Im Lauf befand sich noch diese eine Kugel
Jugendhaft auf Bewährung für Polizeischüler, der bei der Waffenkontrolle fahrlässig war und so einen Kollegen tötete
WÜRZBURG (dpa) - Der tödliche Schuss fällt gegen 21.30 Uhr in einer Würzburger Kaserne. Im Raum sind zwei Polizeischüler: ein 21-Jähriger liegt lebensgefährlich verletzt auf dem Boden, sein zwei Jahre jüngerer Kollege kauert daneben. Er wollte das nicht, er wollte das nicht, soll er laut Aussage eines Polizisten, der nach dem Schuss ins Zimmer kam, immer wieder gesagt haben. Bereits die Ermittlungen vor Beginn des Prozesses ergaben, dass es sich um einen tragischen Unfall gehandelt haben muss.
Auf der Anklagebank sitzt der Schütze, mittlerweile 21 Jahre alt, vom Polizeidienst beurlaubt. Das Opfer und er kannten sich nicht nur beruflich, sondern auch privat vom Fußball. Der Mann zittert – nach der Tatnacht musste er sich in psychiatrische Behandlung begeben. Die Richter am Amtsgericht Würzburg verhängen am Dienstag wegen fahrlässiger Tötung eine Jugendstrafe von einem Jahr und drei Monaten auf Bewährung. Zudem muss der Angeklagte 2400 Euro in Raten à 100 Euro an die Eltern des Verstorbenen zahlen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Zum Prozessauftakt räumte der Angeklagte die Vorwürfe in vollem Umfang ein. In einer schriftlichen Stellungnahme, die sein Verteidiger verlas, gestand er, beim Entladen und der Kontrolle seiner Dienstwaffe nachlässig gehandelt zu haben. Nie hätte er es für möglich gehalten, dass sich im Lauf noch eine Kugel befand. Die beiden Polizei-Azubis sollten am
Abend des 28. Februars 2019 einen gemeinsamen Dienst zur routinemäßigen Bewachung des Geländes der Bereitschaftspolizei Würzburg antreten. Bereits am frühen Morgen hatten sie eine gemeinsame Schicht. Der Angeklagte gab danach seine Magazine in der Wachstation zurück und schloss seine Waffe vorschriftsgemäß in einen Tresor im Zimmer ein. Dass sich noch eine Kugel im Lauf befand, will er beim Entladen nicht gemerkt haben – auch nicht, als er die Dienstwaffe wieder entnahm.
Der Angeklagte holte seinen Kollegen in seinem Zimmer ab. Dort sollen die beiden einen Schusswaffeneinsatz
simuliert haben. Das spätere Opfer soll laut Anklage seine Waffe gezogen, Richtung Fenster gehalten und „Deutschuss“gerufen haben. Ein Deutschuss wird in Notsituationen durchgeführt, wenn ein schnelles Ziehen und Schießen notwendig ist. Die beiden Männer haben laut dem Angeklagten öfter solche Schießübungen nachgestellt. Der damals 19-Jährige drückte den Abzug der Waffe – im Lauf befand sich noch diese eine Kugel, die den 21-Jährigen in den Hinterkopf traf. Schwer verletzt starb er wenige Stunden später in einer Klinik.
Laut Gericht hat der Angeklagte gegen zahlreiche Bestimmungen verstoßen
und seine Waffe bei der Entladung nicht ordnungsgemäß kontrolliert. Allerdings sei es ihm anzurechnen, dass er bereits drei Stunden nach der Tat ausgesagt hatte. Der Richter begründete das Jugendstrafmaß unter anderem damit, dass sich der Angeklagte zur Tatzeit in Ausbildung befand und mit seinem Kollegen wohl öfter solche Spielchen gemacht habe, in denen er leichtfertig mit der Waffe umgegangen sei. Es sei auch zu berücksichtigen, dass der 21-Jährige seit der Tat traumatisiert sei.
„Der Angeklagte hat einen guten Freund erschossen und muss mit der Schuld klarkommen“, sagte der Staatsanwalt in seinem Plädoyer und sprach von „unglücklichen Verkettungen“. Er plädierte auf ein Jahr und zehn Monate auf Bewährung nach Erwachsenenstrafrecht.
Für den Rechtsanwalt, der die Eltern des Getöteten in der Nebenklage vertrat, war eine Strafe unter zwei Jahren nicht angemessen; er forderte ebenfalls eine Verurteilung nach dem Erwachsenenstrafrecht. Die Familie habe große Hoffnungen gehabt, nun endlich abschließen zu können – er glaube nicht, dass dies nach diesem einen Verhandlungstag möglich sei.
Die Bayerische Bereitschaftspolizei hat nach dem Unfall eine Expertengruppe eingerichtet, die die Waffenund Schießausbildung vollständig überprüft hat. „Im Ergebnis wurden durch diese keine strukturellen Problemfelder erkannt“, sagte Polizeihauptkommissar Markus Kern.