Corona schlägt bei den Pachteinnahmen durch
Wohnbau vereinbart Stundungen mit Cafés und Restaurants – Jahresabschluss 2019 vorgelegt
TUTTLINGEN - Zwölf Prozent der Mieteinnahmen der Tuttlinger Wohnbau stammen aus dem gewerblichen Bereich. Die wochenlange Schließung durch den Lockdown hat die Gewerbetreibenden – auch die Gastronomie – an den Rand ihrer Existenz gebracht. Die Wohnbau hat deshalb bei den Pachtzahlungen überwiegend Stundungen mit den Mietern vereinbart, so Geschäftsführer Horst Riess, mit der Ankündigung, „dass wir nicht versuchen, alle Ausstände nach einer Woche einzutreiben“.
Riess gab sich zuversichtlich, dass „unsere Läden diese Krise alle überleben werden“und wandte sich dabei auch an die Stadtverwaltung und die Gemeinderäte, denen er in der Ausschusssitzung den Jahresabschluss 2019 vorstellte: „Wir hoffen darauf, dass die Stadt großzügig beim Thema Außenbestuhlung ist. Dann kommen die Cafés und Restaurants wieder in die Spur“, sagte er.
Dabei sprach er zum Beispiel das Café Dream in der Stadtkirchstraße an. Erst gebeutelt durch die Sanierung der Fußgängerzone, dann für mehr als zwei Monate der komplette Lockdown. Riess: „Wir werden unsere treuen Mieter so gut es geht über diese Zeit retten.“Die Wohnbau habe aber auch nichts zu verschenken. „Man muss sich das Leid da schon mal teilen.“
In der krisenhaften Zeit gibt es zudem immer mehr Haushalte, die in eine prekäre Lage kommen, sagte OB Beck und sprach Entlassungen und Kurzarbeit an. Stadtrat Jürgen Hau (LBU) hatte zuvor geäußert, dass er im Bereich des sozialen Wohnungsbaus und der Schaffung bezahlbarer Mietwohnungen beim Wohnbauträger, der zu zwei Dritteln in städtischer
Trägerschaft ist, durchaus Luft sieht: „Der Zweck der Wohnbau ist es nicht, die Eigenkapitalquote ins Unermessliche zu erhöhen“, bilanzierte Hau. Was in Tuttlingen fehle, sei der Bereich unter acht Euro. „Das wird uns gerade in Coronazeiten noch beschäftigen“, ist er sich sicher.
Bei den Kaltmieten liege die Wohnbau bei 80 Prozent ihrer Immobilien unter sieben Euro, bei gut der Hälfte unter sechs Euro, sagte der Wohnbau-Chef. 9,60 Euro den Quadratmeter betrage die Miete in einer Penthouse-Wohnung im Schafrain. Riess: „Ein solcher Mietzins wäre ohne eine gute Eigenkapitaldecke nicht möglich. Dann wären es deutlich mehr.“
Knapp 300 Wohnungen der Wohnbau fallen unter die Rubrik geförderter Wohnungsbau. Die Mieter müssen einen Wohnberechtigungsschein vorweisen und die Kosten müssen 30 Prozent unter der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen. Weitere 49 geförderte Wohnungen entstehen in der Bodenseestraße (wir berichteten). Riess ging dabei auf den schwierigen Prozess mit den Förderbehörden ein: „Die Anträge bleiben wochenlang liegen, man zeigt sich demütig, weil man ja gewogen bleiben will.“Zudem sieht er teilweise Probleme, passende Mieter zu finden. Seit die Einkommensgrenzen gesenkt wurden, habe sich die Zahl der Berechtigten erhöht. Das Problem sei aber, dass die Quadratmeterbegrenzung
(zwei Personen bis 60, drei Personen bis 75 Quadratmeter) nicht passe. Diese Größen seien nicht mehr zeitgemäß. Das habe sich bei einer Wohnung mit Berechtigungsschein im Paracelsusweg gezeigt, die monatelang leer gestanden habe.
„Die Stadt Tuttlingen stellt jährlich 120 bis 130 neue Wohnberechtigungsscheine aus – Tendenz steigend“, teilt OB Beck auf Nachfrage unserer Zeitung mit. Daran lasse sich ablesen, dass auch in Tuttlingen ein Bedarf an gefördertem Wohnraum bestehe. Die Tuttlinger Wohnbau habe in der letzten Zeit einige Projekte in diese Richtung gestartet. Beck: „Als Aufsichtsratsvorsitzender gehe ich davon aus, dass die Wohnbau diesen Weg auch weiter beschreiten wird.“Wohnen sei in den vergangenen Jahren teurer geworden, für immer mehr Leute sei es immer schwerer, eine bezahlbare Wohnung zu finden. Der Kreis derer, die Anspruch auf einen Wohnberechtigungsschein haben, wird zudem größer. Singles dürfen bis zu 51 000 Euro und als vierköpfige Familie bis zu 69 000 Euro verdienen, um einen Wohnberechtigungsscheines zu bekommen. „Zusammengefasst kann man sagen: Geförderter Wohnungsbau spielt auch für die Mittelschicht eine immer größere Rolle. Darauf müssen wir reagieren.“
Der Jahresabschluss 2019 und die Entlastung des Aufsichtsrats ist auch in der Gemeinderatssitzung am Montag, 29. Juni, Thema.