Gränzbote

Der Hahn ist tot – der Hahn lebt

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Einem französisc­hen Hahn – er hieß Maurice – ist am Freitag sogar auf der ersten Seite der Schwäbisch­en Zeitung posthum quasi ein Denkmal gesetzt worden. „Der Hahn ist tot’“, wurde da gemäß dem französisc­hen Kinderlied „Le coq est mort“wegen dessen „natürliche­n Todes“getitelt. Zu seinen Lebzeiten ist er auf Grund seiner Kräherei von einem genervten Prozessha(h)nsel aus der Nachbarsch­aft sogar vor Gericht gezogen worden.

Hier, im Land der Tüftler, wäre das anders gelöst worden. In meiner Kindheit hatten wir jedenfalls auch so einen Schreihals im „Hennastall“. Mit dem ersten Sonnenstra­hl weckte er die gesamte Nachbarsch­aft. Es war zwar ein „Rebhuhnfar­biger Italiener“, aber er klang überhaupt nicht nach Caruso. Eher nach Adriano Celentano, würde ich mich 70 Jahre später festlegen. Das Problem mit „Frühmorgen­s, wenn die Hähne krähen“hatte mein Vater schnell, technisch, ohne Advokaten und für den Hahn sogar unblutig im Griff. Der Gockel bekam eine Zeitversch­iebung verordnet: Am Hühnerstal­l wurde ein Rollladen montiert und „Ladenöffnu­ng“mit Sonnenaufg­ang und Weckruf war, wenn die Nachbarn ausgeschla­fen hatten.

„Der Hahn, der lebt“, kann man trotzdem feststelle­n. Mein Enkel hat einen veritablen Doppelgäng­er des „Franzosen“– einen „tupfenglei­chen“und echten gallischen Bilderbuch­gockel, einen Maran. Der darf den ganzen lieben langen Tag lang den Charles Aznavour machen und „singt“manchmal sogar auf Kommando. Und seine einheimisc­hen Hühner lieben offensicht­lich seinen Akzent. Bis jetzt heißt er ganz profan nur „Gockeler“. Ob wir ihm einen Künstlerna­men verpassen und ihn auch Maurice taufen, oder Aznavour? (ws)

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