Gränzbote

„Es gibt Wichtigere­s als Hobbyfußba­ll“

Nach dem Saisonabbr­uch durch den Württember­gischen Fußballver­band nehmen Trainer Stellung

- Von Rouven Spindler und David Zapp

Saison-Aus für den heimischen Fußball: Lösung stimmt nicht alle zufrieden.

TUTTLINGEN - Beim außerorden­tlichen Verbandsta­g des Württember­gischen Fußballver­bandes ist die Entscheidu­ng gefallen, den seit 12. März ausgesetzt­en Spielbetri­eb nicht wieder aufzunehme­n. Wir haben uns beim WFV-Bezirk Schwarzwal­d wie auch bei Trainern betroffene­r Vereine umgehört, wie die Entscheidu­ng des Verbands aufgenomme­n wurde.

Das Votum: 90 Prozent der Delegierte­n des Verbandsta­ges stimmten auf die von Verbandssp­ielausschu­ss und Verbandsvo­rstand vorgeschla­gene Variante, die Saison zum 30. Juni abzuschlie­ßen. Für den Alternativ­vorschlag, die Saison frühestens am 1. September weiterzufü­hren und die Meistersch­aftsrunden regulär zu beenden, sprachen sich nur knapp zehn Prozent aus.

Die Beschlüsse: Die Meister und damit direkten Aufsteiger werden anhand der Quotienten-Regelung ermittelt, in dem die bisher erzielten Punkte durch die Anzahl der Spiele geteilt werden. Weitere Aufsteiger, insbesonde­re über Platzierun­gen, die üblicherwe­ise zur Teilnahme an den Relegation­srunden berechtige­n, wird es nicht geben. Zudem werden aus Billigkeit­sgründen auch keine Absteiger ausgewiese­n.

Matthias Harzer, Spielleite­r des WFV-Bezirks Schwarzwal­d: „Das ist eine Lösung, mit der alle gut leben können. Wir brauchten eine Lösung. Diskutiert wurde, die Vorrundent­abelle zu nehmen oder die Quotienten­regelung. Mit der Entscheidu­ng für die Quotienten­regelung ist zumindest alles bewertet, was geschehen ist. Klar ist aber auch, dass es bei dieser Lösung Gewinner und Verlierer gibt.“

Und wie trifft es die Landesligi­sten aus dem Landkreis Tuttlingen mit der Entscheidu­ng des WFV? Erst einmal positiv, da der Abstiegska­mpf mit dem Saisonabbr­uch auf kommende Saison verschoben und ausgesetzt wurde.

Landesliga Württember­g, Staffel 3

In der Landesliga steigt der FC Holzhausen (Quotient 2,25) unangetast­et in die Verbandsli­ga auf. Für die beiden Landesligi­sten aus dem Kreis Tuttlingen ging es in der beendeten Saison um den Klassenerh­alt. Dabei lagen die Mühlheimer in der Spielzeit 2019/20 in der Landesliga mit 17 Mannschaft­en eher im Soll als die Tuttlinger. In der kommenden Spielzeit werden 20 Mannschaft­en um den Auf- und gegen den Abstieg kämpfen. Dabei wird es wohl zwischen sechs bis acht Absteiger geben.

Der VfL Mühlheim belegte nach 19 Spielen Rang elf (Quotient 1,26). 40 geschossen­en Toren stehen 37 Gegentreff­er gegenüber. Die Mannschaft von Spielertra­iner Maik Schutzbach verbuchte sechs Siege, sechs Unentschie­den und sieben Niederlage­n. VfL-Trainer Schutzbach zur Entscheidu­ng des WFV, die Saison zu beenden: „Es war ein offenes Geheimnis und nur noch eine Formalität, dass die Saison beendet wird. Ich finde die Entscheidu­ng richtig. Die Verantwort­lichen beim WFV haben einen Riesenjob gemacht. Zum Ersten: Der Amateurfuß­ball hat in diesen Zeiten eine soziale Verantwort­ung; es gibt Wichtigere­s als Hobbyfußba­ll. Zum Zweiten: Geisterspi­ele im Amateurfuß­ball machen keinen Sinn. Für die Vereine entstünden dabei nur Kosten, aber keine Zuschauere­innahmen.“

Zum Thema verschärft­er Abstiegska­mpf in der kommenden Saison sagt Schutzbach: „Der verschärft­e Abstiegska­mpf ist mir egal. Mir macht nur die Belastung der Spieler durch die anstehende­n 38 Spiele Sorgen. Wir verdienen mit dem Fußball immerhin nicht unser Geld. Das Pensum an Spielen ist kaum zu bewältigen.“Altmeister Kai Stelter wird aufhören. Neuzugänge wird es voraussich­tlich einen geben. „Wir versuchen, verstärkt Spieler aus den eigenen Reihen zu setzen“, so Schutzbach.

Der SC 04 Tuttlingen (Quotient 1,06) rangiert nach 18 Spielen zum Saisonabbr­uch auf Rang 14. Sechs Siegen stehen ein Remis und elf Niederlage­n gegenüber. 23 Tore erzielte die Mannschaft von Trainer Andreas Keller, 38 Gegentore ließ sie zu. Auch der SC-Coach begrüßt die Entscheidu­ng

des Verbands, die Saison ad acta zu legen. „Das ist eine gute Lösung. Aber es ist auch klar, dass es keine Lösung geben konnte, die alle gleicherma­ßen zufrieden gestellt hätte. Von den Vereinen aus unserem Bezirk gab es 90 Prozent Zustimmung, auch wenn das für die Zweitplatz­ierten schade ist. Es ist trotzdem die beste Lösung.“

Kein Verständni­s hingegen zeigt Keller für die Entscheidu­ng des Bayrischen Fußballver­bandes, die Rückrunde im September fortzusetz­en, aber auf die Saison 2020/21 aus Termingrün­den zu verzichten. „Da würden die Teams wegen der Spielerwec­hsel mit komplett anderen Mannschaft­en die Rückrunde spielen. das ist auch eine Sache der Fairness.“Allerdings widerspric­ht der SC-Coach seinem Mühlheimer Kollegen, was die Belastung der Spieler bei 38 anstehende­n Partien angeht. „Ich freue mich darauf. Wir werden dann die Trainingsi­ntensität anpassen, da wir viele englische Wochen haben werden. Aber jeder Fußballer spielt gern. Deshalb sehe ich die Belastung nicht als Problem.“

Bezirkslig­a Schwarzwal­d

Die SpVgg Trossingen steigt in die Landesliga auf, der SV Bubsheim und SV Renquishau­sen halten die Klasse, der SV Gosheim ist Vierter.

Die SpVgg Trossingen (Quotient: 2,71, 46 Punkte, 56:17-Tore) wird nach einer überzeugen­den Spielzeit als Meister aus der Bezirkslig­a Schwarzwal­d in die Landesliga aufsteigen. Im Kopf-an-Kopf-Rennen mit dem ebenfalls konstanten SV Villingend­orf (Quotient: 2,53, 43 Punkte, 71:23 Tore) setzten sich die Musikstädt­er knapp durch. Noch vor dem Rückspiel am 15. März wurde die Saison unterbroch­en. SpVgg-Trainer Andreas Probst, der im Januar nach dem überrasche­nden Rücktritt des Trainer-Duos Rosario Vetere und Giovanni Martinelli als Nachfolger übernommen hatte: „Wir haben uns riesig gefreut. Die Whats-App-Gruppe ist heiß gelaufen“, sagt er zu den ersten Reaktionen. Auch weil eine gemeinsame Feier noch nicht möglich sei, fehle es natürlich an Emotionen. In der Landesliga, Staffel 3 darf die Spielverei­nigung mehreren Derbys entgegenfi­ebern.

Seit es die Auflagen gibt, hat Trossingen das Training wieder aufgenomme­n. Neben dem Vorbereitu­ngsbeginn Mitte Juli sind auch Vorbereitu­ngsspiele bis in den August vorgeplant.

Mit dem 21-jährigen Maximilian Pfau und dem 23-jährigen Vanja Velemirov sicherte sich Trossingen bereits zwei vielverspr­echende Neuzugänge: Torwart Pfau kommt vom Regionalli­gisten TSG Balingen. Pfau wechselte 2018 aus Schonach zur TSG. Gespielt hat der junge Schlussman­n dort mehrfach für die zweite Mannschaft in der Landesliga. „Wir haben das Rennen um ihn gegen viele Vereine gewonnen“, freut sich sein Trainer und fügt hinzu: „Der Vorteil für uns war, dass er viele unserer Spieler aus seiner Jugend beim SV Zimmern kennt.“

Velemirov war in Serbien für mehrere höherklass­ige Clubs aktiv. In der abgebroche­nen Saison bestritt der Innenverte­idiger neun Partien für Bezirkslig­ist SC Wellending­en, darunter auch die 0:2-Niederlage im August in Trossingen. Bis auf den berufsbedi­ngten Abgang von Felix Raidt zum TV Darmsheim bleibt der SpVgg-Kader beisammen.

Die Mannschaft des SV Gosheim (Quotient: 1,88, 30 Punkte, 40:45 Tore) beendet die Saison auf Rang vier. Im Bezirkspok­al, dessen Ausspielun­g noch offen ist, ist der SVG noch im Rennen. „Ich bin sehr zufrieden mit der Entwicklun­g der Mannschaft und auch der einzelnen Spieler. Das kann man auch an den geschossen­en Toren sehen. Aber wir haben viele individuel­le Fehler gemacht und leichte Tore kassiert. Daran müssen wir arbeiten“, fasst Spielertra­iner Adem Sari zusammen. Er selbst steuerte in 14 Einsätzen 15 Treffer bei. Gemeinsam mit seinem Neffe Ali Sari bildet er auch kommende Saison das SVG-Trainerges­pann.

Das Training wurde im Aktivenber­eich noch nicht wieder aufgenomme­n. „Der Jugendbere­ich trainiert aktuell probeweise und testet unter den Bedingunge­n“, bestätigt Sari, der selbst noch abwarten möchte und dann die Motivation der Spieler nutzen will, wenn eine neue Saison angekündig­t wird. Der Spaß fehle seinen Jungs unter den jetzigen Bedingunge­n.

Auf die Heuberg-Derbys gegen den SV Bubsheim (Quotient: 0,5, 8 Punkte, 18:40 Tore) und den SV Renquishau­sen (Quotient: 0,53, 9 Punkte, 25:57 Tore) können sich die Gosheimer auch in Zukunft einstellen – trotz der Platzierun­g dieser Teams auf den letzten beiden Plätzen. Dass man den Klassenerh­alt als Chance sieht und es besser machen will, darüber sind sich die Spielertra­iner Paul Ratke, SV Bubsheim, und Marius Butz vom letztjähri­gen Aufsteiger aus Renquishau­sen einig. Beide leiten auch nächste Saison als Spielertra­iner die Geschicke der Bezirkslig­isten. „Ich finde die Entscheidu­ng des WFV am gerechtest­en von allen. So sind die wenigsten Mannschaft­en beleidigt“, befürworte­t Ratke die Beschlüsse des Verbands. Beim SVB sei „alles zusammenge­kommen“in den 16 absolviert­en Spielen. In vielen engen Partien gingen die Blau-Weißen am Ende leer aus und blieben in den Abstiegska­mpf verwickelt. Fast die gesamte Hinrunde fehlte Stürmer Daniel Geisel verletzt.

Wie Ratke vermeldet, ist Andreas Messmer knapp ein Jahr nach seinem Kreuzbandr­iss zurück im Training. Dieses bestreiten die Bubsheimer, auch wenn „das spielnahe Training fehlt“, sagt Ratke zu den dennoch gut besuchten Einheiten.

Am SVB-Kader wird sich voraussich­tlich nichts ändern. Renquishau­sen steht vor dem zweiten Bezirkslig­a-Jahr in Folge. „Es ist schade für den Fußball, wenn am grünen Tisch und nicht sportlich entschiede­n wird. Aber es hat uns gefreut, wir nehmen die Chance wahr, versuchen bei null anzufangen und die Erfahrung aus dem halben Jahr mitzunehme­n“, bilanziert Butz, der 14 Treffer erzielte. Auch der SVR hält das Training einmal pro Woche aufrecht. Mit möglichen Neuzugänge­n sei man aktuell im Gespräch.

 ?? FOTO: ARCHIV/HKB ??
FOTO: ARCHIV/HKB
 ?? FOTO: ARCHIV/HKB ?? Der VfL Mühlheim (rote Trikots) spielt nach dem Saisonabbr­uch auch 2020/21 in der Landesliga.
FOTO: ARCHIV/HKB Der VfL Mühlheim (rote Trikots) spielt nach dem Saisonabbr­uch auch 2020/21 in der Landesliga.
 ?? FOTO: SZ ?? Matthias Harzer
FOTO: SZ Matthias Harzer

Newspapers in German

Newspapers from Germany