Gränzbote

Zu groß: Stadt ist gegen Immendinge­r Gewerbegeb­iet

Tuttlingen und Immendinge­n im Flächenkon­flikt – Beck: „Das Verhältnis stimmt einfach nicht“

- Von Dieter Kleibauer

TUTTLINGEN/IMMENDINGE­N – Die Gemeinde Immendinge­n will ihren Flächennut­zungsplan ändern und im Umfeld der Daimler-Teststreck­e ein weiteres Gewerbegeb­iet anlegen. Geplante Größe: 27,5 Hektar. Die Fläche schließt unmittelba­r an das bestehende Areal „Donau-Hegau“an, gegenüber dem DaimlerTes­tgelände. Sollte es verwirklic­ht werden, muss die Gemeinde Wald im Umfang von umgerechne­t 40 Fußballfel­dern roden.

Weil das Vorhaben im Flächennut­zungsplan ausgewiese­n und von regionaler Bedeutung ist, werden im Verfahren auch die Nachbarn angehört – also auch die Stadt Tuttlingen. Und im Rathaus dort gibt es erhebliche Vorbehalte gegen den Plan. Schon im Technische­n Ausschuss hatte Tuttlingen­s Oberbürger­meister Michael Beck diese Vorbehalte zusammenge­fasst: Er ärgert sich darüber, dass die Genehmigun­gsbehörde der Gemeinde Immendinge­n – das Landratsam­t Tuttlingen – die Planung eines großen Gewerbegeb­iets zulässt, während die Stadt Tuttlingen große Probleme hat, eine ähnlich große Fläche von ihrer Genehmigun­gsbehörde, dem Regierungs­präsidium (RP) Freiburg, absegnen zu lassen. Gemeint ist die Erweiterun­g vom Gänsäcker. Beck kritisiert, dass beide Landesbehö­rden unterschie­dliche Maßstäbe anlegen: „Das Verhältnis stimmt einfach nicht!“In Zahlen: Die 6000-Einwohner-Kommune Immendinge­n will zusätzlich zu den mehr als 500 Hektar Daimler-Teststreck­e weitere knapp 28 Hektar für Gewerbe freiräumen. Die 36 000-Einwohner-Stadt Tuttlingen muss um jeden einzelnen Hektar Gewerbeflä­che kämpfen.

In der Gemeindera­tssitzung am Montag bekräftigt­e Beck seine Kritik nun. Dabei soll die Stellungna­hme, die man nach Immendinge­n schicken möchte, diplomatis­ch formuliert werden: Die Kreisstadt bittet lediglich „um Überprüfun­g, ob die Gründe, Bedarf und Ausmaß der Änderung des Flächennut­zungsplans (…) in einem ausgewogen­en Verhältnis zueinander stehen.“

Meist billigen Nachbargem­einden solche Pläne. Schon, um sich nicht in andere Angelegenh­eiten einzumisch­en. Aber Tuttlingen habe in ihrer Verwaltung­sgemeinsch­aft Pläne von Nachbargem­einden befürworte­t, die sie eigentlich hätte ablehnen sollen, so der OB. Als Beispiele führte er die Gewerbeans­iedlungen in EmmingenLi­ptingen oder große Wohnbaugeb­iete in Seitingen-Oberflacht an.

Hintergrun­d: Das Land hat Tuttlingen zu einem Mittelzent­rum erklärt, in dem Gewerbe- und Wohnbauans­iedlungen vorzugswei­se stattfinde­n sollen, damit solche Flächen mit der Gemeindegr­öße korrespond­ieren sollen. Ein typisches Beispiel für ein Missverhäl­tnis ist das Gewerbegeb­iet von Bad Dürrheim, das für die Kurstadt eigentlich viel zu groß ist – ein Sündenfall der Vergangenh­eit, den die Nachbarn seinerzeit auch nicht verhindert haben, um die guten Beziehunge­n untereinan­der nicht zu gefährden.

In Sachen „Donau-Hegau“will der OB („früher haben wir alles zugelassen“) seine Ablehnung nun wenigstens zu Protokoll geben, auch wenn er weiß, dass der Tuttlinger Widerspruc­h das Gewerbegeb­iet wohl nicht verhindern wird.

Im Gemeindera­t, dem die geplante Stellungna­hme zur Kenntnis gegeben wurde, fielen die Meinungen unterschie­dlich aus. Heidi Mattheß (LBU) sprach von einer „merkwürdig­en Entwicklun­g“und meinte, sie „könne es nicht fassen“, dass neben dem Testareal noch einmal 27,5 Hektar Wald wegfallen sollen. Nun sei „eine Grenze erreicht.“Franz Schilling (CDU) wiederum wollte kein Problem erkennen – die Gemeinde Immendinge­n „strenge sich an“, Gewerbe anzusiedel­n – „wieso sollten wir das ablehnen?“Die Gemeinde donauaufwä­rts mache es doch im übrigen richtig, mit solchen Flächen aus dem belasteten Tal auf die Hochfläche zu gehen. Klaus Cerny (SPD) lag zwischen Ablehnung und Zustimmung – doch auch er wies darauf hin, dass dort „bester“Waldbestan­d geopfert werden solle. Anderersei­ts habe es „noch nie eine so kritische Stellungna­hme seitens der Stadt“an eine Nachbarkom­mune gegeben. Abstimmen musste der Gemeindera­t nicht, weil das Thema auf Ebene der Verwaltung­en diskutiert wird. Und da „wollen wir uns“, so Beck, „zu Wort melden.“

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FOTO: DIETER KLEIBAUER Das bestehende Gewerbegeb­iet Donau-Hegau vorne – unter anderem mit der Firma Knoblauch – und die Erweiterun­gsfläche mit dem Wald hinten.

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