„Wir sollten Nebenfächer runterfahren“
David Jung leitet den Landesschülerbeirat – Er will zentrale Inhalte an den Schulen stärken
STUTTGART - Gewählt wurde David Jung noch vor der Corona-Krise, nun hat er den Posten des obersten Schülervertreters im Land angetreten. Im Gespräch mit Kara Ballarin fordert er mehr landesweite Strukturen für den Fernunterricht und einen stärkeren Fokus auf die Hauptfächer.
Herr Jung, was ist in den Zeiten seit den Schulschließungen im März gut gelaufen?
Das große Schlagwort ist Digitalisierung. Die Schulen waren einfach nicht vorbereitet. Das ändert sich nun und wird nachklingen.
Und was hat gar nicht funktioniert?
Noch mal Digitalisierung: Bei manchen Schulen gab es große Probleme. Eins meiner Ziele als Landesschülersprecher ist, in den kommenden beiden Jahren in diesem Bereich eine gemeinsame Basis für alle Schulen im Land zu schaffen. Ein weiteres großes Thema ist Chancengleichheit. Manche Schüler haben zu Hause einfach keinen Raum, um in Ruhe lernen zu können. Dagegen kann die Politik wenig tun. Ich bin damit einverstanden, dass die Schulen jetzt 130 Millionen Euro von Bund und Land bekommen, um damit Schülern ohne eigene Geräte ein Laptop oder Tablet zur Verfügung zu stellen. Es gibt auch Schüler, die solche Geräte aus Nachhaltigkeitsgründen ablehnen. Und es gibt Schüler, die ihre Aufgaben aus Faulheit nicht gemacht haben, es aber darauf schieben, dass sie keine Geräte hätten. Deshalb bin ich kritisch und sage nicht Hurra, ein Tablet für jeden Schüler.
Braucht es klare landesweite Vorgaben, wie Fernunterricht sein muss?
Jeder Schüler in Baden-Württemberg sollte die gleiche Chance haben, dieselben Kompetenzen in derselben Qualität zu erlernen. Das sollte nicht im Ermessen der Schule liegen, dafür braucht es Strukturen. Meine Vision ist, dass wir nicht ausschließlich Präsenzunterricht haben, sondern vielleicht zwei Tage die Woche auch Fernunterricht. Dafür bräuchte es gute Konzepte, die frühestens in fünf Jahren Alltag werden könnten.
Wurden Schüler in der CoronaZeit genügend gehört?
Ich habe ein hohes Verantwortungsbewusstsein der Landesregierung gesehen. Wie die Schulen aufgestellt sind, wie Lehrer es gehandhabt haben, war aber sehr unterschiedlich. Ich appelliere an alle, uns ins Boot zu holen – wir Schüler stehen bereit.
Es gab massive Proteste gegen Abschlussprüfungen in Corona-Zeiten. Nun gibt es bereits erste Rufe, etwa die Abi-Prüfungen wohlwollend zu bewerten. Sollte das passieren?
Die Meinungen waren sehr unterschiedlich. Ich fand es gut, dass die Prüfungen stattfanden. Es braucht eine Beurkundung, dass sich drei Jahre Stress und zum Teil schlaflose Nächte vor dem Abitur gelohnt haben. Prüfungen sind ein großer Punkt im Leben eines Schülers, das sollte anerkannt werden. Natürlich sollte zugunsten der Schüler bewertet werden. Man kann nicht erwarten, dass die Inhalte auf ähnlichem Niveau gelehrt und gelernt wurden wie durch Präsenzunterricht. Eine Korrektur des Schnitts nach oben könnte man rechtfertigen. Aber man sollte erstmal die Ergebnisse abwarten, bevor man nach Hilfe ruft.
Ist es ein guter Tag für die Grundschüler im Land, wenn sie ab Montag wieder ohne Abstandsgebot zur Schule gehen können?
Die Lockerungen sind jetzt schon sehr weitreichend. Gerade die ganz
Kleinen ohne Abstand in die Schule zu holen, halte ich für fragwürdig. Ich hätte bis nach den Sommerferien abgewartet.
Und der geplante Präsenzunterricht für alle nach den Sommerferien ohne Mindestabstände, ist dies das richtige Vorgehen?
Dazu habe ich noch keine Meinung, zumal es gerade ja wieder Nachrichten über Infektionsschübe in Deutschland gibt. Auch Dank der Lockerungen beim Reisen weiß ich nicht, ob es zu einer weiteren Welle kommt. Aber natürlich sehe ich ein Defizit an Unterricht.
Wie sollten sich die Schulen auf das nächste Schuljahr vorbereiten?
Ich halte es für sinnvoll, in den Hauptfächern die Stunden zu erhöhen. Wir sollten Nebenfächer ohne Prüfungsrelevanz runterfahren – in diesen etwa auf Hausaufgaben verzichten. In meinen Augen steigt der Druck, überall Leistung zu bringen. Irgendwann ist die Leistungskurve bei Schülern überschritten. Ich hielte es für nicht nachhaltiges Lernen, an allen Fächern wie im Stundenplan vorgesehen festzuhalten. Möglich wäre beispielsweise, sich auf die Hauptfächer und zwei Nebenfächer zur Wahl zu konzentrieren.
Noch gibt es Streit um eine Teststrategie für Schulen auf das Coronavirus. Wie sollte diese Ihrer Meinung nach aussehen?
Es sollte die Möglichkeit geben, viele Tests für die Schulen zu haben – zusätzlich zur Corona-App, die ich wärmstens empfehle.