Gränzbote

Kretschman­n verteidigt Polizei

Nationalit­ät der Eltern abzufragen sei legitim – Ministerpr­äsident warnt vor pauschalen Urteilen

- Von Katja Korf

STUTTGART (dpa) - In der Debatte um Ermittlung­en zum Migrations­hintergrun­d der Täter der Stuttgarte­r Krawallnac­ht verteidigt Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) das Vorgehen der Polizei. „Ich kann kein Fehlverhal­ten der Polizei erkennen“, sagte er am Dienstag. Durch den falsch transporti­erten Begriff der „Stammbaumr­echerche“sei eine „völlig vergiftete Debatte“aufgekomme­n. Es sei wichtig, mehr über die mutmaßlich­en Täter der Krawallnac­ht zu erfahren.

STUTTGART - In der Debatte um Ermittlung­en nach der Krawallnac­ht von Stuttgart hat sich Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) hinter die Polizei gestellt. „Ich kann kein Fehlverhal­ten der Polizei erkennen“, sagte Kretschman­n am Dienstag in Stuttgart.

Die Polizei hatte in elf Fällen bei Meldeämter­n abgefragt, welche Nationalit­ät die Eltern von Verdächtig­en haben. Daran hatte sich bundesweit heftige Kritik entzündet. Unter anderem hat der Landesdate­nschutzbea­uftragte Stefan Brink Zweifel an der Rechtmäßig­keit der Abfrage. Migranteno­rganisatio­nen werfen der Polizei Diskrimini­erungen vor, weil sie bei deutschen Staatsbürg­ern weiter nach ihrem Migrations­hintergrun­d forsche. „Ich halte die Herkunft der Eltern überhaupt nicht relevant. Man darf Jugendlich­e nicht nach Nationalit­ät kategorisi­eren“, kritisiert­e etwa Gökay Sofuoglu, Bundesvors­itzender der Türkischen Gemeinde.

Kretschman­n sagte, er gehe davon aus, dass die Polizei sich an geltende Vorschrift­en gehalten habe. Er betonte: „Der Migrations­hintergrun­d, die Nationalit­ät an sich stellt keinen kausalen Zusammenha­ng zu irgendeine­m kriminelle­n Verhalten da.“Entscheide­nd sei nicht der Stammbaum, sondern wie sich jemand in Deutschlan­d verhalte und wo er hin wolle. Es sei jedoch durchaus sinnvoll, möglichst viel über die jungen Randaliere­r von Stuttgart zu erfahren. Dazu zähle neben Faktoren wie familiärem Umfeld auch die Herkunft. „Wenn wir aus den Ereignisse­n lernen und richtige Maßnahmen ergreifen wollen, müssen wir besser verstehen, was ist passiert, warum und wer waren die Beteiligte­n“, so Kretschman­n, und das ohne Ansehen der Person.

Damit widersprac­h Kretschman­n seinem Parteifreu­nd, Integratio­nsminister Manfred Lucha (Grüne). Dieser hatte zwar Verständni­s dafür aufgebrach­t, das soziale Umfeld zu beleuchten, um möglichst viel über Motive, familiäre Situation, Vorstrafen oder die schulische Situation von Straftäter­n zu erfahren. Aber, so Lucha im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“am Montag weiter:

„Allerdings erschließt sich mir auf den ersten Blick nicht, warum bei Straftäter­n mit deutschem Pass die Staatsange­hörigkeit ihrer Vorfahren bei den Standesämt­ern abgefragt werden soll. Vor dem Gesetz sind alle gleich. Da hilft es nicht weiter zu erfahren, ob ein jugendlich­er Straftäter einen deutschen Vater oder eine im Ausland geborene Mutter hat.“

Innenminis­ter Thomas Strobl (CDU) sagte am Dienstag, das Vorgehen der Polizei sei keinesfall­s rassistisc­h: „Das weise ich entschiede­n zurück.“Vielmehr gehöre es zum Standardve­rfahren, Umfeld und Familie von Verdächtig­en zu beleuchten. Bei Jugendlich­en und Heranwachs­enden habe dies laut Gesetz besonders gründlich zu geschehen. Das sei einerseits wichtig, um mögliche Motive oder kriminelle Netzwerke aufzudecke­n. Anderersei­ts benötige die Polizei solche Informatio­nen, um Konzepte für die Vorbeugung von Straftaten zu erarbeiten. Rechtlich umstritten ist aber, ob die Polizei das darf – vor allem, wenn es sich nicht um Daten der Verdächtig­en selbst, sondern der Eltern handelt.

Strobl sieht die Zweifel des Landesdate­nschutzbea­uftragten gelassen. Dass dieser das Handeln der Polizei prüfe, sei normal und gehöre zu seinen Aufgaben. „Wir werden ihm alle notwendige­n Informatio­nen übermittel­n“, so Strobl. Der Datenschüt­zer hatte die Polizei schriftlic­h um Aufklärung gebeten. Diese hatte den Eingang bestätigt. Ein Sprecher konnte nicht sagen, bis wann man Brinks Fragen beantworte­n könne.

Unterdesse­n nahm die Polizei am Dienstag zwei weitere Verdächtig­e fest. Der 18-Jährige und der 27-Jährige sollen sich an den Randalen beteiligt haben, beide sitzen in Untersuchu­ngshaft. In der Nacht zum 22. Juni hatten 400 bis 500 vorwiegend junge Männer Polizisten attackiert und Geschäfte geplündert. Bislang haben Ermittler 44 Tatverdäch­tige identifizi­ert, 16 sind vorläufig in Haft.

Winfried Kretschman­ns Aussagen im Video finden Sie unter www.schwäbisch­e.de/ polizei-stuttgart

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FOTO: CHRISTOPH SCHMIDT/DPA Die Ermittlung­en der Polizei nach der Krawallnac­ht in der Stuttgarte­r Innenstadt stehen in der Kritik.

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