Sorge um Wasserknappheit kommt im Südwesten an
Umweltstiftung warnt vor Verteilungskämpfen – Projekt im Wurzacher Ried soll schwäbischen Seen nutzen
BERLIN/OSNABRÜCK - „Wir brauchen einen Paradigmenwechsel im Wassermanagement im ländlichen Raum“, fordert Alexander Bonde. Der frühere baden-württembergische Agrarminister ist Generalsekretär der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) und stellte am Dienstag per Videokonferenz dessen Jahresbericht vor. Und in dem geht es viel um den Klimawandel und die Frage, wie man dessen Folgen in Deutschland in den Griff bekommt. Und dazu gehört nach Bondes Ansicht ein grundsätzlich anderer Blick auf das Wasser: Statt es mit Gräben auszuleiten, solle es möglichst lange in der Landschaft gehalten werden. Denn Wasser werde auch in Deutschland ein knappes Gut, und die Wissenschaftler der Stiftung erwarten zunehmende Nutzungskonflikte, auch in Süddeutschland.
Die 1990 gegründete DBU mit Sitz in Osnabrück ist nicht irgendeine Stiftung, sondern gehört zu den größten in Europa. Das Stiftungsvermögen beträgt etwa 2,32 Milliarden Euro, aus den Kapitalerträgen hat die DBU bereits 10 000 Projekte gefördert. Man sei dabei kein abgehobener Think Tank, sondern ein Innovationsförderer, der mit oft mittelständischen Partnern Antworten auf ganz konkrete Herausforderungen suche. Man sei „Bob der Baumeister der Umweltbranche“, sagt Bonde in Anspielung auf die langlebige Kinderserie mit ihrem Motto „Yo, wir schaffen das!“
Und schaffen müssen wir in den nächsten Jahren wohl einiges, wenn die Prognosen der DBU eintreffen sollten. Die Dürresommer 2018 und 2019 waren demnach nur ein erster Vorgeschmack auf langfristigen Wandel. Und schon der richtete Milliardenschäden nicht nur in der Wald- und Landwirtschaft an. Wegen des Rhein-Niedrigwassers habe allein die BASF in Ludwigshafen 2018 einen Schaden von 250 Millionen Euro erlitten, rechnet DBU-Umweltforscher Maximilian Hempel vor.
Und auch wenn von Waserknappheit zumindest in Süddeutschland derzeit kaum die Rede sein kann, in größeren Tiefen sind die Spuren der Trockenjahre noch immer messbar: Laut aktuellem Dürremonitor herrscht in 1,80 Meter Tiefe beispielsweise unter weiten Teilen der Schwäbischen Alb auch jetzt noch extreme Trockenheit.
Umfragen zufolge machen sich 78 Prozent der Deutschen Sorgen wegen des Klimawandels. Zu Recht, meint Bonde. Denn die Folgen seien drastisch: Das Oberflächenwasser wird nährstoffreicher, das Grundwasser wärmer, der Wasserbedarf insbesondere der Landwirtschaft größer, fürchtet auch Hempel. Entsprechend fördert die DBU Projekte, die die Wasserkörper stabilisieren sollen. Dabei geht es oft darum, die unterschiedlichen Wassernutzer an einen Tisch zu holen.
Wie im Wurzacher Ried, dem größten noch intakten Hochmoor Mitteleuropas bei Bad Wurzach: Die DBU unterstützte ein Projekt, mit dem der Nährstoffeintrag in die stehenden Gewässer reduziert werden sollte. Zusammen mit Landwirten versuchte man, unerwünschte Nährstoffströme aus der umgebenden Landwirtschaft frühzeitig zu erkennen und zu steuern. Das Ziel: Ein klares Modell, wie man durch zielgerichteten Düngereinsatz und die Vorschaltung natürlicher Filter wie Schilf eine Überversorgung des nährstoffarmen Rieds verhindern kann. Die Ergebnisse sollen im Herbst in das Aktionsprogramm zur Sanierung oberschwäbischer Seen einfließen. Auch bei diesem Programm für 96 Seen und Weiher, das im September um fünf Jahre verlängert wird, will sich die DBU beteiligen.
Anderswo ist der Wandel weit sichtbarer als im Wurzacher Ried: In den DBU-Wäldern sind größere Teile der Nadelholzbestände vernichtet, auch zwei Prozent der Laubbäume sind betroffen. Die DBU setzt bei den Wäldern, die vielfach frühere Truppenübungsplätze waren, auf die Heilkraft der Natur: Man werde nicht wiederaufforsten, sagt die für die Wälder zuständige DBU-Fachleiterin Susanne Belting. „Wir möchten, dass sich die Wälder selbst regenerieren.“
Bei der kommerziellen Waldnutzung sieht Hempel einen Bedarf zu mehr „Experimentierfreude“, da einige heimische Baumarten die neuen Bedingungen nur schwer wegstecken könnten. Auch bisher hierzulande seltene Bäume könnten die Wälder widerstandsfähiger machen.