Gränzbote

Festnahmen im Missbrauch­sfall Münster

Durchsuchu­ngen in vier Bundesländ­ern, drei weitere Verdächtig­e in Haft – Kritik an Behörden

- Von Frank Christians­en

DÜSSELDORF (dpa) - Im Missbrauch­skomplex Münster sind am Dienstag 180 Beamte zu weiteren Durchsuchu­ngen in vier Bundesländ­ern ausgerückt. Drei Verdächtig­e seien dem Haftrichte­r vorgeführt und drei andere identifizi­ert worden, sagte NRW-Innenminis­ter Herbert Reul (CDU) in einer Sondersitz­ung mehrerer Landtagsau­sschüsse in Düsseldorf. Die Aktion habe in Nordrhein-Westfalen, Niedersach­sen, Hessen und Schleswig-Holstein stattgefun­den.

Es gehe um den Verdacht des schweren sexuellen Missbrauch­s von Kindern, teilten die Ermittler in Münster mit. Bei den Beschuldig­ten handelt es sich um einen 26-jährigen Mann aus Aachen und zwei 29 und 49 Jahre alte Männer aus Hannover. Gegen einen 29-jährigen Tatverdäch­tigen aus Heiligenha­us bei Essen, einen 36-Jährigen aus Langenhage­n (Niedersach­sen) und einen 52Jährigen aus Nordersted­t (Schleswig-Holstein) werden weitere Ermittlung­en geführt.

Der Aachener sei durch das bislang ausgewerte­te Videomater­ial und der Aussagen des zehnjährig­en Opfers in den Fokus der Ermittler gerückt. Er soll sich Anfang Mai in der Laube der Kleingarte­nanlage des 27jährigen Haupttäter­s in Münster aufgehalte­n und den Zehnjährig­en schwer sexuell missbrauch­t haben.

Insgesamt gebe es im Missbrauch­skomplex Münster nun 21 Verdächtig­e, von denen zehn in Haft seien. Dieser Fall des schweren sexuellen Missbrauch­s mehrerer Kinder war Anfang Juni bekannt geworden. Der 27 Jahre alte Hauptverdä­chtige war wegen Besitzes von Kinderporn­ografie zweifach vorbestraf­t und stand unter Bewährung. Er soll sich am zehnjährig­en Sohn seiner Lebensgefä­hrtin vergangen haben.

SPD-Abgeordnet­e kritisiert­en in Düsseldorf, es gebe nun mehrere Fälle in NRW, bei denen Behörden Hinweise nicht weitergege­ben hätten. Außerdem sei im Fall des Hauptverdä­chtigen von Münster ein Kind in großer Gefahr gewesen. Obwohl die Polizei bereits gegen den einschlägi­g vorbestraf­ten Pädophilen ermittelt habe, sei es in dieser Zeit zu brutalen Gruppenver­gewaltigun­gen des Kindes gekommen.

Bei dem Hauptverdä­chtigen handele es sich um einen IT-Administra­tor, der seine Datenträge­r hochprofes­sionell verschlüss­elt habe, sagte Reul. Aus wenigen unverschlü­sselten Dateien sei zunächst nur der Verdacht des Kinderporn­ografie-Besitzes, nicht des Missbrauch­s erkennbar gewesen.

Der NRW-Innenminis­ter berichtete, dass der erste Hinweis in der Sache - noch ohne konkreten Verdächtig­en – im Oktober 2018 aufgetauch­t sei, entdeckt bei anlassunab­hängiger Suche im Internet durch Mitarbeite­r des Landeskrim­inalamtes. Es sei aber nur um Kinderporn­ografie gegangen, und es seien noch 50 ähnliche Verfahren anhängig gewesen. Zudem habe es gedauert, die hochprofes­sionelle Verschlüss­elung weiterer Datenträge­r zu knacken.

Ein knappes Jahr später sei der spätere Hauptverdä­chtige in den Blick geraten. Im Mai 2019 sei bei ihm durchsucht worden. Dabei seien Hinweise entdeckt worden, dass seine Lebensgefä­hrtin einen zehnjährig­en Sohn hat. Es habe aber noch kein Missbrauch­sverdacht vorgelegen. „Da hätten bereits die Alarmglock­en angehen können“, räumte Reul ein.

Am 15. Mai dieses Jahres sei es schließlic­h gelungen, die aufwendige Verschlüss­elung des Laptops zu knacken. Als dort dann Hinweise auf sexuellen Missbrauch des Kindes gefunden wurden, sei binnen 48 Stunden gehandelt worden. Ein Vertreter des Justizmini­steriums ergänzte, der bloße Kinderporn­ografie-Verdacht sei nicht ausreichen­d gewesen, um die Bewährung des Mannes zu widerrufen und ihn zu inhaftiere­n.

„NRW ist nicht das Land des Bösen“, entgegnete NRW-Justizmini­ster Peter Biesenbach (CDU) auf die Vorwürfe. „Dass hier so viele Fälle bekannt werden, liegt vor allem an dem Ermittlung­saufwand, den wir inzwischen betreiben. Diese Netzwerke gibt es schon lange, diese Subkultur ist lange gewachsen.“

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FOTO: DPA Durchsuchu­ngen gab es auch in Aachen, dabei wurde ein 26-jähriger Mann festgenomm­en.
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FOTO: MARCEL KUSCH/DPA Diese Gartenlaub­e war einer der Tatorte des vermutlich­en Haupttäter­s im Missbrauch­skomplex Münster. Sie wurde inzwischen abgerissen.

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