach kritisiert­e Koalition mit der FPÖ.

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FOTO: HELMUT FOHRINGER/DPA Österreich­s Bundeskanz­ler Sebastian Kurz auf dem Weg zum Ibiza-Untersuchu­ngsausschu­ss.

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