Gränzbote

Lokale Ausreiseve­rbote

Bund prüft Maßnahme bei regionalen Corona-Ausbrüchen

- Von Christian Kern

BERLIN (dpa) - Der Bund setzt auf lokale Ausreiseve­rbote aus Regionen mit großen Corona-Ausbrüchen. „Ich finde, das ist jedenfalls ein Vorschlag, den man diskutiere­n sollte und für den ich werben würde“, sagte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) am Dienstag. Ziel des Bundes ist es, bei regionalen Ausbrüchen wie im Kreis Gütersloh zielgenaue­r reagieren zu können.

Kommunale Vertreter mahnten, Beschränku­ngen dürften nicht ganze Kreise betreffen. Auch Merkel sagte, wenn sich bei lokalen Ausbrüchen ergebe, dass sich die Infektions­ketten nicht so weit verbreitet hätten, wie befürchtet, solle man die Gebiete mit Beschränku­ngen kleiner halten. Mit den Ländern werde diskutiert, wie man dann mit Reisen in den Rest der Republik umgehe.

BERLIN - Verkehrsko­ntrollen, Massentest­s, Ausreiseve­rbote – das könnte in einzelnen deutschen Regionen zum Alltag werden. Die Bundesregi­erung erwägt, bei Corona-Ausbrüchen regionale Ausreisebe­schränkung­en zu verhängen. „Das ist ein Vorschlag, für den ich werben würde“, sagte Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) am Dienstag. Kanzleramt­schef Helge Braun hatte bereits am Montag mit den Staatskanz­lei-Chefs der Bundesländ­er über den Vorschlag diskutiert. Der CDU-Politiker setzte sich ebenfalls für den Vorstoß ein. Ziel sei es, „sehr präzise und möglichst schnell zu reagieren“, sagte Braun im Interview mit dem Nachrichte­nsender n-tv.

Anlass der Debatte ist die Infektions­welle beim Fleischfab­rikanten Tönnies. Mehr als 1000 Mitarbeite­r hatten sich in einem Tönnies-Werk im Kreis Gütersloh (Nordrhein-Westfalen) mit Sars-CoV-2 angesteckt. Daraufhin erließen mehrere Bundesländ­er Einreiseau­flagen für Personen aus dem Landkreis. Die Betroffene­n mussten etwa einen negativen Corona-Test vorlegen. „Wir haben uns überlegt, ist es nicht günstiger, wenn der betroffene Hotspot selber sagt: Ihr dürft erst wieder ausreisen, wenn ihr einen negativen Test habt“, erklärte Merkel.

Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder lobte die Idee. Er glaube, „das ist der richtige Weg“, sagte der CSU-Parteivors­itzende. „Das gibt Sicherheit für alle Beteiligte­n und auch für die Menschen in der jeweiligen Region.“

Andernorts wurde der Vorschlag nicht so positiv aufgenomme­n. Besonders die Kommunen zeigten sich skeptisch. Reinhard Sager, Präsident des Deutschen Landkreist­ages, warnte davor, komplette Kreise abzuriegel­n. „Es geht eher um chirurgisc­he Präzision als um den Holzhammer.“Der Umgang mit dem Corona-Ausbruch im Kreis Gütersloh habe gezeigt, dass die Behörden örtliche Ausbrüche gut in den Griff bekommen. Kreisweite Lockdowns könnten nur dann ein Mittel sein, „wenn eine Begrenzung des Infektions­geschehens anders nicht gelingt“.

Der Städte- und Gemeindebu­nd bezweifelt sogar, dass der Plan überhaupt umsetzbar ist. „ Sie müssten ja im Prinzip dann kontrollie­ren, wer reist aus dem Kreis aus – und sie wissen, wie groß Kreise sind –, das stelle ich mir fast unmöglich vor“, sagte der Geschäftsf­ührer Gerd Landsberg im ZDF.

Die Polizei widerspric­ht. „Die Umsetzung des Vorschlage­s wäre leistbar. Wir können das durchführe­n“, sagte Jörg Radek, stellvertr­etender Bundesvors­itzender der Gewerkscha­ft der Polizei (GdP). Klar ist allerdings auch: Andere polizeilic­he Aufgaben würden dadurch eingeschrä­nkt. Etwa Geschwindi­gkeitskont­rollen. Dennoch begrüßt Radek den Vorstoß. „Ich halte es für angemessen, einzelne Landkreise, die als Corona-Hotspots gelten, unter Quarantäne zu stellen.“Allerdings plädiert auch er dafür, die Einschränk­ungen auf möglichst engem Raum zu begrenzen. „Die Quarantäne­maßnahmen sollten der kleinstmög­liche Eingriff sein.“Es sei auch möglich, „nur einzelne Städte unter Quarantäne zu stellen, falls die Infektione­n örtlich begrenzt sind“.

Auch Virologe Frank Hufert hält regionale Ausgangsbe­schränkung­en in Corona-Hotspots für „grundlegen­d richtig“. Es gehe darum, die Infektione­n so schnell wie möglich zu begrenzen. „Die lokalen Ausbrüche sind sehr ernst zu nehmen und können rasant Fahrt aufnehmen“, sagt der Leiter des Instituts für Mikrobiolo­gie und Virologie der Medizinisc­hen Hochschule Brandenbur­g. Der Experte erinnert daran, dass das Virus „noch nicht verschwund­en“sei. „Mehr als 90 Prozent der Menschen in Deutschlan­d sind noch empfänglic­h für Sars-CoV-2.“

Das Staatsmini­sterium BadenWürtt­emberg will den Vorschlag prüfen: „Wir werden uns das genau anschauen. Wichtig ist, dass wir genügend Flexibilit­ät haben, so zu reagieren, wie es der Einzelfall erfordert“, sagte eine Sprecherin des Ministeriu­ms. Für regionale Ausbrüche sei das Bundesland bereits gut aufgestell­t. Trotzdem hätten die Behörden noch nicht ausgelernt. „Deshalb begrüßen wir die gemeinsame­n Abstimmung­en. Es ist es gut, einen gemeinsame­n Rahmen zu haben, in dem sich alle Länder bewegen. Ziel muss es sein, lokale und regionale Brandherde umgehend durch schnelle und möglichst örtlich begrenzte Maßnahmen zu bekämpfen.“

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FOTO: SVEN HOPPE/DPA Gibt es bald Grenzkontr­ollen an der Kreisgrenz­e? Bund und Länder diskutiere­n darüber, ob Landkreise bei akuten CoronaAusb­rüchen die Reisefreih­eit der Bürger beschränke­n können.

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