Zu groß: Stadt ist gegen Immendinger Gewerbegebiet
Tuttlingen und Immendingen im Flächenkonflikt – Beck: „Das Verhältnis stimmt einfach nicht“
TUTTLINGEN/IMMENDINGEN – Die Gemeinde Immendingen will ihren Flächennutzungsplan ändern und im Umfeld der Daimler-Teststrecke ein weiteres Gewerbegebiet anlegen. Geplante Größe: 27,5 Hektar. Die Fläche schließt unmittelbar an das bestehende Areal „Donau-Hegau“an, gegenüber dem DaimlerTestgelände. Sollte es verwirklicht werden, muss die Gemeinde Wald im Umfang von umgerechnet 40 Fußballfeldern roden.
Weil das Vorhaben im Flächennutzungsplan ausgewiesen und von regionaler Bedeutung ist, werden im Verfahren auch die Nachbarn angehört – also auch die Stadt Tuttlingen. Und im Rathaus dort gibt es erhebliche Vorbehalte gegen den Plan. Schon im Technischen Ausschuss hatte Tuttlingens Oberbürgermeister Michael Beck diese Vorbehalte zusammengefasst: Er ärgert sich darüber, dass die Genehmigungsbehörde der Gemeinde Immendingen – das Landratsamt Tuttlingen – die Planung eines großen Gewerbegebiets zulässt, während die Stadt Tuttlingen große Probleme hat, eine ähnlich große Fläche von ihrer Genehmigungsbehörde, dem Regierungspräsidium (RP) Freiburg, absegnen zu lassen. Gemeint ist die Erweiterung vom Gänsäcker. Beck kritisiert, dass beide Landesbehörden unterschiedliche Maßstäbe anlegen: „Das Verhältnis stimmt einfach nicht!“In Zahlen: Die 6000-Einwohner-Kommune Immendingen will zusätzlich zu den mehr als 500 Hektar Daimler-Teststrecke weitere knapp 28 Hektar für Gewerbe freiräumen. Die 36 000-Einwohner-Stadt Tuttlingen muss um jeden einzelnen Hektar Gewerbefläche kämpfen.
In der Gemeinderatssitzung am Montag bekräftigte Beck seine Kritik nun. Dabei soll die Stellungnahme, die man nach Immendingen schicken möchte, diplomatisch formuliert werden: Die Kreisstadt bittet lediglich „um Überprüfung, ob die Gründe, Bedarf und Ausmaß der Änderung des Flächennutzungsplans (…) in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander stehen.“
Meist billigen Nachbargemeinden solche Pläne. Schon, um sich nicht in andere Angelegenheiten einzumischen. Aber Tuttlingen habe in ihrer Verwaltungsgemeinschaft Pläne von Nachbargemeinden befürwortet, die sie eigentlich hätte ablehnen sollen, so der OB. Als Beispiele führte er die Gewerbeansiedlungen in EmmingenLiptingen oder große Wohnbaugebiete in Seitingen-Oberflacht an.
Hintergrund: Das Land hat Tuttlingen zu einem Mittelzentrum erklärt, in dem Gewerbe- und Wohnbauansiedlungen vorzugsweise stattfinden sollen, damit solche Flächen mit der Gemeindegröße korrespondieren sollen. Ein typisches Beispiel für ein Missverhältnis ist das Gewerbegebiet von Bad Dürrheim, das für die Kurstadt eigentlich viel zu groß ist – ein Sündenfall der Vergangenheit, den die Nachbarn seinerzeit auch nicht verhindert haben, um die guten Beziehungen untereinander nicht zu gefährden.
In Sachen „Donau-Hegau“will der OB („früher haben wir alles zugelassen“) seine Ablehnung nun wenigstens zu Protokoll geben, auch wenn er weiß, dass der Tuttlinger Widerspruch das Gewerbegebiet wohl nicht verhindern wird.
Im Gemeinderat, dem die geplante Stellungnahme zur Kenntnis gegeben wurde, fielen die Meinungen unterschiedlich aus. Heidi Mattheß (LBU) sprach von einer „merkwürdigen Entwicklung“und meinte, sie „könne es nicht fassen“, dass neben dem Testareal noch einmal 27,5 Hektar Wald wegfallen sollen. Nun sei „eine Grenze erreicht.“Franz Schilling (CDU) wiederum wollte kein Problem erkennen – die Gemeinde Immendingen „strenge sich an“, Gewerbe anzusiedeln – „wieso sollten wir das ablehnen?“Die Gemeinde donauaufwärts mache es doch im übrigen richtig, mit solchen Flächen aus dem belasteten Tal auf die Hochfläche zu gehen. Klaus Cerny (SPD) lag zwischen Ablehnung und Zustimmung – doch auch er wies darauf hin, dass dort „bester“Waldbestand geopfert werden solle. Andererseits habe es „noch nie eine so kritische Stellungnahme seitens der Stadt“an eine Nachbarkommune gegeben. Abstimmen musste der Gemeinderat nicht, weil das Thema auf Ebene der Verwaltungen diskutiert wird. Und da „wollen wir uns“, so Beck, „zu Wort melden.“