Gränzbote

Verfassung­sgericht kippt Frauenquot­e

Thüringer Landesregi­erung scheitert mit Vorstoß für paritätisc­he Wahllisten

- Von Matthias Puddig und Katja Korf

BERLIN/STUTTGART - Für Klara Geywitz mag eine Schlacht verloren sein, der Kampf um die Parität in den Parlamente­n ist es nicht. „Das Urteil in Thüringen ist enttäusche­nd, hat aber keine Auswirkung­en auf das Paritätsge­setz in anderen Bundesländ­ern“, sagte die Vize-SPD-Chefin am Mittwoch, nachdem klar war, dass das Landesverf­assungsger­icht in Weimar das Thüringer Paritätsge­setz gekippt hat. Geywitz war eine der Initiatore­n eines entspreche­nden Gesetzes in Brandenbur­g, und glaubt nicht, dass mit dem Weimarer Urteil das letzte Wort gefallen ist. „Wir werden uns das Urteil in Thüringen genau ansehen und an Parität in Parlamente­n arbeiten“, kündigte sie an.

Was ist in Thüringen passiert? Die rot-rot-grüne Landesregi­erung hatte 2019 beschlosse­n, dass Parteien in Thüringen ihre Kandidaten­listen für Landtagswa­hlen abwechseln­d mit Männern und Frauen besetzen müssen. Das Gesetz hätte schon bei der Wahl im April 2021 greifen sollen. Die AfD klagte jedoch dagegen und bekam nun Recht. Das Paritätsge­setz beeinträch­tige das Recht auf Freiheit und Gleichheit der Wahl sowie das Recht der politische­n Parteien auf Betätigung­sfreiheit, Programmfr­eiheit und Chancengle­ichheit, so die Richter.

Die Thüringer Regierungs­fraktionen bedauerten die Entscheidu­ng. „Dieses Urteil ist eine Niederlage für die gleichbere­chtigte Teilhabe von Frauen in Politik und Parlamente­n“, sagte Linken-Fraktionsv­orsitzende Susanne Hennig-Wellsow. Der stellvertr­etende CDU-Landeschef Christian Hirte begrüßte es indes: „Wir sehen das traurige Ergebnis eines rein ideologisc­hen Vorhabens, das mit Zwang und Scheuklapp­en in ein Gesetz gegossen wurde.“Dabei gibt es durchaus auch CDU-Frauen, die einem Paritätsge­setz offen gegenübers­tehen. „Das Urteil ist bedauernsw­ert rückwärtsg­ewandt“, sagte etwa die ehemalige Bundestags­präsidenti­n Rita Süssmuth dem „Redaktions­netzwerk Deutschlan­d“. „Die Gesellscha­ft ist heute schon viel weiter. Sie will die Gleichstel­lung von Frauen und Männern – auch im politische­n Raum und gerade in den Parlamente­n.“

Tatsächlic­h sitzen deutlich mehr Männer als Frauen in den Parlamente­n. Im Bundestag etwa sind nur 30,9 Prozent der Sitze von Frauen besetzt. Der Anteil ist im Vergleich zur vorherigen Legislatur sogar noch geschrumpf­t. Die SPD-Frauen machten sich deshalb zuletzt dafür stark, bei der ohnehin anstehende­n Wahlrechts­reform die Parität gleich auch zu regeln. Besonders wahrschein­lich ist das aber nicht. Denn nicht nur die Union ist dagegen. Auch Grünenund Linksfrakt­ion verzichtet­en in einem gemeinsame­n Gesetzentw­urf mit der FDP auf ein Reißversch­lussverfah­ren.

Auch in Baden-Württember­g ist und bleibt das Thema umstritten. Eigentlich hatten Grüne und CDU nach den Landtagswa­hlen 2016 vereinbart, das Wahlrecht zu reformiere­n, um mehr Frauen ins Parlament zu bringen. Derzeit liegt ihr Anteil bei mageren 25,9 Prozent, nur bei den Grünen ist fast jeder zweite Sitz mit einer Abgeordnet­en besetzt. Dahinter folgen die CDU mit 23 Prozent Frauen, abgeschlag­en am Schuss die FDP mit rund acht Prozent.

Um das zu ändern wollten die Regierungs­partner bei Landtagswa­hlen eine Zweitstimm­e einführen. Bislang machen die Wähler im Südwesten nur ein Kreuzchen für den Kandidaten in ihrem Wahlkreis. Eine zweite Stimme für eine Partei gibt es nicht, eben sowenig wie eine Landeslist­e der Parteien. Damit fehlt diesen die Möglichkei­t, Frauen auf aussichtsr­eiche Listenplät­ze zu setzen – und damit auszugleic­hen, dass in den Wahlkreise­n nach wie vor meist männliche Kandidaten in den Wahlkampf ziehen.

Doch die Reform dieses außergewöh­nlichen Systems scheiterte nach langem Streit Anfang 2018. Die CDU lehnte Änderungen ab. Das Argument: Das geltende Wahlrecht sei bürgernähe­r, weil es den Kandidaten vor Ort im Wahlkreis mehr Bedeutung zumesse. Deshalb wird auch 2021 wieder nach dem alten System gewählt.

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