Weiße Kittel und ein Präsident
Frankreichs Nationalfeiertag stand im Zeichen der Corona-Helden – Doch auch Macron hatte eine Botschaft
PARIS (dpa) - So etwas gab es seit Ende des Zweiten Weltkrieges nicht: Statt einer kilometerlangen Militärparade beschränkte sich die Feier zum Nationalfeiertag auf die Place de la Concorde im Herzen der Hauptstadt. Das Publikum war handverlesen und wurde von Sicherheitskräften kontrolliert. An diesem besonderen 14. Juli war alles anders als sonst: Das Militär machte etwas Platz. Vor allem für die Pflegekräfte, deren Einsatz während der Corona-Krise gewürdigt wurde. Doch auch noch jemand anders setzte sich in Szene: der Präsident höchstpersönlich.
Emmanuel Macron hatte schon vor Wochen erklärt, dass dieser 14. Juli ein anderer sein werde. Auf den Tribünen rund um den Platz saßen Menschen in weißen Kitteln – aber auch Sicherheitskräfte, Lehrkräfte, Menschen, die im Supermarkt arbeiten. Es wurden diejenigen geehrt, die während der Krise den Laden sozusagen am Laufen gehalten haben. Von einer Volksfeststimmung, die sonst am Nationalfeiertag aufkommt, war nichts zu spüren.
Unter wolkenverhangenem Himmel paradierten Angehörige aller Armeegattungen. Gut 2000 Militärs präsentierten sich vor der Ehrentribüne mit Macron. Am Ende mischten sich dann Krankenhaus- und Pflegekräfte unter die Soldaten. Frankreich dankte mit der Zeremonie auch den Partnerländern Deutschland, Österreich, Luxemburg und Schweiz, die im Frühjahr Corona-Patienten aus Ostfrankreich behandelt hatten. Unter den Ehrengästen war Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU).
Und noch etwas war anders als sonst an diesem Tag: Macron gab nach den Feierlichkeiten ein Fernsehinterview.
Das ist äußerst selten für ihn. Mehr als eine Stunde stellte sich der Staatschef den Fragen der Journalisten. Und er nutzte die Zeit, um seine Politik vehement zu verteidigen – wenn er diese auch manchmal nicht gut kommuniziert habe.
Macron diagnostizierte seinem Land eine Vertrauenskrise. Frankreich habe „im Grunde Angst“. Vor der Gesundheitskrise sei im Land der Kampf gegen die Massenarbeitslosigkeit gewonnen worden, sagte er. Er habe Reformen durchgeführt, „die man für unmöglich hielt“. Er machte klar, dass er an den Grundsätzen seiner Reformpolitik festhalten will.
Das Lob für die eigenen Leistungen und Pläne ist bitter nötig. Denn mit der Corona-Krise ist Frankreich in eine schwere wirtschaftliche Krise geschlittert. Bis zu eine Million Arbeitslose zusätzlich könne es im kommenden Frühjahr geben, prognostizierte Macron. Nicht unwahrscheinlich, dass dann die Wut in Frankreich wieder aufflammt. Die Wut, die der Staatschef schon bei den Protesten der „Gelbwesten“zu spüren bekommen hat. Oder bei dem wochenlangen Streiks gegen seine Rentenpläne.
Macron hat nicht mehr viel Zeit, das in Ordnung zu bringen. Noch zwei Jahre bleiben ihm bis zur Präsidentenwahl. Deshalb zieht er jetzt alle Register – und zückt das Scheckbuch. Hunderte Milliarden sollen helfen, das Land aus der Krise zu führen. Neben dem Geld setzt der Präsident auch auf seine neue Regierung. Über die wurde in der vergangenen Woche viel geätzt. Kaum einer wollte verstehen, warum der beliebte Premier Édouard Philippe gehen musste und durch den spröden Jean Castex ersetzt wurde. Castex sei ein Mann vom Land, habe menschliches Gespür und beherrsche den sozialen Dialog, so der Präsident. Dass gegen seinen neuen Innenminister wegen Vergewaltigung ermittelt wird wischte Macron weg und pochte auf die Unschuldsvermutung.
Doch die andauernde Kritik an Macron war auch am Nationalfeiertag präsent. Zu Beginn der offiziellen Zeremonie flogen Ballons über die riesige Place de la Concorde, an denen ein Transparent hing: „Hinter den Hommagen (an das Gesundheitspersonal) erstickt Macron das Krankenhaus.“Wer die Ballons aufsteigen ließ, blieb offen. Die Gesundheitskrise ist noch lange nicht vorbei – auch das ist eine Botschaft des 14. Juli.