„Es gibt Wichtigeres als Hobbyfußball“
Nach dem Saisonabbruch durch den Württembergischen Fußballverband nehmen Trainer Stellung
Saison-Aus für den heimischen Fußball: Lösung stimmt nicht alle zufrieden.
TUTTLINGEN - Beim außerordentlichen Verbandstag des Württembergischen Fußballverbandes ist die Entscheidung gefallen, den seit 12. März ausgesetzten Spielbetrieb nicht wieder aufzunehmen. Wir haben uns beim WFV-Bezirk Schwarzwald wie auch bei Trainern betroffener Vereine umgehört, wie die Entscheidung des Verbands aufgenommen wurde.
Das Votum: 90 Prozent der Delegierten des Verbandstages stimmten auf die von Verbandsspielausschuss und Verbandsvorstand vorgeschlagene Variante, die Saison zum 30. Juni abzuschließen. Für den Alternativvorschlag, die Saison frühestens am 1. September weiterzuführen und die Meisterschaftsrunden regulär zu beenden, sprachen sich nur knapp zehn Prozent aus.
Die Beschlüsse: Die Meister und damit direkten Aufsteiger werden anhand der Quotienten-Regelung ermittelt, in dem die bisher erzielten Punkte durch die Anzahl der Spiele geteilt werden. Weitere Aufsteiger, insbesondere über Platzierungen, die üblicherweise zur Teilnahme an den Relegationsrunden berechtigen, wird es nicht geben. Zudem werden aus Billigkeitsgründen auch keine Absteiger ausgewiesen.
Matthias Harzer, Spielleiter des WFV-Bezirks Schwarzwald: „Das ist eine Lösung, mit der alle gut leben können. Wir brauchten eine Lösung. Diskutiert wurde, die Vorrundentabelle zu nehmen oder die Quotientenregelung. Mit der Entscheidung für die Quotientenregelung ist zumindest alles bewertet, was geschehen ist. Klar ist aber auch, dass es bei dieser Lösung Gewinner und Verlierer gibt.“
Und wie trifft es die Landesligisten aus dem Landkreis Tuttlingen mit der Entscheidung des WFV? Erst einmal positiv, da der Abstiegskampf mit dem Saisonabbruch auf kommende Saison verschoben und ausgesetzt wurde.
Landesliga Württemberg, Staffel 3
In der Landesliga steigt der FC Holzhausen (Quotient 2,25) unangetastet in die Verbandsliga auf. Für die beiden Landesligisten aus dem Kreis Tuttlingen ging es in der beendeten Saison um den Klassenerhalt. Dabei lagen die Mühlheimer in der Spielzeit 2019/20 in der Landesliga mit 17 Mannschaften eher im Soll als die Tuttlinger. In der kommenden Spielzeit werden 20 Mannschaften um den Auf- und gegen den Abstieg kämpfen. Dabei wird es wohl zwischen sechs bis acht Absteiger geben.
Der VfL Mühlheim belegte nach 19 Spielen Rang elf (Quotient 1,26). 40 geschossenen Toren stehen 37 Gegentreffer gegenüber. Die Mannschaft von Spielertrainer Maik Schutzbach verbuchte sechs Siege, sechs Unentschieden und sieben Niederlagen. VfL-Trainer Schutzbach zur Entscheidung des WFV, die Saison zu beenden: „Es war ein offenes Geheimnis und nur noch eine Formalität, dass die Saison beendet wird. Ich finde die Entscheidung richtig. Die Verantwortlichen beim WFV haben einen Riesenjob gemacht. Zum Ersten: Der Amateurfußball hat in diesen Zeiten eine soziale Verantwortung; es gibt Wichtigeres als Hobbyfußball. Zum Zweiten: Geisterspiele im Amateurfußball machen keinen Sinn. Für die Vereine entstünden dabei nur Kosten, aber keine Zuschauereinnahmen.“
Zum Thema verschärfter Abstiegskampf in der kommenden Saison sagt Schutzbach: „Der verschärfte Abstiegskampf ist mir egal. Mir macht nur die Belastung der Spieler durch die anstehenden 38 Spiele Sorgen. Wir verdienen mit dem Fußball immerhin nicht unser Geld. Das Pensum an Spielen ist kaum zu bewältigen.“Altmeister Kai Stelter wird aufhören. Neuzugänge wird es voraussichtlich einen geben. „Wir versuchen, verstärkt Spieler aus den eigenen Reihen zu setzen“, so Schutzbach.
Der SC 04 Tuttlingen (Quotient 1,06) rangiert nach 18 Spielen zum Saisonabbruch auf Rang 14. Sechs Siegen stehen ein Remis und elf Niederlagen gegenüber. 23 Tore erzielte die Mannschaft von Trainer Andreas Keller, 38 Gegentore ließ sie zu. Auch der SC-Coach begrüßt die Entscheidung
des Verbands, die Saison ad acta zu legen. „Das ist eine gute Lösung. Aber es ist auch klar, dass es keine Lösung geben konnte, die alle gleichermaßen zufrieden gestellt hätte. Von den Vereinen aus unserem Bezirk gab es 90 Prozent Zustimmung, auch wenn das für die Zweitplatzierten schade ist. Es ist trotzdem die beste Lösung.“
Kein Verständnis hingegen zeigt Keller für die Entscheidung des Bayrischen Fußballverbandes, die Rückrunde im September fortzusetzen, aber auf die Saison 2020/21 aus Termingründen zu verzichten. „Da würden die Teams wegen der Spielerwechsel mit komplett anderen Mannschaften die Rückrunde spielen. das ist auch eine Sache der Fairness.“Allerdings widerspricht der SC-Coach seinem Mühlheimer Kollegen, was die Belastung der Spieler bei 38 anstehenden Partien angeht. „Ich freue mich darauf. Wir werden dann die Trainingsintensität anpassen, da wir viele englische Wochen haben werden. Aber jeder Fußballer spielt gern. Deshalb sehe ich die Belastung nicht als Problem.“
Bezirksliga Schwarzwald
Die SpVgg Trossingen steigt in die Landesliga auf, der SV Bubsheim und SV Renquishausen halten die Klasse, der SV Gosheim ist Vierter.
Die SpVgg Trossingen (Quotient: 2,71, 46 Punkte, 56:17-Tore) wird nach einer überzeugenden Spielzeit als Meister aus der Bezirksliga Schwarzwald in die Landesliga aufsteigen. Im Kopf-an-Kopf-Rennen mit dem ebenfalls konstanten SV Villingendorf (Quotient: 2,53, 43 Punkte, 71:23 Tore) setzten sich die Musikstädter knapp durch. Noch vor dem Rückspiel am 15. März wurde die Saison unterbrochen. SpVgg-Trainer Andreas Probst, der im Januar nach dem überraschenden Rücktritt des Trainer-Duos Rosario Vetere und Giovanni Martinelli als Nachfolger übernommen hatte: „Wir haben uns riesig gefreut. Die Whats-App-Gruppe ist heiß gelaufen“, sagt er zu den ersten Reaktionen. Auch weil eine gemeinsame Feier noch nicht möglich sei, fehle es natürlich an Emotionen. In der Landesliga, Staffel 3 darf die Spielvereinigung mehreren Derbys entgegenfiebern.
Seit es die Auflagen gibt, hat Trossingen das Training wieder aufgenommen. Neben dem Vorbereitungsbeginn Mitte Juli sind auch Vorbereitungsspiele bis in den August vorgeplant.
Mit dem 21-jährigen Maximilian Pfau und dem 23-jährigen Vanja Velemirov sicherte sich Trossingen bereits zwei vielversprechende Neuzugänge: Torwart Pfau kommt vom Regionalligisten TSG Balingen. Pfau wechselte 2018 aus Schonach zur TSG. Gespielt hat der junge Schlussmann dort mehrfach für die zweite Mannschaft in der Landesliga. „Wir haben das Rennen um ihn gegen viele Vereine gewonnen“, freut sich sein Trainer und fügt hinzu: „Der Vorteil für uns war, dass er viele unserer Spieler aus seiner Jugend beim SV Zimmern kennt.“
Velemirov war in Serbien für mehrere höherklassige Clubs aktiv. In der abgebrochenen Saison bestritt der Innenverteidiger neun Partien für Bezirksligist SC Wellendingen, darunter auch die 0:2-Niederlage im August in Trossingen. Bis auf den berufsbedingten Abgang von Felix Raidt zum TV Darmsheim bleibt der SpVgg-Kader beisammen.
Die Mannschaft des SV Gosheim (Quotient: 1,88, 30 Punkte, 40:45 Tore) beendet die Saison auf Rang vier. Im Bezirkspokal, dessen Ausspielung noch offen ist, ist der SVG noch im Rennen. „Ich bin sehr zufrieden mit der Entwicklung der Mannschaft und auch der einzelnen Spieler. Das kann man auch an den geschossenen Toren sehen. Aber wir haben viele individuelle Fehler gemacht und leichte Tore kassiert. Daran müssen wir arbeiten“, fasst Spielertrainer Adem Sari zusammen. Er selbst steuerte in 14 Einsätzen 15 Treffer bei. Gemeinsam mit seinem Neffe Ali Sari bildet er auch kommende Saison das SVG-Trainergespann.
Das Training wurde im Aktivenbereich noch nicht wieder aufgenommen. „Der Jugendbereich trainiert aktuell probeweise und testet unter den Bedingungen“, bestätigt Sari, der selbst noch abwarten möchte und dann die Motivation der Spieler nutzen will, wenn eine neue Saison angekündigt wird. Der Spaß fehle seinen Jungs unter den jetzigen Bedingungen.
Auf die Heuberg-Derbys gegen den SV Bubsheim (Quotient: 0,5, 8 Punkte, 18:40 Tore) und den SV Renquishausen (Quotient: 0,53, 9 Punkte, 25:57 Tore) können sich die Gosheimer auch in Zukunft einstellen – trotz der Platzierung dieser Teams auf den letzten beiden Plätzen. Dass man den Klassenerhalt als Chance sieht und es besser machen will, darüber sind sich die Spielertrainer Paul Ratke, SV Bubsheim, und Marius Butz vom letztjährigen Aufsteiger aus Renquishausen einig. Beide leiten auch nächste Saison als Spielertrainer die Geschicke der Bezirksligisten. „Ich finde die Entscheidung des WFV am gerechtesten von allen. So sind die wenigsten Mannschaften beleidigt“, befürwortet Ratke die Beschlüsse des Verbands. Beim SVB sei „alles zusammengekommen“in den 16 absolvierten Spielen. In vielen engen Partien gingen die Blau-Weißen am Ende leer aus und blieben in den Abstiegskampf verwickelt. Fast die gesamte Hinrunde fehlte Stürmer Daniel Geisel verletzt.
Wie Ratke vermeldet, ist Andreas Messmer knapp ein Jahr nach seinem Kreuzbandriss zurück im Training. Dieses bestreiten die Bubsheimer, auch wenn „das spielnahe Training fehlt“, sagt Ratke zu den dennoch gut besuchten Einheiten.
Am SVB-Kader wird sich voraussichtlich nichts ändern. Renquishausen steht vor dem zweiten Bezirksliga-Jahr in Folge. „Es ist schade für den Fußball, wenn am grünen Tisch und nicht sportlich entschieden wird. Aber es hat uns gefreut, wir nehmen die Chance wahr, versuchen bei null anzufangen und die Erfahrung aus dem halben Jahr mitzunehmen“, bilanziert Butz, der 14 Treffer erzielte. Auch der SVR hält das Training einmal pro Woche aufrecht. Mit möglichen Neuzugängen sei man aktuell im Gespräch.