Gränzbote

NSU 2.0: Berlin drängt zu Aufklärung in Hessen

Innenminis­ter Peter Beuth hält rechtes Netzwerk bei der Polizei für möglich

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FRANKFURT (dpa) - Der Aufklärung­sdruck zu den rechtsextr­emen „NSU 2.0“-Drohschrei­ben wächst – aber knapp zwei Jahre nach Beginn der Ermittlung­en ist das Verfahren nur komplizier­ter geworden. Die Staatsanwa­ltschaft Frankfurt hat nun auch die Untersuchu­ngen zu den nach Berlin versandten Mails an die Kabarettis­tin Idil Baydar und Politikeri­nnen der Linken übernommen. Das sagte eine Sprecherin der Behörde am Mittwoch. Die Bundesregi­erung hat ihre Solidaritä­t mit den betroffene­n Frauen erklärt, Linke und SPD erhöhen den Druck auf Landesinne­nminister Peter Beuth (CDU).

Im Fall Baydars, die bereits im März 2019 erstmals ein Drohschrei­ben erhalten hatte, waren Daten von einem Polizeirec­hner in einem Wiesbadene­r Polizeirev­ier abgerufen worden. Persönlich­e Daten wurden auch vor den Drohmails an die Frankfurte­r Rechtsanwä­ltin Seda Basay-Yildiz und die Fraktionsv­orsitzende der Linken im Hessischen Landtag, Janine Wissler, von hessischen Polizeicom­putern abgerufen.

„Das muss bis ins Letzte aufgeklärt werden“, sagte Regierungs­sprecher Steffen Seibert am Mittwoch in Berlin über die Ermittlung­en zu den Drohschrei­ben. Dann müssten Konsequenz­en gezogen werden. Die betroffene­n Frauen „haben unsere ganze Solidaritä­t in dieser für sie schwierige­n Situation“, betonte Seibert. „Die Aufklärung der Vorgänge in Hessen werden wir sehr genau beobachten“, versichert­e der Sprecher des Bundesinne­nministeri­ums.

Er sprach von einem „völlig inakzeptab­len“Vorgang. „Wenn sich die Vorgänge bestätigen, ist das auf jeden Fall ein schwerer Imageschad­en für die Polizei.“Wenn ein solcher Datenmissb­rauch „aus einer politische­n Gesinnung heraus stattfinde­t, ist es noch schlimmer, als wenn es sozusagen nur datenschut­zrechtlich­e Aspekte sind“. Der Sprecher betonte, dass jeder Abruf von Personenda­ten protokolli­ert werde und dabei auch die Zweckbesti­mmung angegeben werden müsse.

Die Opposition­sfraktione­n SPD und Linken brachten einen gemeinsame­n dringliche­n Antrag mit 37 Fragen an Landesinne­nminister Peter Beuth ein. „Wir hoffen, dass der Innenminis­ter willens und in der Lage ist, darzulegen, wie der Stand der Ermittlung­en gegen die Urheber der Drohbriefe und deren mögliche Helfer bei der Polizei ist“, begründete­n der Parlamenta­rische Geschäftsf­ührer der SPD-Fraktion, Günter Rudolph, sowie Linken-Innenexper­te Hermann Schaus den Vorstoß. Der Minister habe mit seinem Handeln erheblich dazu beigetrage­n, dass aus der Drohbrief-Affäre ein ausgewachs­ener Behördensk­andal geworden sei.

Mittlerwei­le ist zudem ein Sonderermi­ttler im Einsatz, um zu den Drohmails und den Abrufen der persönlich­en Daten der später bedrohten Frauen von Polizeicom­putern zu ermitteln. Hessens Innenminis­ter Peter Beuth hatte kürzlich nicht mehr ausgeschlo­ssen, dass es ein rechtes Netzwerk in der hessischen Polizei geben könnte.

Die Gewerkscha­ft der Polizei (GdP) forderte derweil, die Einführung von Fingerabdr­ucksensore­n. Mit der Technik sollten die Standardar­beitsplätz­e ausgerüste­t werden. „Dies wäre zum einen eine Vereinfach­ung der Anmeldepro­zedur und zum anderen eine wirklich sichere Methode um zu verhindern, dass Dritte mit meinen Zugangsdat­en Systemabfr­agen durchführe­n“, sagte der GdP-Vorsitzend­e Andreas Grün am Mittwoch.

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