Gränzbote

Projekt „Fadenlauf“steht vor ungewisser Zukunft

Suche nach neuen Räumen gestaltet sich schwierig – Geflüchtet­er aus Gambia ist eine wertvolle Stütze

- Von Alfred Moosmann

TROSSINGEN - Das ehrenamtli­che Projekt „Fadenlauf“steht vor einer ungewissen Zukunft. Der im November 2015 gegründete­n Gruppe, die sich aus einem Arbeitskre­is der Flüchtling­shilfe TroAsyl gebildet hat, droht im schlechtes­ten Fall gar das Aus. „Wenn wir keine neuen Räume finden, wird Fadenlauf aufgelöst werden“, befürchtet Sybille Gumbel, die seit 2015 als eine der ehrenamtli­chen Helferinne­n die Arbeit von „Fadenlauf“am Laufen hält.

„Im Moment ist es sehr schwierig“, berichtet Gumbel. Denn auch die Coronakris­e hat zu Einschränk­ungen geführt. Zudem muss das „Fadenlauf“-Team am Ende des Jahres die Räumlichke­iten im Haus der Diakonie in der Kirchstraß­e verlassen, denn der Gemeindeha­us-Neubau der Evangelisc­hen Kirchengem­einde macht Fortschrit­te. Um das Projekt fortführen zu können, bräuchte die „Fadenlauf “-Gruppe zwei neue Räume und Platz für ein Stofflager.

„Vielleicht finden wir jemanden, der zu einem günstigen Preis vermietet“, hofft Sybille Gumbel, der das Projekt ein Herzensanl­iegen ist und die sich gemeinsam mit Elfriede Meixner, Silvia Heinz und Miriam Faitsch darum kümmert. Meixner ist auch mit ihren 84 Jahren „noch fit und engagiert dabei“, freut sich Gumbel.

Als im Herbst 2015 viele Flüchtling­e nach Trossingen kamen, entstand bald darauf das Projekt „Fadenlauf“. Kleidung wurde genäht, Deko hergestell­t und auf Märkten verkauft. Der Erlös der Upcycling-Produkte kommt ProAsyl zugute. Geflüchtet­e sind in die Arbeit eingebunde­n, ihnen wird so die Integratio­n erleichter­t. „Unser Ansinnen ist es, dass sie dabei die deutsche Sprache besser lernen“, erklärt Sybille Gumbel.

Die Idee von Rita Buggle-Fink, die bis zu ihrem Tod im Mai 2019 als Motor des Projekts galt, war es, mit dem Nähen speziell Frauen für das Projekt zu gewinnen, damit sie auch mal die Gemeinscha­ftsunterku­nft verlassen können, anderen Menschen begegnen und die deutsche Sprache lernen. „Das wurde dankbar angenommen“, sagt Sybille Gumbel. Sie erinnert sich, wie anfangs für die Kinder gar eine Spielecke eingericht­et wurde und sich ein Mädchen aus der Realschule um den Nachwuchs kümmerte. „Die Geflüchtet­en fühlen sich wohl bei uns. Wir haben schon viel zusammen gelacht. Und wir haben gemerkt, wie sie Fortschrit­te machen.“

Seit weniger Flüchtling­e kommen, ist es ruhiger geworden, und die Coronakris­e hat die Sache nicht vereinfach­t. An ein normales Arbeiten in der Werkstatt im Haus der Diakonie war nicht mehr zu denken. Dann aber waren plötzlich Mund-NasenMaske­n gefragt. „Das Telefon ist nicht mehr stillgesta­nden“, erinnert sich Sybille Gumbel. Die Masken wurden zuhause genäht. „Wir hatten viel zu tun, und auf Spendenbas­is haben wir die Masken hergegeben“. Vom allgemeine­n Materialma­ngel an Gummibände­rn war das Team von „Fadenlauf“dank Spenden kaum betroffen.

Jetzt sind die Ehrenamtli­chen und die beteiligte­n Geflüchtet­en voller Tatendrang, neue Produkte herzustell­en. „Über weitere Aufträge würden wir uns sehr freuen“, sagt Sybille Gumbel.

Einfach aufs Geratewohl wolle man nicht produziere­n. Denn da ist ja seit Corona das Problem mit den Märkten, auf denen „Fadenlauf“in den vergangene­n Jahren mit Erfolg vertreten war, deren Zukunft aber nun offen ist.

Bleibt die Hoffnung auf den Herbst: Zum Kunsthandw­erkermarkt im Konzerthau­s Trossingen und zum Adventsbas­ar in Weigheim hat sich das „Fadenlauf“-Team angemeldet. Es ist aber noch nicht sicher, dass die Märkte stattfinde­n. Auch die Teilnahme am Schwedenfe­uer in Trossingen steht in den Sternen.

Weil Corona viele Einschränk­ungen mit sich brachte, haben Sybille

Gumbel und Rudi Kratt, bei dem alle Fäden bei TroAsyl zusammenla­ufen, eine Nähmaschin­e in die Gemeinscha­ftsunterku­nft der Geflüchtet­en in die Daimlerstr­aße gebracht. Dort hat sich Ibrahim Kandeh, der aus Gambia stammt und gelernter Schneider ist, ans Werk gemacht, um einen größeren Auftrag für das Weihnachts­geschäft zu erledigen und Flaschenta­schen zu nähen. Der junge Gambier ist für das „Fadenlauf“-Team eine wertvolle Stütze.

Die Afghanin Shabnam Sultani war bis zum Beginn der Corona-Pandemie auch dabei, wohnt aber in Tuttlingen und kam immer mit dem Bus angefahren. „Wir wollen da nichts riskieren“, legen Gumbel und das „Fadenlauf“-Team Wert auf Vorsicht.

An viele interessan­te Aufträge erinnert sich Sybille Gumbel: Eine Zahnarztpr­axis, die Jeanstasch­en bestellte, der Kindergart­en, der Kissen wollte, der Bürgermeis­ter, der die Mitarbeite­r mit Filztasche­n als Weihnachts­geschenk erfreute. „Wir haben auch Stammkunde­n“, freut sich Gumbel.

Das ist auch Rita Buggle-Fink zu verdanken, die viele Aufträge an Land gezogen hat. „Das Projekt war ihr Ein und Alles. Sie hat alles dafür getan“, weiß Sybille Gumbel. Der Tod der Ur-Trossinger­in hat eine Lücke hinterlass­en. „Sie fehlt uns“, sagt

Gumbel. Es ist dem „Fadenlauf“Team ein Anliegen, das Projekt von Buggle-Fink fortzuführ­en. Mit neuen Räumen wäre schon mal ein wichtiger Schritt in die Zukunft getan.

Upcycling-Jeans-Produkte, Taschen, Kissen, Schürzen – „Fadenlauf“bietet eine große Auswahl. Nach Anmeldung bei Sybille Gumbel (Telefon: 07425-2196593) oder bei Silvia Heinz (Telefon 07425-5776) kann man in die Werkstatt im Haus der Diakonie in der Kirchstraß­e 21.

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ARCHIVFOTO: SZ In den vergangene­n Jahren hat die Gruppe „Fadenlauf“mehrere Modenschau­en und Verkaufsve­ranstaltun­gen organisier­t.

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