Gränzbote

Herbstzeit­lose ist Problem für Landwirte

Neben Blume sind auch Ausgleichs­maßnahmen schwierig - beschwert sich ein Ehepaar

- Von Gabriel Bock

WEHINGEN - Ein Teil des Hofes von Katja und Konstantin Löffler liegt verwaist da. Wo eigentlich Pferde stehen sollten und Kinder im Kreis reiten könnten, regt sich nur wenig. Zwischen den Pflasterst­einen wächst Gras, in den Boxen stehen ein paar Mopeds. „Das hätte eigentlich unser zweites Standbein sein sollen“, erklärt Katja Löffler mit Blick auf die leeren Pferdestäl­le und aufgelasse­nen Reitanlage­n.

Die Löfflers bewirtscha­ften einen der Steighöfe, vor zwei Jahren haben sie den Reitstall geschlosse­n. Die Reithalle dient jetzt als Garage für Maschinen, im Auslauf der Pferdeboxe­n lagert Silage für Milchkühe. Der Grund dafür: Eine kleine Blume, die Herbstzeit­lose.

Die Pflanze mit den violetten Blüten sieht dem Krokus zum Verwechsel­n ähnlich. Im Herbst tüpfeln sie mit ihrem zarten Farbton viele Wiesen. Außerdem ist die Herbstzeit­lose ziemlich giftig. Etwa 60 Gramm frischer Blätter sind für einen Menschen tödlich. Das Gift der Herbstzeit­losen ist aber auch für Pferde gefährlich.

„Bei uns auf dem Hof ist ein Pferd gestorben, in seinem Blut wurde das Gift der Herbstzeit­losen nachgewies­en“, berichtet Katja Löffler. Das Tier hatte Heu von den Wiesen gefressen, die die Löfflers auf dem Heuberg bewirtscha­ften. Für die Löfflers bedeutete das einen Rechtsstre­it und am Ende 6000 Euro Strafe.

Zur Heuernte wachsen die grünen Blätter der Herbstzeit­losen auf den Wiesen; sie von den anderen Wiesenpfla­nzen zu unterschei­den ist nur mit viel Wissen und Sorgfalt möglich. In einer ganzen Heuernte ist es unmöglich, die Blätter auszusorti­eren. Chemische Mittel, die die Pflanze bekämpfen könnten, setzen die Löfflers nicht ein. „Wir haben noch nicht Mal eine Spritze für chemische Mittel“, sagt Katja Löffler.

Die Herbstzeit­lose ist auf dem Heuberg auf vielen Wiesen zu sehen. „Für die Pferde konnten wir es nicht mehr vertreten, unser eigenes Heu zu füttern“, sagt Katja Löffler. Für fremdes Heu hätten die Einsteller einen Aufpreis bezahlen müssen, dazu seien die aber nicht bereit gewesen. Deshalb haben die Löfflers sich entschiede­n, den Pferdehof aufzugeben und nur noch Milchkühe zu halten. Bei der Entscheidu­ng habe auch eine Rolle gespielt, dass die Naturschut­zbehörden während des Prozesses kaum Unterstütz­ung gezeigt hätten.

2017 haben sie einen großen, offenen Laufstall gebaut, in dem die Kühe frei umherlaufe­n können und auch draußen Auslauf haben. Aber auch da gibt es Probleme auf den Wiesen. Die Gemeinde erschließt neue Baugebiete und muss dafür Ausgleichs­maßnahmen ausweisen. Dafür richtet sie Artenschut­zgebiete, wie etwa FFH-Mähwiesen, ein. Das sind streng geschützte Wiesen, auf denen besondere Vorschrift­en gelten. Zum Beispiel darf dort keine Gülle ausgebrach­t werden und nur zwei Mal pro Jahr gemäht werden.

„Die neueste dieser Maßnahmen sieht so aus, dass mir aus einem Feld mittendrin ein schmaler Streifen als FFH-Mähweise rausgenomm­en wird, der jetzt Schutzgebi­et ist“, sagt Konstantin Löffler. Er hat die Flächen von der Gemeinde zur Bewirtscha­ftung gepachtet. „Jetzt soll ich dann immer für ein paar Meter mit Mähen oder Güllen aufhören.“Das sei wirtschaft­lich unsinnig.

Bei der Gemeinde Wehingen bedauert Bürgermeis­ter Gerhard Reichegger, dass das so ist. „Wir suchen eigentlich immer gemeinsam mit den Landwirten eine Lösung, aber im vorliegend­en Fall ging das nicht anders“, sagt er.

Konstantin Löffler ärgert sich vor allem über das Umweltamt des Landkreise­s Tuttlingen. Das ist als zuständige Naturschut­zbehörde für die Artenschut­zgebiete verantwort­lich. Bei der Maßnahme an dem Feld, das Löffler bewirtscha­ftet, gehe es darum, ein Habitat für die Feldlerche zu schaffen, schreibt die Behörde auf unsere Anfrage. Ein solches Habitat sei durch eine Baumaßnahm­e der Gemeinde verloren gegangen und müsse deshalb ersetzt werden.

So ein Streifen diene außerdem als Brücke, die verschiede­ne Biotope verbinden könne. Diese Biotopverb­ünde wolle das Land Baden-Württember­g stärken, da sie zur langfristi­gen Sicherung der Artenvielf­alt wichtig seien.

Die Löfflers hadern mit dem System

der Ausgleichs­maßnahmen. Katja Löffler sagt: „Wir verlieren zwei Mal. Einmal wenn das Neubaugebi­et entsteht, und dann, wenn die Ausgleichs­maßnahme entsteht.“Ohnehin sei derzeit das Verhältnis von Landwirtsc­haft und Gesellscha­ft kein gutes. „Die Zahlungen, die wir für die FFH-Wiesen kriegen, sind nicht hoch genug. Um die wirtschaft­lich zu machen, müssten das etwa 1000 Euro pro Hektar sein“, sagt Konstantin Löffler. Aktuell gibt es maximal 280 Euro für den Hektar. Und dann ist da natürlich noch das Gülle-Thema, das derzeit viele Landwirte ärgert.

Löffler wünscht sich weniger Vorschrift­en für die Landwirte und einen flexiblere­n Umgang der Behörden. Klar gebe es auch schwarze Schafe, aber die Mehrheit der Landwirte wolle den Job gut machen. Die aktuelle Lage sei für die Landwirte aber sehr schwierig. Durch sinkende Lebensmitt­elpreise und immer mehr Vorschrift­en sei die Zukunft des Berufsstan­des unsicher. Löffler sagt: „Mein Sohn will auch Landwirt werden. So, wie es jetzt ist, muss ich ihm sagen, dass das keine gute Idee ist.“

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FOTO: GABRIEL BOCK Beim Mähen könnte Herbstzeit­lose ins Futter kommen.

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