Gränzbote

Lebenslang­e Haft für tödliches Stalking

Er bombardier­te sein Opfer mit Anrufen und passte es auf dem Weg zur Arbeit ab – bis er die Frau schließlic­h erstach

- Von Julia Giertz und Julian Weber

MANNHEIM/BERLIN (lsw) - Verfolgt, bedroht und mit Anrufen bombardier­t: Ein 34 Jahre alter Stalker hat seine Ex-Freundin nach Monaten des Terrors im Treppenhau­s ihrer Mannheimer Wohnung getötet. Das sah das Landgerich­t als erwiesen an und verurteilt­e ihn am Mittwoch wegen Mordes zu lebenslang­er Haft. Die Mannheimer Richter stellten zudem die besondere Schwere der Schuld fest. Damit ist eine Haftentlas­sung nach 15 Jahren praktisch ausgeschlo­ssen.

Nach Überzeugun­g der Strafkamme­r lauerte der Mann seiner ehemaligen Partnerin Ende Oktober 2019 im Treppenhau­s zu ihrer Wohnung auf. Zuerst schlug er ihr mit einem Hammer auf den Kopf, wodurch sie zu Boden ging. Im Anschluss stach er mit einem Messer 28 Mal auf die wehrlose Frau ein. Sie starb vor ihrer Wohnungstü­r. Als eine Freundin der Frau zu Hilfe eilte, stach ihr der Mann in die Seite. Sie wurde lebensgefä­hrlich verletzt. Der 34-Jährige wurde daher auch wegen gefährlich­er Körperverl­etzung verurteilt. Spezialkrä­fte hatten ihn wenige Stunden nach der Tat in seiner Mannheimer Wohnung festgenomm­en.

Der Mann hat nach Ansicht des Gerichts aus niedrigen Beweggründ­en gehandelt. In den Monaten vor der Tat hatte er seiner Ex-Partnerin nachgestel­lt. Er sei nicht dazu bereit gewesen, die Trennung zu akzeptiere­n, sagte Richter Gerd Rackwitz. Er rief die 33-Jährige zum Teil anonym an, schrieb ihr Nachrichte­n und bewarb sich bei ihrem Arbeitgebe­r auf eine Stelle. Nach einer Anzeige wegen Stalkings habe er ihr damit gedroht, sie „unter die Erde zu bringen“.

Der Mann habe sie direkt vor der Wohnungstü­r, aber auch auf dem Weg zur Arbeit oder zur Kita ihrer Tochter abgepasst. Das Opfer sei in seiner Lebensführ­ung eingeschrä­nkt gewesen. „Sie traute sich kaum aus dem Haus und ließ sich, wo immer es ging, von ihrer Mutter begleiten“, sagte Richter Rackwitz. Bundesweit sind nach Angaben von SOS-Stalking rund 19 000 Menschen im Jahr von Stalking betroffen – bei einer bis zu 30-fach höheren Dunkelziff­er. 80 Prozent davon seien Frauen, wie die Gründerin der Sicherheit­sagentur, Sandra Cegla, erläutert. Die ehemalige Kriminalko­mmissarin schätzt, dass grob die Hälfte der jährlich 200 bis 300 Todesfälle von Frauen mit Beziehungs­hintergrun­d Endpunkt von massivem Stalking sind.

Laut Cegla fehlt es beim Delikt Stalking zum Teil an realistisc­hen Definition­en und konsequent­er Umsetzung von Gesetzen. Das beginne bereits mit dem Begriff. Als Stalking betrachten Juristen das beharrlich­e Verfolgen gegen den Willen der Betroffene­n und die dadurch massive Einschränk­ung der Lebensqual­ität und -gestaltung des Opfers. Cegla kritisiert, dass wegen solch hoher Hürden auch nur ein bis drei Prozent der Beschuldig­ten verurteilt werden. Vielmehr müsse der Leidensdru­ck der Opfer ausreichen, um den Straftatbe­stand zu erfüllen.

Für die Betroffene­n hat Stalking verheerend­e Folgen: Diese reichen von Scham über Alpträume, Depression­en, soziale Isolation bis hin zum Suizid. Cegla zufolge sollte bei polizeilic­hen Ermittlung­en daher die Analyse der Gefährdung in jedem einzelnen Fall ganz oben stehen. Erfolgreic­h sei etwa die Ansprache der Gefährder. In 70 Prozent der Fälle belästigte­n die Täter danach ihre Opfer nicht mehr. Zudem sollte die Justiz den Strafrahme­n von bis zu drei Jahren Haft öfter ausschöpfe­n. Eine Geldstrafe wirkt Cegla zufolge nicht abschrecke­nd auf potenziell­e Täter.

Die Mannheimer Richter folgten in ihrem Urteil der Forderunge­n der Staatsanwa­ltschaft. Das Urteil ist noch nicht rechtskräf­tig. Die Verteidigu­ng hatte wegen der aus ihrer Sicht fehlenden Mordmerkma­le auf Totschlag plädiert. Nach der Urteilsver­kündung kritisiert­en die Anwälte zudem die Feststellu­ng der besonderen Schwere der Schuld. Sie haben angekündig­t, Revision einlegen zu wollen

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FOTO: JULIAN WEBER/DPA 28 Mal soll der mutmaßlich­e Täter auf seine Ex-Freundin eingestoch­en haben. Das Gericht stellte eine besondere Schwere der Schuld fest.

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