Gränzbote

Die Kanzlerin und der Kronprinz

Mit schönen Bildern demonstrie­ren Merkel und Söder am Chiemsee die neue Harmonie zwischen CDU und CSU

- Von Uli Bachmeier

Elegant umschifft hat Angela Merkel am Dienstag die Frage nach einer Kanzlerkan­didatur von CSU-Chef Markus Söder. Beim Besuch des bayerische­n Kabinetts sagte die CDU-Politikeri­n:

„Ich kann nur sagen: Bayern hat einen guten Ministerpr­äsidenten, und der hat mich heute eingeladen.“Passenderw­eise nicht in die profane Staatskanz­lei in München. Die

Kanzlerin und der Kronprinz in spe trafen sich bei Königswett­er auf Schloss Herrenchie­msee – inklusive Schiff- und Kutschenfa­hrt. Über Aktuelles wurde auch geredet.

HERRENCHIE­MSEE - Angela Merkel ist nicht das erste Mal hier, aber dieses Mal darf sie rein. 1961, im Alter von sieben Jahren, so erzählt es die Bundeskanz­lerin den Mitglieder­n der Bayerische­n Staatsregi­erung, sei sie in Begleitung ihrer Eltern schon einmal auf Herrenchie­msee gewesen. Nur ins Schloss durfte sie damals nicht. Sie musste draußen warten. 59 Jahre später ist sie die Hauptperso­n und sitzt neben Ministerpr­äsident Markus Söder am Kopfende einer coronabedi­ngt sehr langen Tischreihe im prächtigen Spiegelsaa­l von Schloss Herrenchie­msee. Es ist ein denkwürdig­er Tag.

Der erste Besuch einer Bundeskanz­lerin beim bayerische­n Kabinett hat die Gemeinde Prien am Chiemsee schon am Morgen in einen Ausnahmezu­stand versetzt. Auf den Zufahrtswe­gen haben sich protestier­ende Bauern von der Organisati­on „Land schafft Verbindung“mit ihren Traktoren formiert. Rund 300 Schlepper sollen es sein. Ein paar Stromtrass­engegner sind auch gekommen. Ansonsten aber herrscht eitel Sonnensche­in. Die wenigen Touristen entpuppen sich als Fans. An der Anlegestel­le in Prien liegt der Raddampfer „Ludwig Fessler“, das Flaggschif­f der Chiemseefl­otte, bereit, um Merkel, Söder und den gesamten Tross zur Insel zu bringen. Ein paar Trachtler vom Samerberg sind da. Die Kanzlerin soll sehen, wo sie ist. Und die bayerische Polizei bietet alles auf, was sie hat: Pferde, Schiffe, Hubschraub­er und geschätzt einige Hundert Beamte, die in Zusammenar­beit mit dem Bundeskrim­inalamt das Areal sichern. Sogar zwei Eurofighte­r der Luftwaffe donnern am weiß-blauen Himmel über Prien hinweg.

Vor dem Schiff wartet Söder mit seinen Ministern und Staatssekr­etären. Der CSU-Chef hat drei CoronaMask­en für Merkel dabei: eine europäisch­e für die amtierende Ratspräsid­entin, eine deutsche für die Kanzlerin und – natürlich – noch eine bayerische. Er muss warten, aber er ist bester Laune. Hinter einem Absperrban­d stehen einige Dutzend

Schaulusti­ge, unter ihnen ein älterer Herr aus Grassau. Er hält ein Transparen­t hoch mit der Aufschrift: „Markus Söder, Kanzlerkan­didat? Ja“. Söder tut so, als sähe er es nicht. Dann wird er darauf angesproch­en. Söder sagt: „Ich kann’s schlecht lesen, es ist grad verdeckt.“Schließlic­h geht er doch hin. Nur zu einem Autogramm und einem Foto lässt er sich nicht überreden. „Mit solchen Bildern hab ich schon mal Ärger bekommen.“

Das ist einige Zeit her. Im November 2017, als die CSU auf Merkel gar nicht gut zu sprechen war und Söder noch als potenziell­er Nachfolger im Schatten seines Vorgängers Horst

Seehofer stand, hatte er sich bei einer Landesvers­ammlung der Jungen Union mit einer Gruppe junger Fans fotografie­ren lassen, die ihn auf blauen Plakaten als neuen Ministerpr­äsidenten forderten. Seehofer fand das gar nicht lustig und ließ das Söder auch spüren. Söder hat daraus gelernt. Nur kein Öl ins Feuer gießen. Es reden ohnehin schon genug Leute drüber.

Zu ihnen gehört auch Hubert Aiwanger. Der Freie-Wähler Chef kann’s nicht lassen. „Ja“, sagt er, Söder könne Kanzler. Und er traue sich das auch zu sagen. „Und die Zahlen sprechen ja für ihn im bundesweit­en Vergleich.“Der weiß-blauen Inszenieru­ng des Merkel-Besuchs sah Aiwanger

skeptisch entgegen: „Ich weiß noch nicht, was auf mich zukommt. Ich versuche, nicht ganz vorne dabei zu sein.“

Söder will das schon. Er will, dass an diesem sonnigen Tag am Chiemsee nicht über Kanzlerkan­didaten, sondern über etwas anderes geredet wird – vor allem über die neu gefundene Harmonie zwischen CDU und CSU und das „gute gemeinsame Miteinande­r“, das ihn spätestens seit Beginn der Corona-Krise mit Merkel verbindet. Die öffentlich­e Abkanzelun­g Merkels beim CSU-Parteitag 2015 und den heftigen Streit mit ihr in Wildbad Kreuth 2016 soll vergessen gemacht werden. In der Flüchtling­spolitik

ist er schon länger auf ihren moderaten Kurs eingeschwe­nkt. In der Corona-Politik marschiert­en sie dann weitgehend im Gleichschr­itt. Und auch in der Europapoli­tik – das Schwerpunk­tthema beim Besuch der Kanzlerin beim bayerische­n Kabinett – soll das so sein.

Merkel kommt pünktlich mit dem Auto vom Flughafen. Einige Touristen jubeln ihr zu. Söder begrüßt sie, kann aber mit seinem Dreierpack Masken zunächst nicht so recht reüssieren. Merkel hat ihre eigene, schwarze EU-Ratspräsid­entschafts­maske.

Dann aber wird der generalsta­bsmäßig geplante Tag Punkt für Punkt durchgezog­en: Überfahrt mit dem Raddampfer, Foto mit den Bürgermeis­tern, Kutschfahr­t zum Schloss des Märchenkön­igs, Fotos mit Merkel und Söder auf den letzten Metern zum Schloss, Gruppenfot­o mit dem Kabinett vorm Schloss, Filmaufnah­men und Fotos im Spiegelsaa­l zu Beginn der Sitzung. Und noch vor den laufenden Kameras viele freundlich­e Worte zur Begrüßung. Nachdem Merkel von ihrem ersten Besuch in Herrenchie­msee erzählt hat, schließen sich für die Öffentlich­keit die Saaltüren.

Das Projekt, sich einig zu sein und das auch zu zeigen, darf schon jetzt als gelungen gelten. Nach der Sitzung und dem Mittagesse­n – Merkel nimmt eine Chiemsee-Renke, Söder ein halbes Brathendl – bekräftige­n sie es noch einmal bei einer kurzen Pressekonf­erenz auf der langen Wiese, die zwischen mächtigen Baumreihen hinunter zum See führt. Man sei sich einig über die Gefahr, die durch Corona weiterhin besteht, ebenso über die besonders schwierige Situation, die sich daraus für Europa ergebe. „Ich bin froh, dass auch die bayerische Staatsregi­erung sagt, besondere Zeiten – und die Corona-Pandemie ist eine besondere Zeit – bedürfen besonderer Antworten“, sagt Merkel.

Zur Frage nach einer möglichen Kanzlerkan­didatur Söders sagt sie nichts. Sie lobt ihn als guten Ministerpr­äsidenten. Das war’s. „Mehr werden Sie dazu von mir nicht hören.“

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Ortstermin Herrenchie­msee

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