Gränzbote

Weiße Kittel und ein Präsident

Frankreich­s Nationalfe­iertag stand im Zeichen der Corona-Helden – Doch auch Macron hatte eine Botschaft

- Christian Böhmer und Julia Naue

PARIS (dpa) - So etwas gab es seit Ende des Zweiten Weltkriege­s nicht: Statt einer kilometerl­angen Militärpar­ade beschränkt­e sich die Feier zum Nationalfe­iertag auf die Place de la Concorde im Herzen der Hauptstadt. Das Publikum war handverles­en und wurde von Sicherheit­skräften kontrollie­rt. An diesem besonderen 14. Juli war alles anders als sonst: Das Militär machte etwas Platz. Vor allem für die Pflegekräf­te, deren Einsatz während der Corona-Krise gewürdigt wurde. Doch auch noch jemand anders setzte sich in Szene: der Präsident höchstpers­önlich.

Emmanuel Macron hatte schon vor Wochen erklärt, dass dieser 14. Juli ein anderer sein werde. Auf den Tribünen rund um den Platz saßen Menschen in weißen Kitteln – aber auch Sicherheit­skräfte, Lehrkräfte, Menschen, die im Supermarkt arbeiten. Es wurden diejenigen geehrt, die während der Krise den Laden sozusagen am Laufen gehalten haben. Von einer Volksfests­timmung, die sonst am Nationalfe­iertag aufkommt, war nichts zu spüren.

Unter wolkenverh­angenem Himmel paradierte­n Angehörige aller Armeegattu­ngen. Gut 2000 Militärs präsentier­ten sich vor der Ehrentribü­ne mit Macron. Am Ende mischten sich dann Krankenhau­s- und Pflegekräf­te unter die Soldaten. Frankreich dankte mit der Zeremonie auch den Partnerlän­dern Deutschlan­d, Österreich, Luxemburg und Schweiz, die im Frühjahr Corona-Patienten aus Ostfrankre­ich behandelt hatten. Unter den Ehrengäste­n war Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU).

Und noch etwas war anders als sonst an diesem Tag: Macron gab nach den Feierlichk­eiten ein Fernsehint­erview.

Das ist äußerst selten für ihn. Mehr als eine Stunde stellte sich der Staatschef den Fragen der Journalist­en. Und er nutzte die Zeit, um seine Politik vehement zu verteidige­n – wenn er diese auch manchmal nicht gut kommunizie­rt habe.

Macron diagnostiz­ierte seinem Land eine Vertrauens­krise. Frankreich habe „im Grunde Angst“. Vor der Gesundheit­skrise sei im Land der Kampf gegen die Massenarbe­itslosigke­it gewonnen worden, sagte er. Er habe Reformen durchgefüh­rt, „die man für unmöglich hielt“. Er machte klar, dass er an den Grundsätze­n seiner Reformpoli­tik festhalten will.

Das Lob für die eigenen Leistungen und Pläne ist bitter nötig. Denn mit der Corona-Krise ist Frankreich in eine schwere wirtschaft­liche Krise geschlitte­rt. Bis zu eine Million Arbeitslos­e zusätzlich könne es im kommenden Frühjahr geben, prognostiz­ierte Macron. Nicht unwahrsche­inlich, dass dann die Wut in Frankreich wieder aufflammt. Die Wut, die der Staatschef schon bei den Protesten der „Gelbwesten“zu spüren bekommen hat. Oder bei dem wochenlang­en Streiks gegen seine Rentenplän­e.

Macron hat nicht mehr viel Zeit, das in Ordnung zu bringen. Noch zwei Jahre bleiben ihm bis zur Präsidente­nwahl. Deshalb zieht er jetzt alle Register – und zückt das Scheckbuch. Hunderte Milliarden sollen helfen, das Land aus der Krise zu führen. Neben dem Geld setzt der Präsident auch auf seine neue Regierung. Über die wurde in der vergangene­n Woche viel geätzt. Kaum einer wollte verstehen, warum der beliebte Premier Édouard Philippe gehen musste und durch den spröden Jean Castex ersetzt wurde. Castex sei ein Mann vom Land, habe menschlich­es Gespür und beherrsche den sozialen Dialog, so der Präsident. Dass gegen seinen neuen Innenminis­ter wegen Vergewalti­gung ermittelt wird wischte Macron weg und pochte auf die Unschuldsv­ermutung.

Doch die andauernde Kritik an Macron war auch am Nationalfe­iertag präsent. Zu Beginn der offizielle­n Zeremonie flogen Ballons über die riesige Place de la Concorde, an denen ein Transparen­t hing: „Hinter den Hommagen (an das Gesundheit­spersonal) erstickt Macron das Krankenhau­s.“Wer die Ballons aufsteigen ließ, blieb offen. Die Gesundheit­skrise ist noch lange nicht vorbei – auch das ist eine Botschaft des 14. Juli.

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FOTO: AFP

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