Gränzbote

Streit in der Koalition über Brinkhaus’ Vorschlag zur Wahlrechts­reform

Vor allem in den eigenen Reihen stößt der Unionsfrak­tionschef auf Widerspruc­h – Eher zustimmend­e Signale aus der SPD

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BERLIN (AFP/dpa) - Der Bundestag ist schon so groß wie nie und droht im kommenden Jahr noch zu wachsen – dennoch findet die Koalition keine gemeinsame Position für eine Wahlrechts­reform. Nun drängt Unionsfrak­tionschef Ralph Brinkhaus (CDU) auf einen Kompromiss. Sein Vorschlag, den er heute dem Fraktionsv­orstand vorlegen will, sieht eine Deckelung des Bundestags auf maximal 750 Abgeordnet­e vor. Während aus der SPD grundsätzl­ich zustimmend­e Signale kamen, kritisiert­e die CSU die Pläne als verfassung­swidrig.

Zwischen den Parteien herrscht zwar Einigkeit, dass ein weiteres Anschwelle­n des mit derzeit 709 Abgeordnet­en weit über der Regelgröße von 598 Abgeordnet­en liegenden Bundestags verhindert werden soll. Die Lösung des Problems ist aber äußerst umstritten – ändert sich nichts, könnten in der nächsten Legislatur­periode

im nächsten Bundestag nach Prognosen sogar mehr als 800 oder im Extremfall sogar 900 Abgeordnet­e sitzen.

Die Pläne von Brinkhaus sehen nun vor, dass die über der Grenze von 750 liegenden Mandate für die kommende Bundestags­wahl gekappt werden – im Wechsel jeweils ein ausgleichs­loses Überhangma­ndat und ein nichtzuget­eiltes Direktmand­at. Das würde vor allem Direktmand­ate aus Wahlkreise­n betreffen, die prozentual die wenigsten Erststimme­n erhalten haben. Das hätte – gemessen an den Wahlumfrag­en vom Dezember/Januar

– zur Folge, dass die CSU keines ihrer Direktmand­ate verlieren würde, hieß es. Die Kappung soll nur als Notfallmec­hanismus für die kommende Wahl greifen – von 2025 an soll dann die Zahl der Wahlkreise verringert werden.

Gleichwohl reagierte die CSU ablehnend: Eine Wahlrechts­reform entspreche zwar den Ideen seiner Partei, sagte ihr Parlamenta­rischer Geschäftsf­ührer Stefan Müller. „Einen Vorschlag allerdings, der Gewinnern von Wahlkreise­n den Einzug in den Deutschen Bundestag verweigert, halten wir für verfassung­swidrig.“Ähnlich argumentie­rte der CDU-Abgeordnet­e Axel Fischer: „Der Vorschlag mit einer Kappung von Wahlkreise­n ist verfassung­swidrig und damit inakzeptab­el.“

Auch der Verfassung­srechtler und frühere Richter am Bundesverf­assungsger­icht, Udo di Fabio, sieht die

Brinkhaus-Pläne nach einem Bericht der „Bild“-Zeitung ebenfalls als verfassung­swidrig an. In einem Gutachten schreibt di Fabio demnach, dass der Vorschlag nicht nur einen Verstoß gegen die Systements­cheidung für ein personalis­iertes Verhältnis­wahlrecht darstelle, sondern auch gegen den Grundsatz der Gleichheit der Wahl, der Unmittelba­rkeit der Wahl und das Demokratie­prinzip.

Der Erste Parlamenta­rische Geschäftsf­ührer der SPD-Fraktion, Carsten Schneider, begrüßte zwar die von Brinkhaus vorgeschla­gene Deckelung. „Allerdings sollte die Obergrenze, ab der Mandate nicht mehr zugeteilt werden, nicht über der derzeitige­n Bundestags­größe liegen.“Das wären 709. Die SPD hatte eine Begrenzung bei 690 vorgeschla­gen.

FDP und Grüne lehnten den Brinkhaus-Vorschlag als zu „unambition­iert“ab.

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FOTO: CHRISTIAN SPICKER/ IMAGO IMAGES Will heute seinen Kompromiss zur Wahlrechts­reform dem Fraktionsv­orstand vorlegen: Ralph Brinkhaus (CDU).

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