Herbstzeitlose ist Problem für Landwirte
Neben Blume sind auch Ausgleichsmaßnahmen schwierig - beschwert sich ein Ehepaar
WEHINGEN - Ein Teil des Hofes von Katja und Konstantin Löffler liegt verwaist da. Wo eigentlich Pferde stehen sollten und Kinder im Kreis reiten könnten, regt sich nur wenig. Zwischen den Pflastersteinen wächst Gras, in den Boxen stehen ein paar Mopeds. „Das hätte eigentlich unser zweites Standbein sein sollen“, erklärt Katja Löffler mit Blick auf die leeren Pferdeställe und aufgelassenen Reitanlagen.
Die Löfflers bewirtschaften einen der Steighöfe, vor zwei Jahren haben sie den Reitstall geschlossen. Die Reithalle dient jetzt als Garage für Maschinen, im Auslauf der Pferdeboxen lagert Silage für Milchkühe. Der Grund dafür: Eine kleine Blume, die Herbstzeitlose.
Die Pflanze mit den violetten Blüten sieht dem Krokus zum Verwechseln ähnlich. Im Herbst tüpfeln sie mit ihrem zarten Farbton viele Wiesen. Außerdem ist die Herbstzeitlose ziemlich giftig. Etwa 60 Gramm frischer Blätter sind für einen Menschen tödlich. Das Gift der Herbstzeitlosen ist aber auch für Pferde gefährlich.
„Bei uns auf dem Hof ist ein Pferd gestorben, in seinem Blut wurde das Gift der Herbstzeitlosen nachgewiesen“, berichtet Katja Löffler. Das Tier hatte Heu von den Wiesen gefressen, die die Löfflers auf dem Heuberg bewirtschaften. Für die Löfflers bedeutete das einen Rechtsstreit und am Ende 6000 Euro Strafe.
Zur Heuernte wachsen die grünen Blätter der Herbstzeitlosen auf den Wiesen; sie von den anderen Wiesenpflanzen zu unterscheiden ist nur mit viel Wissen und Sorgfalt möglich. In einer ganzen Heuernte ist es unmöglich, die Blätter auszusortieren. Chemische Mittel, die die Pflanze bekämpfen könnten, setzen die Löfflers nicht ein. „Wir haben noch nicht Mal eine Spritze für chemische Mittel“, sagt Katja Löffler.
Die Herbstzeitlose ist auf dem Heuberg auf vielen Wiesen zu sehen. „Für die Pferde konnten wir es nicht mehr vertreten, unser eigenes Heu zu füttern“, sagt Katja Löffler. Für fremdes Heu hätten die Einsteller einen Aufpreis bezahlen müssen, dazu seien die aber nicht bereit gewesen. Deshalb haben die Löfflers sich entschieden, den Pferdehof aufzugeben und nur noch Milchkühe zu halten. Bei der Entscheidung habe auch eine Rolle gespielt, dass die Naturschutzbehörden während des Prozesses kaum Unterstützung gezeigt hätten.
2017 haben sie einen großen, offenen Laufstall gebaut, in dem die Kühe frei umherlaufen können und auch draußen Auslauf haben. Aber auch da gibt es Probleme auf den Wiesen. Die Gemeinde erschließt neue Baugebiete und muss dafür Ausgleichsmaßnahmen ausweisen. Dafür richtet sie Artenschutzgebiete, wie etwa FFH-Mähwiesen, ein. Das sind streng geschützte Wiesen, auf denen besondere Vorschriften gelten. Zum Beispiel darf dort keine Gülle ausgebracht werden und nur zwei Mal pro Jahr gemäht werden.
„Die neueste dieser Maßnahmen sieht so aus, dass mir aus einem Feld mittendrin ein schmaler Streifen als FFH-Mähweise rausgenommen wird, der jetzt Schutzgebiet ist“, sagt Konstantin Löffler. Er hat die Flächen von der Gemeinde zur Bewirtschaftung gepachtet. „Jetzt soll ich dann immer für ein paar Meter mit Mähen oder Güllen aufhören.“Das sei wirtschaftlich unsinnig.
Bei der Gemeinde Wehingen bedauert Bürgermeister Gerhard Reichegger, dass das so ist. „Wir suchen eigentlich immer gemeinsam mit den Landwirten eine Lösung, aber im vorliegenden Fall ging das nicht anders“, sagt er.
Konstantin Löffler ärgert sich vor allem über das Umweltamt des Landkreises Tuttlingen. Das ist als zuständige Naturschutzbehörde für die Artenschutzgebiete verantwortlich. Bei der Maßnahme an dem Feld, das Löffler bewirtschaftet, gehe es darum, ein Habitat für die Feldlerche zu schaffen, schreibt die Behörde auf unsere Anfrage. Ein solches Habitat sei durch eine Baumaßnahme der Gemeinde verloren gegangen und müsse deshalb ersetzt werden.
So ein Streifen diene außerdem als Brücke, die verschiedene Biotope verbinden könne. Diese Biotopverbünde wolle das Land Baden-Württemberg stärken, da sie zur langfristigen Sicherung der Artenvielfalt wichtig seien.
Die Löfflers hadern mit dem System
der Ausgleichsmaßnahmen. Katja Löffler sagt: „Wir verlieren zwei Mal. Einmal wenn das Neubaugebiet entsteht, und dann, wenn die Ausgleichsmaßnahme entsteht.“Ohnehin sei derzeit das Verhältnis von Landwirtschaft und Gesellschaft kein gutes. „Die Zahlungen, die wir für die FFH-Wiesen kriegen, sind nicht hoch genug. Um die wirtschaftlich zu machen, müssten das etwa 1000 Euro pro Hektar sein“, sagt Konstantin Löffler. Aktuell gibt es maximal 280 Euro für den Hektar. Und dann ist da natürlich noch das Gülle-Thema, das derzeit viele Landwirte ärgert.
Löffler wünscht sich weniger Vorschriften für die Landwirte und einen flexibleren Umgang der Behörden. Klar gebe es auch schwarze Schafe, aber die Mehrheit der Landwirte wolle den Job gut machen. Die aktuelle Lage sei für die Landwirte aber sehr schwierig. Durch sinkende Lebensmittelpreise und immer mehr Vorschriften sei die Zukunft des Berufsstandes unsicher. Löffler sagt: „Mein Sohn will auch Landwirt werden. So, wie es jetzt ist, muss ich ihm sagen, dass das keine gute Idee ist.“