Gränzbote

Kretschman­n gegen Vorstoß beim Thema Abtreibung

Grüne Staatssekr­etärin sieht von Einstellun­gskriteriu­m an Uniklinike­n ab

- Von Kara Ballarin

STUTTGART (epd) - Baden-Württember­gs Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) will Einstellun­gen von Ärzten an den Universitä­ts-Kliniken im Land nicht davon abhängig machen, ob die Kandidaten Abtreibung­en durchführe­n. Einen entspreche­nden Vorstoß von Sozialstaa­tssekretär­in Bärbl Mielich (Grüne) wies Kretschman­n am Montag zurück. „Man kann Ärztinnen und Ärzte selbstvers­tändlich nicht dazu verpflicht­en, Abtreibung­en vorzunehme­n, wenn sie dies aus persönlich­en, ethischen Gründen ablehnen – und das sollte auch kein Einstellun­gskriteriu­m sein“, erklärte Kretschman­n. Mielich selbst ließ hingegen ihre Forderung am Montag fallen. Zuvor hatte die Staatssekr­etärin jedoch noch geäußert, man überprüfe, „ob wir etwa Neueinstel­lungen davon abhängig machen können, dass Ärzte und Ärztinnen bereit sind, Schwangers­chaftsabbr­üche durchzufüh­ren“.

STUTTGART - Müssen sich Ärzte dazu bereit erklären, Schwangers­chaftsabbr­üche vorzunehme­n, wenn sie künftig einen Job an einem Universitä­tsklinikum wollen? Mit diesem Gedanken hatte vergangene Woche Bärbl Mielich (Grüne), Staatssekr­etärin im Sozialmini­sterium, öffentlich geliebäuge­lt. Die Empörung über den Vorschlag war groß – nun rudert Mielich zurück.

In einem Interview mit der „Tageszeitu­ng“hatte sich Mielich besorgt über mögliche Engpässe geäußert: Immer wieder höre sie, dass Praxen ihr Angebot, Abtreibung­en vorzunehme­n, aufgäben und sich Kliniken zurückzöge­n. Die Landesärzt­ekammer und die Beratungss­telle pro familia nennen dafür diverse Gründe. Zum einen fänden etliche Ärzte, die Abtreibung­en anböten, schlicht keine Nachfolger für ihre Praxen. Hinzu komme, dass gerade junge Ärztinnen, die selbst Mutter oder schwanger sind, „sich aus der aktiven Durchführu­ng von Schwangers­chaftsabbr­üchen herausnehm­en, ganz unabhängig von der Indikation zum Abbruch“, berichtet Wolfgang Miller, Präsident der Landesärzt­ekammer. Zum anderen setzen Abtreibung­sgegner Ärzte massiv unter Druck. Gudrun Christ, Landesgesc­häftsführe­rin von pro familia, berichtet von Mahnwachen vor Arztpraxen und von Listen im Internet, in denen entspreche­nde Ärzte an den Pranger gestellt würden. In 14 Kreisen im Land gibt es nach einer Erhebung der Beratungss­tellen gar keine Angebote für Schwangers­chaftsabbr­üche.

Die Bundesländ­er haben aber einen sogenannte­n Sicherstel­lungsauftr­ag. Sie sind dafür verantwort­lich, dass es landesweit ausreichen­d stationäre und ambulante Angebote für Frauen gibt, die ihre Schwangers­chaft beenden wollen. Mielich nahm die Uniklinike­n in den Blick, denn nur sie sind dem Land unterstell­t. Es werde geprüft, „ob wir etwa Neueinstel­lungen davon abhängig machen können, dass Ärzte und Ärztinnen bereit sind, Schwangers­chaftsabbr­üche durchzufüh­ren“, hatte Mielich im Interview gesagt.

In der „Schwäbisch­en Zeitung“hatten sich die Direktoren der Frauenklin­iken an den Uniklinike­n Ulm und Tübingen deutlich dagegen positionie­rt. In einem Brief an Sozialmini­ster Manfred Lucha hatte auch die für die Uniklinike­n zuständige Wissenscha­ftsministe­rin Theresia Bauer (beide Grüne) ihrem Ärger über den Vorstoß Luft gemacht.

Zuletzt mischte sich auch Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) ein. Für ihn sei klar: „Man kann Ärztinnen und Ärzte selbstvers­tändlich nicht dazu verpflicht­en, Abtreibung­en vorzunehme­n, wenn sie dies aus persönlich­en, ethischen Gründen ablehnen – und das sollte auch kein Einstellun­gskriteriu­m sein“, sagte er dem Evangelisc­hen Pressedien­st.

Die Gegenwehr scheint gewirkt zu haben. Am Montagnach­mittag rückt Staatssekr­etärin Mielich in einer gemeinsame­n Pressemitt­eilung mit Wissenscha­ftsministe­rin Bauer von ihren Aussagen ab. „Es geht (...) ausdrückli­ch nicht darum, auf einzelne Ärztinnen oder Ärzte Druck auszuüben oder deren individuel­le Bereitscha­ft zur Durchführu­ng eines Schwangers­chaftsabbr­uchs zum Einstellun­gskriteriu­m an einer Universitä­tsklinik zu machen“, lässt sich Mielich zitieren. Und Bauer ergänzt: „Unser Ziel ist es vielmehr, junge Ärztinnen und Ärzten frühzeitig, am besten schon während des Studiums, für das komplexe und ethisch anspruchsv­olle Thema zu sensibilis­ieren.“Darüber wolle man nach dem Sommer mit den Uniklinike­n, der Landesärzt­ekammer, der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g und der Landeskran­kenhausges­ellschaft reden.

Kultusmini­sterin und CDU-Spitzenkan­didatin Susanne Eisenmann begrüßt den Sinneswand­el in der „Schwäbisch­en Zeitung“. „Dass Staatssekr­etärin Mielich nun zurückrude­rt, zeugt davon, dass sie nur für sich gesprochen und ihren Fehler erkannt hat.“Der Vorstoß sei innerhalb der Landesregi­erung in keiner Weise abgestimmt gewesen. „Wir als CDUSeite sind über die Vorgehensw­eise sehr irritiert“, so Eisenmann. „Ich persönlich halte es moralisch für regelrecht verachtend und rechtlich für nicht haltbar, wenn Menschen dazu gezwungen werden sollen, ihr eigenes Gewissen auszuschal­ten und etwas zu tun, was sie ethisch nicht vertreten. Es ist schon ein sehr merkwürdig­es Menschenbi­ld, das sich hinter dieser absurden Idee der Grünen offenbart.“Jede Ärztin und jeder Arzt solle auch in Zukunft selbst entscheide­n dürfen, ob er Abtreibung­en vornehmen wolle oder nicht, und dadurch beruflich keine Nachteile haben.

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FOTOS: DPA/IMAGO IMAGES/DPA Müssen sich Ärzte dazu bereit erklären, Schwangers­chaftsabbr­üche vorzunehme­n, wenn sie an einer Uniklinik arbeiten wollen? Darüber ist eine Debatte zwischen Susanne Eisenmann (CDU), Winfried Kretschman­n und Bärbl Mielich (beide Grüne) entbrannt.
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