„Männer, wir sind Dritter!“
Dank HSV-Patzer – Heidenheim steht trotz Niederlage erstmals in der Bundesligarelegation
BIELEFELD - Das Aufstiegsmärchen der Heidenheimer geht immer weiter. Trotz der 0:3 (0:2)-Niederlage gegen Arminia Bielefeld lebt der Traum von der Krönung der längsten Saison aller Zeiten, die für den FCH mit einem lockeren 13:2-Sieg beim oberschwäbischen Landesligisten FC Mengen begann. Das war bereits am 22. Juni 2019, ein erstes Testspiel. Mehr als ein Jahr später, am 27. Juni 2020, war diese denkwürdige Spielzeit immer noch nicht beendet. Über ein Jahr: Das ist im schnelllebigen Fußball-Geschäft eine lange Zeit. Dazwischen ist viel passiert beim
1. FC Heidenheim. Und sie geht noch weiter diese Saison, nach dem wohl denkwürdigsten Tag der Fußball-Geschichte, naja zumindest wohl der Zweitliga-Geschichte.
„Es ist surreal. Wir verlieren mit 0:3 und feiern den größten Erfolg der Vereinsgeschichte“, sagte ein gut aufgelegter aber aufgewühlter FCHVorstandsvorsitzender Holger Sanwald auf der Alm. Die ambivalente Gefühlswelt bei den Heidenheimern war zu spüren nach diesem Nachmittag, der seinesgleichen sucht. Die Heidenheimer applaudierten bei der Vergabe der Schale für den Meister und stehen nunmehr noch mehr im Fokus, spätestens jetzt im bundesweiten Fokus. „Das heute war der
34. Spieltag beim Tabellenführer. Unsere 55 Punkte haben wir uns über die gesamte Saison verdient. Daran sollte wir uns hochziehen. Vielleicht war es nicht verkehrt, vor dem Neuland Relegation zur Bundesliga, wenn die Uhren auf null gestellt werden, richtig einen auf den Sack zu bekommen“, befand FCH-Trainer Frank Schmidt anschließend.
Die surrealen (oder irrwitzigen) Stunden in Bielefeld (aber auch in Hamburg) hätten selbst die größten Fußballkenner nicht vorhersagen können. Die nüchternen Fakten: Der
1. FC Heidenheim verlor nach einer schwachen Leistung mit 0:3 beim souveränen Meister Arminia Bielefeld. Doch es gibt ja noch den Hamburger SV. Der verlor zeitgleich mit sage und schreibe 1:5 (0:2) gegen den längst geretteten SV Sandhausen. Wahnsinn! Wie letzte Woche, nur anders. Da schob sich der FCH dank eines Siegtreffers in der Nachspielzeit gegen den HSV erstmals auf den dritten Tabellenplatz der 2. Liga.
Die gravierende Folge nach der 0:3-Niederlage an diesem verrückten Sonntag: Der 1. FC Heidenheim spielt am Donnerstag (20.30 Uhr/ DAZN und Amazon) und am folgenden Montag in der Bundesliga-Aufstiegsrelegation! Nun kann man sagen: Der HSV war ja diesmal noch schlechter, verlor in der Vorwoche in Heidenheim (auch schon Wahnsinn, nur anders) und generell zweimal in der Saison gegen den FCH. Und der war nun immerhin der bessere der zwei Verlierer am finalen Spieltag, verbesserte sogar noch sein Torverhältnis gegenüber den Hamburgern und hielt den Ein-Punkt-Vorsprung nach diesem Herzschlagfinale. Ergo: Der FCH ist der verdiente Dritte.
Aber selbst die tollkühnsten Optimisten, die es ja auch im Fußball immer gibt, hätten sicherlich nicht damit gerechnet, dass es in dieser Saison noch einmal zu einem Duell mit Werder Bremen kommen könnte, nach dem Zweitrunden-DFB-PokalAus
am 30. Oktober 2019 in Bremen (1:4). „Ganz Deutschland schaut uns jetzt am Donnerstag in Bremen zu und denkt: Die bekommen jetzt die Hucke voll. Schauen wir mal!“, befand Sanwald.
Dabei sah es schon nach 25 Minuten im auf die Meisterfeier wartenden Bielefelder Stadion so aus, als ob Heidenheim nach Bremen reisen darf. Obwohl der FCH seine Lektion vom Meister bekam und 0:2 zurück lag, aber eben auch der HSV (0:2 gegen den SV Sandhausen).
Zuvor schien Heidenheim gut im Spiel. Nicht lange, zugegeben. Nachdem der Abschluss des Ex-Heidenheimers Andreas Voglsammer noch an den Pfosten klatschte, schlug Toptorjäger Fabian Klos eine Minute später zu. Nach einem Eckball. Marcel Hartel trat ihn, Klos stand zu frei und köpfte zum 1:0 ein (14.). Drei Minuten später stand Voglsammer zu frei und zirkelte den Ball zum 2:0 ein.
„Ich wollte gar nicht, aber unser Teammanager Alexander Raaf hat mich dann informiert, nachdem wir nach 17 Minuten 0:2 hinten lagen“, sagte Schmidt dazu, ob er Kenntnisstand vom Hamburger Spiel hatte. Den nächsten Heidenheimer nutzte Voglsammer nicht aus, vertändelte frei vor dem Tor (33.). Halbzeitpause, 0:2 für Heidenheim, 0:2 für Hamburg. Keine Änderung im Tabellenbild. Die zweite Halbzeit begann für den FCH wieder vielversprechend. Doch dann: Konter Bielefeld, wieder zu viel Platz für einen Arminen und Jonathan Clauss traf zum 3:0 (54.). Ein Pfostenschuss von Cebio Soukou (78.), das war es. Die Frage war, was macht der HSV, doch der machte überhaupt nichts und so hatte Heidenheim das Glück der Tüchtigen, wenn man die gesamte Saison sieht.
DFL-Chef Christian Seifert kam sogar vorbei, machte nach seinem Meisterschaftsbesuch am Samstag in Wolfsburg in Bielefeld Halt. Und applaudierte von der Tribüne. „Männer, wir sind Dritter!“, machte Sanwald fernab den drei vor ihm versammelten Journalisten am Spielfeldrand klar. Okay, es ist Fakt.