2000 Euro für jeden Ausbildungsplatz
Staat will Unternehmen, die trotz Corona-Krise ausbilden, Zuschüsse zahlen – Kritik an Größenbeschränkungen
FRANKFURT/RAVENSBURG - Unternehmen, die trotz wirtschaftlicher Schwierigkeiten durch die Pandemie die Zahl ihrer Ausbildungsplätze halten oder sogar erhöhen, sollen mit Prämien belohnt werden. Ein entsprechendes Hilfsprogramm hat die Bundesregierung am Mittwoch auf den Weg gebracht. Es soll Firmen mit bis zu 249 Beschäftigten unterstützen. Voraussetzung ist, dass sie durch die Corona-Krise große Umsatzeinbrüche hatten oder Kurzarbeit für ihre Beschäftigten anmelden mussten.
Firmen, die trotz dieser Schwierigkeiten in gleichem Umfang ausbilden wie in den vergangenen drei Jahren, bekommen 2000 Euro für jeden 2020 und 2021 geschlossenen Ausbildungsvertrag. Unternehmen, die sogar mehr Ausbildungsplätze schaffen als sie bisher hatten, winken für jeden zusätzlichen Azubi 3000 Euro. Die gleiche Summe sollen Unternehmen beantragen können, die Auszubildende von Firmen übernehmen, die Insolvenz anmelden mussten. Gefördert werden sollen auch Betriebe, die Azubis von Firmen übernehmen, die pandemiebedingt die Ausbildung nicht fortsetzen können.
Darüber hinaus will die Regierung Ausbildungsbetriebe unterstützen, die trotz Krise keine Kurzarbeit für Ausbilder oder Auszubildende angemeldet haben. Geplant ist für diese Fälle eine Förderung von 75 Prozent des Brutto-Ausbildungslohns für jeden Monat, in dem der Betrieb einen Arbeitsausfall von mindestens 50 Prozent hat. Für die Ausbildungsprämien eingeplant sind 500 Millionen Euro.
Man wolle dafür sorgen, „dass kein Schulabgänger und keine Schulabgängerin von der Schulbank ins Nichts fällt“, sagte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) nach der Kabinettssitzung in Berlin. „Corona darf nicht wie Blei am Bein hängen, wenn es um den Start ins Berufsleben geht“. Als einen „richtigen Schritt, um dem drohenden Rückgang an Ausbildungsverträgen im Herbst entgegenzuwirken“begrüßte Baden-Württembergs Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) die Entscheidung.
Wirtschaftsverbände sehen die Prämien als sinnvolle Maßnahme. Mit der beschlossenen Ausbildungsprämie erhielten kleine und mittlere Betriebe „eine wichtige Anerkennung“, sagte Hans Peter Wollseifer, Präsident des Zentralverbandes des deutschen Handwerks (ZDH). Die Prämie sei ein „Motivationssignal“. Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) begrüßte den „Schutzschirm“für Ausbildung, weil der noch rechtzeitig zu Beginn des neuen Ausbildungsjahres gespannt werde.
Nach Angaben des DGB sei ein Einbruch sowohl bei den Ausbildungsplätzen,
als auch bei Bewerberinnen und Bewerbern zu bemerken – in manchen Regionen bis zu 20 Prozent. „Damit wir von der CoronaKrise nicht in die Ausbildungskrise stolpern, müssen die jetzt beschlossenen Maßnahmen schnell umgesetzt und von den Unternehmen auch genutzt werden“, sagte die stellvertretende EDGB-Vorsitzende Elke Hannack.
In dieser Woche hatte auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier Unternehmen dazu aufgerufen, trotz schwieriger Bedingungen am Engagement für die Ausbildung festzuhalten. Nach einem Treffen mit Gewerkschaftsvertretern und Spitzenverbänden der Wirtschaft mahnte Steinmeier die Unternehmen, die von Bund und Ländern in historischen Dimensionen bereitgestellten Hilfsprogramme zu nutzen. Es gehe „um die Zukunftschancen der jungen Generation und ihre Fachkräfte von morgen“.
Bundesbildungsministerin Anja Karliczek hatte im Mai mitgeteilt, dass ein Minus von acht Prozent bei den angebotenen Lehrstellen im Vergleich zum Vorjahresmonat bestehe. Eine Anfang Juni durchgeführte Befragung
des baden-württembergischen Industrie- und Handelskammertags (BWIHK) bei 3500 Südwestunternehmen hat ergeben, dass rund ein Drittel der Ausbildungsbetriebe gar nicht mehr oder weniger ausbilden wollen als im Vorjahr. Die Förderung ist daher laut Marjoke Breuning, BWIHK-Vizepräsidentin und Präsidentin der für Ausbildungsfragen zuständigen IHK Region Stuttgart, „für kleine und mittlere Betriebe wichtig, damit sie im Fall von Kurzarbeit mit den Kosten der Ausbildung nicht allein dastehen und ihre Ausbildungstätigkeiten aufrechterhalten können“.
Vom deutschen Handelsverband (HDE) und dem Verband der Deutschen Maschinenbauer dagegen kam neben Lob auch Kritik an den Ausbildungsprämien. Die richtet sich vor allem auf die umgrenzte Zielgruppe von kleinen und mittleren Unternehmen mit einer Beschäftigtenzahl von maximal 249. „Auch größere, mittelständische Handelsunternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern, wie beispielsweise Modehäuser, leiden sehr unter der Corona-Krise und bieten gleichzeitig vielen jungen Menschen eine berufliche Zukunft“, sagte HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth.
Ähnlich äußerte sich der Verband der Maschinenbauer. Der rechnet vor, dass sich im Maschinenbau 20 000 Auszubildende in Unternehmen mit 250 bis 1000 Beschäftigten fänden, weitere 26 000 in Unternehmen mit mehr als 1000 Beschäftigten. Das seien fast zwei Drittel aller Auszubildenden im Maschinenbau.
Die baden-württembergischen Metallarbeitgeber forderten deshalb die Landesregierung in Stuttgart auf, die drohende Förderlücke für größere Betriebe noch vor der Sommerpause mit einem eigenen Förderprogramm zu schließen. „Wenn wir möglichst viele Ausbildungsplätze erhalten wollen, muss der Maßstab sein, wie positiv sich die Förderung auf den Ausbildungsmarkt auswirkt und wie stark die Unternehmen von der Corona-Pandemie betroffen sind – und nicht, wie groß sie sind“, sagte Peer Michael Dick, Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbands Südwestmetall. Gerade im Hinblick auf die Struktur unserer Industrie hinterlasse die Bundesförderung gewaltige Lücken.