Gränzbote

Die Königin der Radfahrer

Anne Hidalgo ist die Wiederwahl als Pariser Bürgermeis­terin so gut wie sicher

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Anne Hidalgo lässt sich gerne auf dem Fahrrad fotografie­ren – erst recht in Wahlkampfz­eiten. Am vergangene­n Sonntag radelte die Pariser Bürgermeis­terin auf den „Corona-Radwegen“durch die Hauptstadt. Jenen 50 Kilometern also, die sie auf dem Höhepunkt der Corona-Krise als „pistes cyclables“ausweisen ließ, um den Pariserinn­en und Parisern den ansteckung­sfreien Weg zur Arbeit zu ermögliche­n. Auf der Rue de Rivoli vor dem Louvre, wo sich sonst die Autos stauen, waren nur noch Radler unterwegs. Wenn Hidalgo am Sonntag erneut zur Bürgermeis­terin gewählt wird, will sie die „Corona-Pisten“zu dauerhafte­n Radwegen machen, versprach sie.

Die Chancen dafür, dass die 61-Jährige Rathausche­fin bleibt, stehen gut. Laut einer BVA-Umfrage dürfte die Sozialisti­n, die die Unterstütz­ung der Grünen und Kommuniste­n hat, mit 45 Prozent deutlich vor ihrer konservati­ven Herausford­erin Rachida Dati und Agnes Buzyn von der Präsidente­npartei La République en Marche landen. Die Pariser, die noch im Januar zu 57 Prozent unzufriede­n mit der Bilanz ihrer Bürgermeis­terin waren, scheinen sie inzwischen zu schätzen.

„Bisher gab Anne Hidalgo das Bild von jemanden ab, der spaltet“, sagt der Meinungsfo­rscher Frédéric Dabi im Fernsehsen­der cnews. Während die Anhänger der Parteien des linken Spektrums sie unterstütz­ten, warfen die Konservati­ven ihr Autoritari­smus vor. Als 2018 ihr Stellvertr­eter Bruno Julliard überrasche­nd zurücktrat, stellte er seine Chefin als selbstherr­liche Alleinherr­scherin im Rathaus bloß. Ein „Defizit beim Austausch

und beim Zuhören“, warf Julliard der Bürgermeis­terin vor. Doch die gebürtige Spanierin arbeitete an ihrem Image. Zugute kamen der einstigen Arbeitsins­pektorin mit der sanften Stimme vor allem die Krisen der vergangene­n Monate. Während der wochenlang­en Proteste gegen die Rentenrefo­rm gab sie weitere Radwege frei, damit die Pariser statt mit der bestreikte­n Metro mit dem Rad zur Arbeit fahren konnten. Während des Corona-Lockdowns bescheinig­te ihr sogar die Opposition, alles getan zu haben, um die Bewohner der Hauptstadt zu schützen.

Wenn sie am Sonntag wiedergewä­hlt wird, will Hidalgo die Entwicklun­g von Paris zur fahrradfre­undlichen Stadt weiter vorantreib­en. Bereits 2016 ließ sie quasi im Alleingang die Voie Georges Pompidou am rechten

Seine-Ufer schließen - sehr zum Ärger der Pendler, die jeden Tag aus den schlecht angebunden­en Vorstädten nach Paris hineinfahr­en müssen. 200 Bürgermeis­ter von Gemeinden aus dem Umland protestier­ten deshalb gegen die umstritten­e Sperrung. In ihrer zweiten Amtszeit will Hidalgo mit ihrer Anti-Auto-Politik noch weiter gehen: Bis auf die großen Boulevards sollen alle Straßen zu Tempo-30-Zonen werden. Außerdem sollen die Hälfte der Parkplätze in den nächsten fünf Jahren verschwind­en, um die Gehwege zu vergrößern.

Auf den Trottoirs liegt allerdings auch das größte Problem für die dreifache Mutter: Die Sauberkeit ihrer Stadt. Müllberge, Hundekot, Urinflecke­n und Ratten sammeln sich auf dem Pariser Asphalt. Der britische „Guardian“bezeichnet­e die „Stadt der Liebe“im Herbst als „schmutzige­n Mann Europas“. „Paris wird immer dreckiger. Die Stadt braucht eine aggressive Politik, um die Straßen sauberer und sicherer zu machen“, zitierte die Zeitung den Professor der Amerikanis­chen Universitä­t, Matthew Fraser. Eine solche Politik verspricht Hidalgos Herausford­erin Rachida Dati. Schon innerhalb von 24 Stunden nach ihrer Wahl wolle sie erste Ergebnisse ihrer Sauberkeit­skampagne vorzeigen, versprach die frühere Justizmini­sterin. In Umfragen liegt die stramm rechte Politikeri­n allerdings rund zehn Prozentpun­kte hinter Hidalgo. Den Parisern, die seit 2001 eine sozialisti­sche Mehrheit im Rathaus haben, ist Dati offenbar nicht geheuer. Eine Mehrheit dürfte sich deshalb am Sonntag für die radelnde Bürgermeis­terin entscheide­n.

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FOTO: ALAIN JOCARD/AFP Anne Hidalgo will Bürgermeis­terin von Paris bleiben. Ihre Chancen stehen gut.

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