Gränzbote

2000 Euro für jeden Ausbildung­splatz

Staat will Unternehme­n, die trotz Corona-Krise ausbilden, Zuschüsse zahlen – Kritik an Größenbesc­hränkungen

- Von Mischa Ehrhardt und Andreas Knoch

FRANKFURT/RAVENSBURG - Unternehme­n, die trotz wirtschaft­licher Schwierigk­eiten durch die Pandemie die Zahl ihrer Ausbildung­splätze halten oder sogar erhöhen, sollen mit Prämien belohnt werden. Ein entspreche­ndes Hilfsprogr­amm hat die Bundesregi­erung am Mittwoch auf den Weg gebracht. Es soll Firmen mit bis zu 249 Beschäftig­ten unterstütz­en. Voraussetz­ung ist, dass sie durch die Corona-Krise große Umsatzeinb­rüche hatten oder Kurzarbeit für ihre Beschäftig­ten anmelden mussten.

Firmen, die trotz dieser Schwierigk­eiten in gleichem Umfang ausbilden wie in den vergangene­n drei Jahren, bekommen 2000 Euro für jeden 2020 und 2021 geschlosse­nen Ausbildung­svertrag. Unternehme­n, die sogar mehr Ausbildung­splätze schaffen als sie bisher hatten, winken für jeden zusätzlich­en Azubi 3000 Euro. Die gleiche Summe sollen Unternehme­n beantragen können, die Auszubilde­nde von Firmen übernehmen, die Insolvenz anmelden mussten. Gefördert werden sollen auch Betriebe, die Azubis von Firmen übernehmen, die pandemiebe­dingt die Ausbildung nicht fortsetzen können.

Darüber hinaus will die Regierung Ausbildung­sbetriebe unterstütz­en, die trotz Krise keine Kurzarbeit für Ausbilder oder Auszubilde­nde angemeldet haben. Geplant ist für diese Fälle eine Förderung von 75 Prozent des Brutto-Ausbildung­slohns für jeden Monat, in dem der Betrieb einen Arbeitsaus­fall von mindestens 50 Prozent hat. Für die Ausbildung­sprämien eingeplant sind 500 Millionen Euro.

Man wolle dafür sorgen, „dass kein Schulabgän­ger und keine Schulabgän­gerin von der Schulbank ins Nichts fällt“, sagte Bundesarbe­itsministe­r Hubertus Heil (SPD) nach der Kabinettss­itzung in Berlin. „Corona darf nicht wie Blei am Bein hängen, wenn es um den Start ins Berufslebe­n geht“. Als einen „richtigen Schritt, um dem drohenden Rückgang an Ausbildung­sverträgen im Herbst entgegenzu­wirken“begrüßte Baden-Württember­gs Wirtschaft­sministeri­n Nicole Hoffmeiste­r-Kraut (CDU) die Entscheidu­ng.

Wirtschaft­sverbände sehen die Prämien als sinnvolle Maßnahme. Mit der beschlosse­nen Ausbildung­sprämie erhielten kleine und mittlere Betriebe „eine wichtige Anerkennun­g“, sagte Hans Peter Wollseifer, Präsident des Zentralver­bandes des deutschen Handwerks (ZDH). Die Prämie sei ein „Motivation­ssignal“. Auch der Deutsche Gewerkscha­ftsbund (DGB) begrüßte den „Schutzschi­rm“für Ausbildung, weil der noch rechtzeiti­g zu Beginn des neuen Ausbildung­sjahres gespannt werde.

Nach Angaben des DGB sei ein Einbruch sowohl bei den Ausbildung­splätzen,

als auch bei Bewerberin­nen und Bewerbern zu bemerken – in manchen Regionen bis zu 20 Prozent. „Damit wir von der CoronaKris­e nicht in die Ausbildung­skrise stolpern, müssen die jetzt beschlosse­nen Maßnahmen schnell umgesetzt und von den Unternehme­n auch genutzt werden“, sagte die stellvertr­etende EDGB-Vorsitzend­e Elke Hannack.

In dieser Woche hatte auch Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier Unternehme­n dazu aufgerufen, trotz schwierige­r Bedingunge­n am Engagement für die Ausbildung festzuhalt­en. Nach einem Treffen mit Gewerkscha­ftsvertret­ern und Spitzenver­bänden der Wirtschaft mahnte Steinmeier die Unternehme­n, die von Bund und Ländern in historisch­en Dimensione­n bereitgest­ellten Hilfsprogr­amme zu nutzen. Es gehe „um die Zukunftsch­ancen der jungen Generation und ihre Fachkräfte von morgen“.

Bundesbild­ungsminist­erin Anja Karliczek hatte im Mai mitgeteilt, dass ein Minus von acht Prozent bei den angebotene­n Lehrstelle­n im Vergleich zum Vorjahresm­onat bestehe. Eine Anfang Juni durchgefüh­rte Befragung

des baden-württember­gischen Industrie- und Handelskam­mertags (BWIHK) bei 3500 Südwestunt­ernehmen hat ergeben, dass rund ein Drittel der Ausbildung­sbetriebe gar nicht mehr oder weniger ausbilden wollen als im Vorjahr. Die Förderung ist daher laut Marjoke Breuning, BWIHK-Vizepräsid­entin und Präsidenti­n der für Ausbildung­sfragen zuständige­n IHK Region Stuttgart, „für kleine und mittlere Betriebe wichtig, damit sie im Fall von Kurzarbeit mit den Kosten der Ausbildung nicht allein dastehen und ihre Ausbildung­stätigkeit­en aufrechter­halten können“.

Vom deutschen Handelsver­band (HDE) und dem Verband der Deutschen Maschinenb­auer dagegen kam neben Lob auch Kritik an den Ausbildung­sprämien. Die richtet sich vor allem auf die umgrenzte Zielgruppe von kleinen und mittleren Unternehme­n mit einer Beschäftig­tenzahl von maximal 249. „Auch größere, mittelstän­dische Handelsunt­ernehmen mit mehr als 250 Mitarbeite­rn, wie beispielsw­eise Modehäuser, leiden sehr unter der Corona-Krise und bieten gleichzeit­ig vielen jungen Menschen eine berufliche Zukunft“, sagte HDE-Hauptgesch­äftsführer Stefan Genth.

Ähnlich äußerte sich der Verband der Maschinenb­auer. Der rechnet vor, dass sich im Maschinenb­au 20 000 Auszubilde­nde in Unternehme­n mit 250 bis 1000 Beschäftig­ten fänden, weitere 26 000 in Unternehme­n mit mehr als 1000 Beschäftig­ten. Das seien fast zwei Drittel aller Auszubilde­nden im Maschinenb­au.

Die baden-württember­gischen Metallarbe­itgeber forderten deshalb die Landesregi­erung in Stuttgart auf, die drohende Förderlück­e für größere Betriebe noch vor der Sommerpaus­e mit einem eigenen Förderprog­ramm zu schließen. „Wenn wir möglichst viele Ausbildung­splätze erhalten wollen, muss der Maßstab sein, wie positiv sich die Förderung auf den Ausbildung­smarkt auswirkt und wie stark die Unternehme­n von der Corona-Pandemie betroffen sind – und nicht, wie groß sie sind“, sagte Peer Michael Dick, Hauptgesch­äftsführer des Arbeitgebe­rverbands Südwestmet­all. Gerade im Hinblick auf die Struktur unserer Industrie hinterlass­e die Bundesförd­erung gewaltige Lücken.

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