300 Millionen Euro vom Bund für Varta
Bund fördert Batteriezellfertigung in Ellwangen – Laut Altmaier darf Deutschland auf strategischen Feldern nicht ins Hintertreffen geraten
ELLWANGEN (dpa) - Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hat dem Batteriehersteller Varta einen Förderbescheid in Höhe von 300 Millionen Euro überreicht. Mit dem Geld will Varta die nächste Generation Lithium-Ionen-Zellen erforschen und eine Massenproduktion aufbauen. Deutschland wolle Autoland bleiben, sagte Altmaier am Dienstag in Ellwangen. Auch Baden-Württemberg und Bayern steuern Geld für das Vorhaben an den Standorten Ellwangen und Nördlingen bei.
ELLWANGEN - Varta ist Weltmarktführer bei den kleinen Lithium-Ionen-Batterien. Die Knopfzellen kommen zum Beispiel in schnurlosen Kopfhörern zum Einsatz. Jetzt will Varta die Erfolgsgeschichte fortschreiben und die Lithium-IonenTechnologie auf große Batteriezellen ausweiten. Ohne Förderung wäre das wohl auch gegangen. Aber mit den 300 Millionen Euro, die der Bund in den Batteriespezialisten von der Ostalb steckt, sei man schneller und könne im internationalen Wettbewerb besser bestehen, meint VartaChef Herbert Schein. Die Summe, die zum Teil von den Bundesländern kofinanziert wird, soll an den VartaStandorten Ellwangen und Nördlingen in die Bereiche Forschung und Entwicklung sowie „erste industrielle Anwendung“fließen.
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hat den Förderbescheid am Dienstag am Firmensitz in Ellwangen übergeben. Für den Minister steht fest: Der Standort Deutschland darf auf strategischen Feldern nicht ins Hintertreffen geraten – bei der künstlichen Intelligenz und der Digitalisierung sowie bei der Produktion von Batteriezellen auf einem immer größer werdenden Markt.
Genau genommen hat Altmaier zwei Förderbescheide übergeben. Der erste in Höhe von 198,5 Millionen Euro ist für den Varta-Standort Ellwangen bestimmt. Das Land BadenWürttemberg fördert kräftig mit, 60 Millionen Euro davon kommen aus Stuttgart. Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) bezeichnete das Varta-Projekt als Meilenstein für den Standort BadenWürttemberg.
Der Nutzen für die Region und das Land sei „gewaltig“. Varta will rund 1000 neue Arbeitsplätze schaffen. Dazu kommen weitere bei den Zulieferern der Region.
Der zweite Förderbescheid in Höhe von 101,5 Millionen Euro geht an den Varta-Standort Nördlingen. Der Freistaat Bayern beteiligt sich daran mit 30 Prozent. Der bayerische Wirtschaftsstaatssekretär Roland Weigert (Freie Wähler) erinnerte daran, dass VartaBatterien zuletzt 2018 an Bord der ISS auf Weltraummission waren. „Dieses Unternehmen ist ganz vorne dabei.“
Varta-Chef Schein freut sich, dass die Politik die Batterieindustrie als „zentrales Zukunftsfeld“erkannt hat.
Das Unternehmen habe schon früher Fördermittel für die Lithium-IonenForschung erhalten und daraus eine Massenproduktion aufgebaut. Bis Ende 2021 werde man allein dadurch eine Milliarde Euro Umsatz erwirtschaftet und die Fördergelder durch Steuern um das Fünffache zurückgezahlt haben. Kein schlechtes Geschäft für die Politik, wie Schein meinte.
Der Varta-Chef zeigte sich „sehr zuversichtlich, die Erfolge der Vergangenheit deutlich zu übertreffen“. Übrigens: Varta investiert Schein zufolge ebenfalls 300 Millionen.
Schein skizzierte, was Varta konkret erreichen will. So soll die Energiedichte der Lithium-Ionen-Zellen um 50 Prozent erhöht und die Technik auf große Zellenformate übertragen werden. Als Beispiel für künftige Anwendungen nannte er Energiespeicher, Roboter und fahrerlose Transportsysteme.
Des Weiteren soll die Lithium-Ionen-Technologie mit einer neuen Technologie für „sehr kurze“Ladezeiten kombiniert werden, die Varta derzeit entwickelt. Schließlich soll die Produktion der neuen Batterieformate auf einer neuen Pilot-Linie optimiert und zügig in die Massenproduktion überführt werden.
Für Altmaier wird die nächste Stufe der Batteriezellenfertigung in Deutschland gezündet und der nächste Schritt zur Großserie bei Batteriezellen für automobile und industrielle Anwendungen gemacht. Deutschland sei Autoland – und wolle es auch bleiben, betonte er.
Ladezeit, Leistung und Langlebigkeit der Batteriezelle sind für VartaChef Schein die entscheidenden Faktoren der nächsten Generation der Elektroautos. Durch das jetzige Projekt und mit Unterstützung der Automobilindustrie können sich ihm zufolge zusätzliche Chancen fürs Unternehmen ergeben. Varta-Großaktionär und Aufsichtsratsvorsitzender Michael Tojner ist sicher, dass in den kommenden zehn Jahren die deutsche und weltweite Automobilindustrie mit Batteriezellen von Varta ausgestattet sein wird.
Vom Kopfhörer über Schlagbohrer und Staubsauger bis hin zur Elektromobilität, Medizin- und Raumfahrtechnik und zum hybrid-elektrischen Fliegen: Altmaier zufolge hat sich der Bedarf batterieelektrischer Lösungen exponentiell entwickelt. Der Wirtschaftsminister will, dass bis zum Jahr 2030 ein Drittel des weltweiten Batteriebedarfs in Europa produziert wird.
Angesichts der Corona-Pandemie, die nach seinen Worten die Geschäftsmodelle vieler mittelständischer Unternehmen bedroht, und einer technologischen Entwicklung, die überall in der Welt stattfindet und an Geschwindigkeit zunimmt, verteidigte er eine strategische Industriepolitik, die „nicht anstößig“sein darf. Aber: „Manchmal muss man statt kleckern auch klotzen.“Deshalb habe der Bund die Mittel für die Batteriefertigung im Konjunkturpaket nochmals von 1,5 auf drei Milliarden Euro aufgestockt.