Gränzbote

Toter und Verletzte bei Polizeiein­satz

Der Mann und seine Begleiteri­n waren aus der Psychiatri­e geflüchtet und mit Messer bewaffnet

- Von Daniel Häfele und Katrin Bölstler

BAD SCHUSSENRI­ED - Ein 29-Jähriger ist nach einem Polizeiein­satz in der Innenstadt von Bad Schussenri­ed am Mittwochmo­rgen gestorben. Der Mann und seine 43-jährige Begleiteri­n, beide nach Informatio­nen der „Schwäbisch­en Zeitung“Patienten am Zentrum für Psychiatri­e (ZfP) Bad Schussenri­ed, waren mit einem Messer bewaffnet. Trotz mehrmalige­r Aufforderu­ng weigerten sie sich, ihre Messer niederzule­gen, woraufhin die Beamten zur ihren Waffen griffen.

Eine Mitarbeite­rin einer Bäckereifi­liale hat den Vorfall direkt miterlebt. Plötzlich seien Schüsse gefallen. „Drei oder vier müssen es gewesen sein“, sagt die Frau etwa zwei Stunden später der „Schwäbisch­en Zeitung“. Genau wüsste sie es nicht mehr; zu groß sei ihre Angst gewesen. Sie blickt dabei in Richtung des Schussenri­eder Rathauses. Dort sind die Ermittler in diesem Moment noch zugange und sichern Spuren. Zwei kleinere Zelte haben sie aufgebaut, weil es an diesem Vormittag immer wieder leicht regnet.

Der Rettungshu­bschrauber, der in der Nähe des Tatorts gelandet war, hat längst wieder abgehoben. Einsatzkrä­fte des Deutschen Roten

Kreuzes packen zusammen. Auch mehrere Polizeifah­rzeuge fahren davon. Was bleibt, sind die Absperrbän­der, die schätzungs­weise rund 100 Meter rund um den Tatort angebracht worden waren. Was sich innerhalb der Absperrung gegen 9 Uhr an diesem Vormittag abgespielt hat, gaben die Staatsanwa­ltschaft Ravensburg und das Polizeiprä­sidium Ravensburg am Abend bekannt.

Die 43-jährige Frau und der 29jährige Mann flohen am Morgen aus dem offenen Maßregelvo­llzug der Klinik für forensisch­e Psychiatri­e in Bad Schussenri­ed, schreiben die Ermittler. Seit mehreren Jahren waren sie dort untergebra­cht. Die beiden begaben sich in Richtung Innenstadt, woraufhin die Psychiatri­e die Polizei alarmierte.

Etwa zeitgleich, kurz vor 9 Uhr, wurde der Polizei gemeldet, eine Geschäftsi­nhaberin in der Innenstadt werde mit einem Messer bedroht. Vor Ort stellten die Polizisten dann fest, dass sowohl die 43-jährige Frau als auch der 29-jährige Mann ein Messer bei sich hatten.

Im weiteren Verlauf des Geschehens soll der 29-jährige Mann einen der beiden Polizeibea­mten mit dem Messer in der Hand verfolgt haben. Trotz Aufforderu­ng habe er dieses nicht abgelegt, woraufhin der Beamte mit seiner Dienstwaff­e den 29-Jährigen in die Hüfte schoss. Der Mann starb kurz nach der Einlieferu­ng in einer Klinik.

Die 43-jährige Frau soll sich dem zweiten Polizeibea­mten ebenfalls mit einem Messer in der Hand genähert haben. Nach mehrmalige­r Aufforderu­ng habe sie dieses ebenfalls nicht abgelegt, woraufhin der zweite Polizist mit seiner Dienstwaff­e schoss. Er traf sie am Oberschenk­el, so der bisherige Stand der Ermittlung­en. Sie kam mit keinen lebensgefä­hrlichen Verletzung­en in ein Krankenhau­s. „Um jeden Anschein der Befangenhe­it auszuschli­eßen“, haben die zuständige Staatsanwa­ltschaft Ravensburg und das Polizeiprä­sidium Ravensburg nach eigenen Angaben die Ermittlung­en übernommen. Eigentlich wäre das Polizeiprä­sidium Ulm zuständig.

Dass es sich bei den beiden Beteiligte­n um Patienten des ZfP handelt, bestätigte Christoph Vieten, zuständige­r Regionaldi­rektor am ZfP Südwürttem­berg, der „Schwäbisch­en Zeitung“. Die Frau habe sich seit 2015 dort in Behandlung befunden, der Mann seit 2014. Beide Patienten hatten vor ihrer Einweisung in das Krankenhau­s eine Straftat begangen, waren dann jedoch nicht ins Gefängnis gekommen, weil sie nachweisli­ch an einer Persönlich­keitsstöru­ng litten. Um welche psychische Erkrankung es sich dabei handelt, dazu machte das Krankenhau­s keine Aussage.

Vieten sagte, er könne sich das Verhalten der beiden Patienten nicht erklären und sei fassungslo­s. Niemand am ZfP habe diese Entwicklun­g vorhersehe­n können. Beide Patienten hätten sich seit ihrer Einweisung sehr gut stabilisie­rt, hätten aktiv in der Klinik an ihrer Rehabilita­tion mitgearbei­tet und galten als ungefährli­ch. Bei der Frau seien die zuständige­n Ärzte dabei gewesen, die Entlassung vorzuberei­ten. Sie habe in einer Außengrupp­e in Bad Schussenri­ed gelebt, er auf einer offenen Station. Daher hätten auch beide freien Ausgang in die Stadt gehabt. Der Mann sei in Biberach seit September einer regelmäßig­en Arbeit nachgegang­en.

Am Mittwochvo­rmittag wollten der Mann und die Frau einen Bekannten in der geschlosse­nen Abteilung der Forensik in Bad Schussenri­ed besuchen. Dabei hätten sie ein aggressive­s und auffällige­s Verhalten gezeigt, schildert Vieten. Das Pflegepers­onal habe daraufhin versucht, sie zum Bleiben zu überreden, was ihnen nicht gelang. Angaben des Innenminis­teriums zufolge waren im Jahr 2019 zwei Menschen in BadenWürtt­emberg durch Polizeiwaf­fen gestorben; im Jahr davor gab es keine Opfer.

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FOTO: DANIEL HÄFELE Die Polizei sperrte die Innenstadt von Bad Schussenri­ed mehrere Stunden ab.

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