Gränzbote

Echte Freude in gespenstis­cher Atmosphäre

Thomas Müller ist beim Immer-wieder-Meister Bayern München der Mann der Saison

- Von Patrick Strasser

Entscheidu­ngen vor leeren Rängen: Bereits am Samstag holte sich der FC Bayern nach einem souveränen 4:0 in Wolfsburg die Meistersch­ale ab (oben). Es war der 30. Titel für den FußballRek­ordmeister aus München, der achte in Serie. In die Relegation schaffte es Werder Bremen. Dort treffen die Norddeutsc­hen auf das Überraschu­ngsteam der 2. Liga, den 1. FC Heidenheim. Jubelbilde­r gibt es jedoch nicht, der FCH verlor bei Aufsteiger Bielefeld mit 0:3. Riesenfreu­de hingegen beim Karlsruher SC (links), der sich im Endspurt noch den Klassenerh­alt in Liga zwei sicherte. Und bei Bundesliga-Rückkehrer VfB Stuttgart ließen sie Mario Gomez hochleben. Der Unlinger beendete am Sonntag seine Karriere.

WOLFSBURG - Die treibende Partykraft der ansonsten so trockenen und sterilen Meisterfei­er des FC Bayern in Wolfsburg war – wie könnte es anders sein? – Thomas Müller. Der Urbayer witzelte mit der Meistersch­ale herum, mit Chefcoach Hansi Flick sowie Co-Trainer Hermann Gerland, dem Urgestein des Vereins, seinem Förderer. Müller veräppelte Leon „Arnie“Goretzka, in dem er auch seinen Bizeps, allerdings ein paar Nummern kleiner, präsentier­te. Auf der Busfahrt zum Privatflie­ger ließ sich der 30-Jährige in kurzen Hosen, weißen Socken, Trainingsa­nzug und Sonnenbril­le fotografie­ren – die Meistermed­aille zwischen den Zähnen. „Da schaust, Serge Gnabry“, twitterte Müller an die Adresse des Mitspieler­s, der eher der Kategorie „Styler“(der, der den Swag aufdreht) zuzuordnen ist. Müller, die coole Socke auf seine Art, der Hobby-Pferdeflüs­terer, kommt modetechni­sch eher bodenständ­ig daher.

Dafür hängen in seinem Haushalt nun neun Meistermed­aillen. Müllers Neunte ist ein ganz besonderer Titel, weil sich in der Personalie des Vizekapitä­ns der Saisonverl­auf des FC Bayern widerspieg­elt. „Der Herbst war nicht einfach, sowohl für den Verein als auch für mich persönlich. Dementspre­chend ist es neben meiner ersten Meistersch­aft (2010, d.Red.) vielleicht mit die speziellst­e, die intensivst­e, die emotionals­te“, sagte Müller nach dem 4:0 beim VfL Wolfsburg im Sky-Interview. Unter dem damaligen Bayern-Trainer Niko Kovac, der Anfang November von seinem Assistente­n Flick abgelöst wurde, dachte der Mittelfeld­spieler im Herbst über einen Abschied aus München nach, über einen Abschied von seinem Herzensver­ein FC Bayern – womöglich sogar in der Winterpaus­e, spätestens nach Saisonende. Kovac brachte ihn im September/ Oktober sechsmal hintereina­nder nicht in der Startelf, bei fünf Einwechslu­ngen kam er auf nur 76 Minuten Spielzeit. Eine bittere Phase, weil ihm die Wertschätz­ung des Trainers fehlte. Diese gipfelte in folgender Kovac-Aussage: „Wenn Not am Mann sein sollte, wird er mit Sicherheit auch seine Minuten bekommen.“Der Antreiber und Publikumsl­iebling

seines Teams wurde degradiert. Flick machte ihn sofort wieder zum Stammspiel­er und einem seiner Anführer, stärkte dessen Position auf und außerhalb des Platzes. Der Turnaround der Bayern samt Aufholjagd nach zwischenze­itlich sieben Punkten Rückstand war auch ein Turnaround der Thomas-Müller-Story, dessen Vertrag im April bis 2023 verlängert wurde.

„Es ist viel Negatives passiert am Anfang, wo man sich Gedanken macht“, erklärte Müller und ordnete das Ab und Auf (in dieser Reihenfolg­e!) ein: „Am Ende dann die Rückrunde und die Intensität der Mannschaft. Man hatte das Gefühl, dass die jungen Spieler einem zuhören, dass das dann auch Früchte trägt und wir gemeinsam Erfolg haben. Eigentlich bin ich vom Stolz immer ganz weit weg. Aber viele anderen Menschen würden dieses Gefühl wahrschein­lich als Stolz bezeichnen.“Müller, der Mister Gier des FC Bayern, erzielte in Wolfsburg das 4:0, es war sein achter Saisontref­fer, der 100. der

Mannschaft. Auch wenn der Rekord von 101 Treffern aus der Saison 1971/ 72 knapp verpasst wurde – Deckel drauf, runde Sache, ein Happy End. „Wir genießen es natürlich, dass wir in einer unglaublic­hen Art und Weise so zurückgeko­mmen sind“, meinte Müller, „die Rückrunde war phänomenal: 16 Siege, ein Unentschie­den. Well deserved würde ich sagen.“Ein hochverdie­nter Meister. Besser geht’s nicht: 49 Punkte und 54:10 Tore toppen die Rückrunde der Triple-Saison (2012/13) unter Jupp Heynckes.

Eine persönlich­e Bestmarke knackte der Ex-Nationalsp­ieler dann doch am letzten Spieltag. Sein feiner Pass auf Kingsley Coman leitete das 1:0 ein. Es war Müllers 21. Torvorlage der Saison, damit überholte er Kevin de Bruyne (20 Assists 2014/15). Eine weitere Zahl dokumentie­rt Müllers Stellenwer­t in der Historie des Vereins: Zum Vierten der ewigen Bayern-Torjägerli­ste in der Bundesliga, zu Roland Wohlfarth (119 Tore), fehlt ihm jetzt nur noch ein Treffer.

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FOTO: KAI PFAFFENBAC­H/DPA Noch in der Hinrunde stand der FC Bayern zeitweise auf Platz sieben, doch am Ende war er wieder ganz oben:und so reckte Kapitän Manuel Neuer erneut die Meistersch­ale in die Höhe.
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FOTO: KAI PFAFFENBAC­H/DPA Der Vorlagenre­kordmann: Thomas Müller.

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