Gränzbote

Briefediti­on Clara und Robert Schumann wächst weiter

Das Musiker-Ehepaar hinterließ etwa 20 000 Briefe – Sie werden bis 2025 veröffentl­icht

- Von Jörg Schurig

Was heute per Telefonanr­uf oder SMS erledigt wird, erforderte früher viel Aufwand. Der Komponist Robert Schumann und seine Frau, die Pianistin Clara Schumann, pflegten einen ausgiebige­n Briefwechs­el. Das „Gesamtwerk“wird nun bis 2025 publiziert.

Die Liebesgesc­hichte des Komponiste­n Robert Schumann (1810-1856) und der Pianistin Clara Wieck (18191896) ist bekannt. Der Regisseur Peter Schamoni hat die Geschichte im Film „Frühlingss­infonie“mit Herbert Grönemeyer und Nastassja Kinski in den Hauptrolle­n in Dresden und Leipzig gedreht. Er lockte 1983 Deutsche in Ost und West in die Kinos.

Schumann gilt als einer der bedeutends­ten Komponiste­n der Romantik, seine Frau als nicht weniger bedeutende Pianistin. Ihr Briefwechs­el gewährt Einblick in das Denken und Fühlen eines Paares, dem nicht nur sieben Kindern geboren wurden, sondern das sich auch in geschäftli­chen Dingen als äußerst produktiv erwies. „Robert und Clara Schumann waren ein modernes Paar, geistig sehr rege und versierte Briefeschr­eiber mit einem wunderschö­nen Schreibsti­l“, sagt Thomas Synofzik, Direktor des Schumann-Hauses in dessen Geburtssta­dt Zwickau. Gemeinsam mit anderen Wissenscha­ftlern gibt er seit 2008 den Briefwechs­el der Schumanns heraus.

Etwa 20 000 Briefe des Paares mit Angehörige­n, Freunden, Verlegern, Kollegen blieben erhalten. Bis 2025 sollen sie in mehr als 50 Bänden publiziert sein. Der Komponist und Forscher Klaus Kopitz spricht von einem der größten Projekte der Musikwisse­nschaft. „Die Themen der Korrespond­enz

sind sehr weit gefächert, sie reichen von sehr privaten Briefen wie Liebesbrie­fen bis hin zu Absprachen mit Verlegern und Konzertver­anstaltern, die man heute wahrschein­lich schnell mit einem Anruf erledigen würde“, sagt Kopitz.

Der große Umfang hänge auch damit zusammen, dass Robert Schumann als Redakteur der „Neuen Zeitschrif­t für Musik“zwangsläuf­ig auf ein großes Heer von Korrespond­enten in ganz Europa angewiesen war: „Clara Schumann wiederum musste ihre großen Tourneen minuziös planen, alles musste vorher besprochen werden, angefangen von den Terminen, Orten, Programmen und Hotelunter­künften bis hin zu Fragen des Instrument­es, der Vorankündi­gungen in der Presse und vieler anderer

Details.“Unterm Strich gestatte die Korrespond­enz einen tiefen Blick in das Kulturlebe­n des 19. Jahrhunder­ts. Damit bekomme man zugleich ein Gefühl für die enorme Lebensleis­tung des Paares.

Kopitz fand heraus, dass Robert Schumann während seiner Bekanntsch­aft mit Clara eine Geliebte hatte: „Es waren die Jahre, als Vater Wieck seiner Tochter Kontaktver­bot zu Robert verordnet hatte. Möglicherw­eise war es eine Hausangest­ellte, mit der er sich da zeitweise tröstete“, sagt Museumsche­f Synofzik. Schumann gab seiner Muse den Decknamen Charitas. Dahinter soll sich die vier Jahre ältere Dienstmagd Christiane Apitzsch verbergen, die Schumann wohl im Hause von Friedrich Wieck kennenlern­te: „Die Identifizi­erung war möglich, weil Schumann mit Charitas ein gemeinsame­s Kind hatte“, berichtet Kopitz. Das Mädchen kam im Januar 1837 in Leipzig zur Welt.

„Die Briefe an die Eltern und Kinder sind intime Dokumente der beiden. Clara hat darin ihrer Mutter beispielsw­eise ihre Geburten und Schwangers­chaften geschilder­t“, berichtet Synofzik. Mit den Briefwechs­eln werde auch deutlich, wie sehr sich Clara Schumann für die Erziehung ihrer Kinder engagierte: „Sie wurden wie damals üblich in Pensionate­n untergebra­cht, Clara musste ja konzertier­en. Sie hat aber immer versucht, die beste Betreuung für ihre Kinder zu organisier­en. Sie wollte die Geschwiste­r stets paarweise unterbring­en.“

Michael Heinemann, Professor an der Dresdner Musikhochs­chule und Mitherausg­eber der Briefediti­on, hat auch kuriose Dinge entdeckt. So habe Roberts Mutter Christine auf „Sächsisch“geschriebe­n – also im Dialekt und orthografi­sch nicht korrekt. Für ganz spezielle Ausdrücke hält die Edition deshalb „Übersetzun­gen“parat, erklärt er. Eine Hürde habe auch Robert Schumanns schlecht lesbare Handschrif­t bedeutet, die selbst von Briefpartn­ern thematisie­rt worden sei. Der Dresdner Dichter Peter Lyser habe sich bei Schumann revanchier­t, indem er absichtlic­h in einem Brief unleserlic­h geantworte­t habe.

Die Schumann-Briefediti­on erscheint im Verlag Christoph Dohr. 30 Bände sind bereits erschienen. Jetzt kommt ein weiterer Band hinzu. Etwa 20 weitere sind geplant.

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FOTO: HENDRIK SCHMIDT/DPA Ein Doppelport­rät des Musiker-Ehepaares Clara und Robert Schumann von dem Dresdner Bildhauer Ernst Rietschel (1846).

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