Erinnerungen lassen sich nicht einfach verdrängen
In „Die Präparatorin“kehren Verbrechen aus der Vergangenheit zurück
Für die Tierpräparatorin Felicitas Booth ist der Tod nichts Besonderes. Jeden Tag befasst sich die Hauptfigur in Andreas Wagners Roman „Die Präparatorin“damit, tote Tiere „aufzuarbeiten“. Von menschlichen Schicksalen hat sie sich dagegen fast völlig abgekoppelt.
Das ändert sich dramatisch an einem Wochenende. Erst stirbt ihre schon seit Jahren an Demenz leidende Mutter. Dann wird ein Mann von einem Auto überfahren, nachdem Felicitas ihn beim Einbruch in ihr Geschäft überrascht hatte. Und dann entdeckt sie auch noch die Leiche des Bestatters ihrer Mutter.
Vor allem der Einbruch in ihr Ladengeschäft irritiert die Präparatorin. Der Mann hatte sich offenbar nicht für Geld interessiert, sondern für ihre Ausstellungsstücke. Er hatte sogar angefangen, eine noch von ihrem Vater präparierte Hyäne aufzuschneiden.
Felicitas Booth vermutet, dass der Grund für den Einbruch in der Vergangenheit ihres Vaters liegt. Sie hatte als kleines Kind dessen Ermordung miterlebt, aber alle Erinnerungen daran verdrängt. Ihre Mutter hatte ihr eine Kiste mit Fotos, Filmen und Zeitungsausschnitten über eine Safari in Afrika vermacht, an der ihr Vater zu Anfang der 1960er-Jahre teilgenommen hatte.
Sie beginnt, aus den Hinterlassenschaften ihrer Mutter und den Arbeitsunterlagen ihres Vaters die Safari zu rekonstruieren. Schnell wird ihr bewusst, dass an dieser Expedition einiges seltsam war. Die Reisenden betrieben einen hohen Aufwand, bald danach hatte ihr Vater auf einmal viel Geld – und wenige Monate später war die Hälfte der Teilnehmer tot.
Irgendein gefährliches Geheimnis liegt in ihrer Familiengeschichte verborgen, und nun scheint es Felicitas erreicht zu haben. Zu ihrem Glück hat sie einen Nachbarn, der ihr beisteht.
Andreas Wagner schickt seine Hauptfigur auf eine abenteuerliche und gefährliche Reise vom heimischen Mainz bis nach Rumänien, aber vor allem in die Vergangenheit, die mit Macht in ihr Leben drängt. Dabei spielt das PräparatorenHandwerk stets eine wichtige Rolle. Die Fachkenntnisse ihres Vaters setzten eine Entwicklung in Gang, die 50 Jahre später seine Tochter trifft, die erst allmählich erkennt, in welchen Zusammenhängen sie ihr Leben führt.
Andreas Wagner, der bislang mehrere Krimis im Winzermilieu spielen ließ, hat mit „Die Präparatorin“einen spannenden Roman mit zahlreichen überraschenden Wendungen geschrieben. Hinzu kommen eine glaubwürdige Hauptfigur und ein ungewöhnlicher Handlungsrahmen.
Andreas Wagner: Die Präparatorin, Emons Verlag, 240 Seiten, 16 Euro.