Betrug bei Corona-Hilfen
Behörden ermitteln auch im Südwesten und in Bayern
BERLIN/RAVENSBURG (dpa/sisc) Im Zusammenhang mit Corona-Soforthilfen untersuchen Ermittler bundesweit Tausende Verdachtsfälle. Insgesamt befassen sie sich mit mindestens 5100 Fällen wegen des Verdachts auf Subventionsbetrug, Geldwäsche, Fälschung beweiserheblicher Daten oder des Ausspähens von Daten, wie dpa-Recherchen von Anfang Juli ergaben.
Auch im Südwesten haben Betrüger die Corona-Soforthilfen ausgenutzt. Laut baden-württembergischem Landeskriminalamt (LKA) ist die Zahl der Betrugsfälle zweistellig – circa 70 Fälle seien bekannt. Zum entstandenen Schaden konnte das LKA keine Auskünfte geben. In Bayern hingegen sagte ein LKA-Sprecher der „Schwäbischen Zeitung“, der Schaden wegen Betrugs bei den Soforthilfen belaufe sich auf etwa 1,3 Millionen Euro im Freistaat. Von den Behörden seien rund 370 Fälle von Subventionsbetrug gemeldet worden.
- Gleich zum Prozessauftakt legt eder 31- jährige Gebäude reinigungs unternehmer ein Geständnis ab. Ja, er habe 35 000 Euro an CoronaSoforthilfen für Kleinfirmen mit bis zu zehn Mitarbeitern zu Unrecht bekommen, gab er sich vor dem Amtsgericht Berlin-Tiergarten reumütig. Es war einer der ersten Strafprozesse wegenSubvent ions betrugs beider Corona-Soforthilfe.
Am 31. März stellte er auf der Homepage der Investitionsbank Berlin einen Antrag. Schon einen Tag später hatte er 5000 Euro auf dem Konto. Er war „erstaunt, dass es so schnell und unbürokratisch“ging, zitierte ihn die „Berliner Zeitung“. Also gründete er zum Schein weitere Firmen und stellte für jede einen Antrag. Doch eine Bank schöpfte Verdacht und kontaktierte die Staatsanwaltschaft.
Nach Aussagen seines Verteidigers hat es die Senats wirtschaftsverwaltung seinem Mandanten schlicht zu einfach gemacht. „Schnell auszahlen, später kontrollieren“, habe der Bund als Motto ausgegeben, verteidigte der Berliner Finanzsenator MatthiasKol latz( SPD) die Verwaltung. Inzwischen spricht das Landeskriminalamt von etwa 1000 Ermittlungs fällen allein in Berlin.
Wie viele Fälle gibt es?
Mindestens 5100 Verdachtsfälle auf Betrug, ergab eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur bei den Länderbehörden. Es existieren keine BundesZahlen, weil für die Ermittlungen die Polizeibehörden und Staatsanwaltschaften der Länder zuständig sind. Zudem machte Nordrhein-Westfalen gar keine Angaben. Ein Anhaltspunkt sind Zahlen der Financial Intelligence Unit (FIU), der Zentralstelle zur Aufdeckung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung, die zum Zoll gehört: Bei ihr gingen in den vergangenen drei Monaten 6000 Meldungen mit Hinweisen auf das betrügerische Erlangen von CoronaSoforthilfe ein.
Die Betrüger machen etwa falsche Angaben zu ihrer Situation oder setzen die ausgezahlten Gelder nicht sachgerecht ein. Einige Unternehmen, für die Gelder beantragt werden, existieren gar nicht oder sind bereits lange insolvent. Andere beantragen die Hilfen mehrfach. Manch einer nannte eine fremde Firma, gab aber die eigenen Kontodaten an. Andere versuchten, mit den Daten anderer Menschen an die Hilfen zu kommen – via Internet- oder Telefonbetrug oder auch über Trickdiebstahl an der Haustür. Mehrfach wurde versucht, mithilfe sogenannter Fake-Seiten,
die meist offizielle OnlineAuftritte imitieren, an Daten zu gelangen.
Wie fliegt der Betrug auf?
Auf ganz unterschiedliche Weise. Oft stellen die Bewilligungsbehörden – häufig die Förderbanken der Bundesländer – Unstimmigkeiten im Antrag fest. Manchmal melden die Banken, bei denen die Antragsteller ihr Konto haben, dass ihr Kunde keinen Anspruch auf die Gelder hat, etwa weil er schon lange insolvent ist. In anderen Fällen meldeten sich Bürger bei Behörden, weil sie vermuteten,
Nachbarn hätten die Hilfen zu Unrecht erhalten.
Welche Strafen drohen?
Das hängt davon ab, welche Straftat vorliegt. Möglich sind Subventionsbetrug, Geldwäsche, Fälschung beweiserheblicher Daten und/oder Ausspähen von Daten. Je nachdem drohen Geld- und unter Umständen auch Freiheitsstrafen, in besonders schweren Fällen bis zu zehn Jahre.
Wie wird versucht, den Betrug zu verhindern?
Beim Bewilligen der Anträge sollte es schnell gehen, weil viele Kleinunternehmer in großer Not waren. Nach Bekanntwerden der ersten Fälle wurde nachgebessert: Die Prüfverfahren oder die Zahl der stichprobenartigen Überprüfungen wurden ausgebaut. Gleichzeitig machten Polizei und Bewilligungsstellen falsche Internetseiten publik und warnten zum Beispiel in den sozialen Medien vor den Tricks. FakeSeiten wurden abgeschaltet, ausgezahlte Hilfen sichergestellt. Auch prüfen die Finanzämter in 2021 bei der Steuererklärung, ob die Soforthilfen rechtmäßig beantragt wurden.